aa) Verband

 

Rz. 29

Die Bruchteilsgemeinschaft erschöpft sich in der gemeinschaftlichen Berechtigung (§§ 741 ff. BGB). Ihr fehlt schon im Ansatz die Verselbstständigung einer Vermögensmasse, der losgelöst von den Einzelinteressen der Mitglieder eigenständige Rechtsqualität zukommen könnte. Hier gilt ebenso wie bei allen anderen Personenmehrheiten, deren Bedeutung nur in der Bündelung von gleichartigen Einzelinteressen besteht (z.B. Gesamtschuldverhältnisse), dass grds. jeder Einzelne von ihnen als Person an der anwaltlichen Tätigkeit beteiligt ist,[53] falls diese nicht als Gesamtheit auftreten (siehe Rdn 18).

 

Rz. 30

Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist zwar wie eine Bruchteilgemeinschaft konzipiert,[54] nimmt aber eine Sonderrolle ein, weil das nur die sachenrechtliche Seite, nicht aber ihre korporative Ausgestaltung im Rechtsverkehr betrifft. Die organisatorische Struktur, ihre Entstehungsgeschichte und die normierte Verwaltung weisen die Wohnungseigentümergemeinschaft als überindividuellen Verband eigener Art aus.[55] Dieser ist nach der Rechtsprechung des BGH[56] teilrechtsfähig, soweit er im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsverkehr teilnimmt. Es geht um eine rechtliche Verselbstständigung des Verwaltungsvermögens,[57] also um Forderungen und Verbindlichkeiten, die von der Gemeinschaft bei der Teilnahme am Rechtsverkehr begründet wurden oder ihr gesetzlich zustehen[58] sowie um die Verfolgung von Individualansprüchen im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft durch den Verwalter.[59] Dann vertritt der Anwalt mit der Gemeinschaft jeweils nur eine Person.[60]

 

Rz. 31

Das gilt aber auch, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft in gewillkürter Prozessstandschaft Ansprüche verfolgt, die in einem engen rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums stehen und an deren Durchsetzung sie ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat. Die Gemeinschaft kann von den einzelnen Wohnungseigentümern zudem auch ermächtigt werden, neben den Ansprüchen wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums Ansprüche wegen Mängeln des Sondereigentums[61] oder aus einer Bauträgerbürgschaft[62] geltend zu machen. Zu beachten ist, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss die Durchsetzung bestimmter Rechte einzelner Wohnungseigentümer an sich ziehen kann. Wenn sie von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, tritt die Wohnungseigentümergemeinschaft im Gerichtsverfahren als gesetzlicher Prozessstandschafter auf.[63] Der Rechtsanwalt hat dann nur einen Auftraggeber.

 

Rz. 32

Nur eine Person wird auch vertreten, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft im Innenverhältnis Beitrags- oder Schadensersatzansprüche gegen einzelne Wohnungseigentümer geltend macht.[64] Auch bei Verfahren über Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einzelne Wohnungseigentümer auf Zahlung von rückständigem Wohngeld oder auf Zahlung einer beschlossenen Umlage[65] und gegen Dritte wegen Ansprüchen aus Lieferungsverträgen betr. Gas, Wasser, Strom oder wegen Ansprüchen aus einem Bau- oder Architektenvertrag hat der Rechtsanwalt nur einen Auftraggeber.[66]

 

Rz. 33

Auch die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft kann beschränkt rechts- und parteifähig sein und nur eine Person bilden. Denn nur hierdurch wird ein Auseinanderlaufen der Rechtslage bei Eintritt weiterer Wohnungseigentümer verhindert.[67] Keine Gebührenerhöhung soll anfallen, wenn eine Anfechtungsklage gegen den Verband "Wohnungseigentümergemeinschaft" erhoben wird und keine Klageänderung auf die passivlegitimierten übrigen Wohnungseigentümer vorgenommen wird.[68]

[53] OLG Koblenz AGS 2009, 160; KG BRAGOreport 2002, 167; OLG Düsseldorf AnwBl 1988, 70 und JurBüro 1996, 584; OLG München JurBüro 1987, 1178; OLG Frankfurt JurBüro 1983, 1191. Siehe auch Hansens, AnwBl 2001, 581.
[55] Ausf. und lesenswert: BGH 2.6.2005 – V ZB 32/05, AGS 2005, 427 = NJW 2005, 2061; siehe dazu Anm. Mock, AGS 2005, 545.
[57] Zu den Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht siehe Pause/Vogel, NJW 2006, 3670.
[58] Nicht hingegen um grundstücksbezogene Ansprüche (BGH 30.3.2006 – V ZB 17/06, NJW 2006, 2187; OLG München NJW 2005, 3006) oder um Erwerberrechte (BGH 12.4.2007 – VII ZR 236/05, NJW 2007, 1952 und BGH 12.4.2007 – VII ZR 50/06, NJW 2007, 1957).
[60] Unklar Bub/Petersen, NJW 2005, 2590.
[64] KG AGS 2006, 317 = RVGreport 2006, 224 = JurBüro 2006, 474; KG RVGreport 2006, 223.
[65] KG AGS 2006, 317 = RVGreport 2006, 224 = JurBüro 2006, 474; KG AGS 2007, 444 = RVGreport 2007, 267 = NJW 2007, 2193.
[66] Hansens, RVGreport 2005, 281.
[67] OLG München RV...

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