Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erhöhungsgebühr bei Vertretung mehrerer Berechtigter auf Verschaffung von Bruchteilseigentum

 

Leitsatz (amtlich)

Ein gemeinsamer Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn mehrere Mandanten ihre individuellen Rechte aus ein- und demselben Vertrag geltend machen (hier: auf Verschaffung von Bruchteilseigentum). Die Begriffe Streitgegenstand und Angelegenheit sind nicht identisch. Dem anwaltlichen Mehraufwand wird durch die Addition der Werte der verschiedenen Gegenstände (§ 22 RVG) Rechnung getragen.

 

Normenkette

RVG §§ 7, 15, 22; RVG-VV Nr. 1008

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 05.05.2008; Aktenzeichen 15 O 232/06)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den die Kosten erster Instanz betreffenden Beschluss des LG Koblenz vom 5.5.2008 wird zurückgewiesen (Beschwerdewert: 1.984,13 EUR).

2. Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen den die Kosten zweiter Instanz betreffenden Beschluss des LG Koblenz vom 5.5.2008 wird zurückgewiesen (Beschwerdewert: 230,63 EUR).

3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Die Beklagte war aufgrund notariellen Kaufvertrages verpflichtet, den beiden Klägern Bruchteilseigentum zu je ½ zu verschaffen. Da die Verkäuferin diese Verpflichtung nicht erfüllte, nahmen die beiden Kläger sie auf Auflassung "zu je hälftigem Miteigentum" in Anspruch. Damit waren die Kläger in zweiter Instanz erfolgreich. Die Beklagte hat sämtliche Kosten des Rechtsstreits zu tragen. In zweiter Instanz war den Klägern Prozesskostenhilfe bewilligt.

Zur Festsetzung angemeldet wurden 4.357,13 EUR für die erste und 3.469,33 EUR für die zweite Instanz. Den Klägern hat der Rechtspfleger im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss für die erste Instanz 2.373,04 EUR, den Prozessbevollmächtigten für die zweite Instanz 3.238,70 EUR zuerkannt. Dabei hat der Rechtspfleger insbesondere dem Antrag auf Festsetzung einer nach Nr. 1008 VV zum RVG erhöhten Gebühr der gemeinsamen Prozessbevollmächtigten der Kläger nicht entsprochen und zur Begründung ausgeführt, es fehle an einer Tätigkeit für mehrere Auftraggeber hinsichtlich desselben Streitgegenstandes. Daneben hat der Rechtspfleger weitere Kürzungen vorgenommen.

Dagegen wenden sich die Kläger und deren Prozessbevollmächtigte mit der sofortigen Beschwerde. Beide Rechtsmittel sind zulässig, aber unbegründet.

1. Sofortige Beschwerde der Kläger:

a) Bei der Verfahrensgebühr handelt es sich um eine Wertgebühr (§ 2 RVG und VV 3100 zum RVG). Die Erhöhung einer Wertgebühr bei mehreren Auftraggebern in derselben Angelegenheit tritt nur ein, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist (1008 Abs. 1 VV zum RVG). Aus der Gesetzesfassung ergibt sich, dass Angelegenheit und Gegenstand nicht dasselbe sind.

Im vorliegenden Fall ist unzweifelhaft, dass der gemeinsame Prozessbevollmächtigte der Kläger in derselben Angelegenheit (§ 7 Abs. 1 RVG) tätig war. Der Anwalt erhält in einem derartigen Fall die Gebühren nur einmal (§§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 Satz 1 RVG).

Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist das Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit eines Rechtsanwalts bezieht. Dabei wird der Gegenstand durch den Auftrag des Mandanten bestimmt (vgl. BGH in AnwBl. 1984, 501 und ZIP 1995, 118, 122 sowie NJW 2004, 1043, 1045). Hier hatten die gemeinsamen Prozessbevollmächtigten von jedem Kläger den Auftrag, dessen Anspruch auf Verschaffung je hälftigen Miteigentums geltend zu machen. Zwischen den jeweiligen Rechten fehlt eine Verknüpfung, die eine Gegenstandsidentität begründet.

Die Beschwerde sieht das anders und meint, ein gemeinsamer Gegenstand liege deshalb vor, weil die Rechte beider Kläger auf demselben Vertrag beruhen. Dem kann nicht gefolgt werden. Der gebührenrechtliche Begriff des Gegenstandes kann mit dem zivilprozessualen Begriff des Streitgegenstandes gleichgesetzt werden (so Bischof in RVG Kompaktkommentar 2. Aufl. Rz. 41 zu § 15 RVG m.w.N.). Leiten verschiedene Personen aus einem einheitlichen Vertrag Ansprüche ab, die jeweils nur ihnen höchstpersönlich zustehen, lässt sich unter keinem tragfähigen Gesichtspunkt die Ansicht vertreten, beim Begehren der Anspruchsteller handele es sich um denselben Streitgegenstand im zivilprozessualen Sinne.

Dabei ist den Klägern durchaus darin beizupflichten, dass anwaltlicher Mehraufwand entsteht, wenn der Anwalt in derselben Angelegenheit mehrere Berechtigte aus ein- und demselben Vertrag vertritt. Dem trägt § 22 Abs. 1 RVG jedoch dadurch Rechnung, dass die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet werden.

Aus § 1011 BGB ergibt sich schon deshalb nichts Gegenteiliges, weil die Kläger hier keine Ansprüche aus bereits bestehendem Miteigentum geltend gemacht haben. Ebenso wenig kommt es für die gebührenrechtliche Frage darauf an, ob die Kläger notwendige Streitgenossen waren (§ 62 ZPO), was im Übrigen zu verneinen sein dürfte (vgl. BGH in NJW 1985, 385).

Der Hinweis der Kläger, es widerspreche...

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