Rz. 149

Die Entscheidung des BGH[268] betraf allerdings eine von vornherein ausdrücklich auf die Erhöhungsbeträge nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO beschränkte PKH-Bewilligung.[269] Hieraus wird zutreffend gefolgert, dass der beigeordnete Rechtsanwalt aus der Staatskasse nur dann lediglich die Gebührenerhöhung erhält, wenn sich die PKH-Bewilligung lediglich auf den Erhöhungsbetrag beschränkt. Allerdings sind gebührenrechtliche Beschränkungen im Rahmen der PKH-Bewilligung unzulässig.[270] Bei der Beschränkung der PKH auf die Gebührenerhöhung nach VV 1008 könnte für den mittellosen Streitgenossen unter Umständen die Gefahr bestehen, auf den Rechtsanwalt nicht den gleichen Einfluss nehmen zu können wie der vermögende Streitgenosse. Letzterer könnte gegenüber dem mittellosen Streitgenossen ein ihm zustehendes größeres Einflussrecht auf den Rechtsanwalt mit einem höheren Kostenrisiko begründen. Wenn die Staatskasse nur die Gebührenerhöhung zahlt, hat für die weiter entstandenen Gebühren und Auslagen nämlich zunächst der vermögende Streitgenosse einzustehen.[271]

 

Rz. 150

Ist PKH uneingeschränkt bewilligt worden, ist deshalb nach h.M. von der Staatskasse grds. die volle PKH-Vergütung, allerdings ohne die Gebührenerhöhung nach VV 1008 zu erstatten.[272] Die Staatskasse zahlt also die Vergütung, die entstanden wäre, wenn der Rechtsanwalt nur den bedürftigen Streitgenossen vertreten hätte (siehe dazu auch § 48 Rdn 95).

 

Rz. 151

Hierfür spricht, dass der vermögende Streitgenosse nach Zahlung der restlichen Vergütung an den Anwalt gem. § 7 Abs. 2, § 426 BGB einen Ausgleichsanspruch gegen den mittellosen Streitgenossen erwirbt. Der Ausgleich kann von dem mittellosen Streitgenossen nicht verweigert werden, weil § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Verhältnis zu dem anderen Streitgenossen nicht gilt. Der mittellose Streitgenosse müsste durch den Ausgleichsanspruch letztlich doch die Anwaltskosten tragen, von denen ihn die PKH eigentlich freistellen sollte.[273]

 

Rz. 152

Auch die bundeseinheitlich geltenden Verwaltungsbestimmungen zur Festsetzung der Vergütung des im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalts aus der Staatskasse (VwV Vergütungsfestsetzung) sprechen für die volle Erstattungspflicht der Staatskasse. Denn nach Ziffer 2.4.2 VwV hat der mit der Festsetzung der Vergütung befasste Urkundsbeamte Streitgenossen der Partei, die von dem dieser Partei beigeordneten Rechtsanwalt als Wahlanwalt vertreten werden, zur Zahlung des auf sie entfallenden Anteils an der aus der Staatskasse gezahlten Vergütung aufzufordern, soweit dies nicht aus besonderen Gründen, z.B. wegen feststehender Zahlungsunfähigkeit, untunlich erscheint.

Diese Regelung ergäbe keinen Sinn, wenn die Staatskasse in diesen Fällen nicht von ihrer vollen Einstandspflicht ausgehen würde.[274]

[268] BGH 1.3.1993 – II ZR 179/91, AGS 1995, 25 = NJW 1993, 1715.
[269] Vgl. BayLSG AGS 2013, 478 = RVGreport 2013, 467; LSG Sachsen AGS 2014, 577 = RVGreport 2015, 17.
[270] Vgl. BayLSG AGS 2013, 478 = RVGreport 2013, 467; OLG Köln JurBüro 2005, 429; OLG Bremen NJW-RR 2001, 1229; OLG Koblenz MDR 2002, 175; OLG Oldenburg FamRZ 2004, 706; OLGR Schleswig 2003, 353; LG Berlin NJW-RR 1997, 382.
[271] Rönnebeck, NJW 1994, 2273; Notthoff, AnwBl 1996, 612.
[272] LSG Berlin-Brandenburg 31.1.2018 – L 39 SF 186/16 B E, AGS 2018, 421; BayLSG AGS 2013, 478 = RVGreport 2013, 467; LSG Sachsen AGS 2014, 577 = RVGreport 2015, 17; LSG Thüringen 25.3.2015 – L 6 SF 163/15 B; OLG Naumburg 31.7.2012 – 2 W 58/11; OLG München AGS 2011, 76 = JurBüro 2011, 146; OLG Köln AGS 2010, 496; OLG Brandenburg JurBüro 2007, 259; OLG Celle AGS 2007, 250 = Rpfleger 2007, 161; OLG Schleswig AGS 1998, 164 = JurBüro 1998, 476; LAG Rheinland-Pfalz JurBüro 1998, 30; OLG Köln NJW-RR 1999, 725; OLG Hamm AGS 2003, 509 = Rpfleger 2003, 447; OLG Stuttgart MDR 2000, 545; OLGR Bamberg 2001, 28; OLGR Zweibrücken 2004, 139; OLG Düsseldorf Rpfleger 1997, 532; OLG Hamm AGS 2003, 509 = Rpfleger 2003, 447.
[273] LSG Berlin-Brandenburg 31.1.2018 – L 39 SF 186/16 B E, AGS 2018, 421; OLG Naumburg 31.7.2012 – 2 W 58/11; LG Berlin JurBüro 1996, 434; OLG Stuttgart JurBüro 1997, 200; OLG München JurBüro 1997, 89; Lappe, ZAP 1993, 731.
[274] Vgl. Volpert, in: Hansens/Braun/Schneider, Teil 6 Rn 326 ff.

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