Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für einzelne Personen einer Streitgenossenschaft. keine fiktive Terminsgebühr bei Annahme eines Teilanerkenntnisses und Teilrücknahmeerklärung. SGB 2-Bedarfsgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grundlage des Vergütungsanspruchs des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwalts ist der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

2. Vertritt der Anwalt mehrere Streitgenossen, von denen lediglich einem Teil unbeschränkt Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, ist der Vergütungsanspruch des Anwalts weder auf den Erhöhungsbetrag nach Nr 1008 VV RVG noch eine Quote entsprechend der Gesamtzahl der Vertretenen beschränkt.

 

Orientierungssatz

Bei Beendigung des Verfahrens durch Annahme eines Teilanerkenntnisses und nachfolgender Teilrücknahmeerklärung, fällt keine fiktive Terminsgebühr an.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 2. Oktober 2012 geändert und die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 512,89 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) in einem sozialgerichtlichen Verfahren beigeordneten Rechtsanwalts.

Die eine Haushaltsgemeinschaft bildenden Kläger, von denen die Kläger zu 1. und 2. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezogen, führten vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG), seit dem Widerspruchsverfahren vertreten durch den Beschwerdeführer, das Verfahren S 26 AS 5111/11, in dem im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch um Leistungen für den Zeitraum 01.12.2009 bis 31.05.2010 gestritten wurde. Mit Beschluss vom 14.03.2012 bewilligte das SG den Klägern zu 2. und 3. PKH unter Beiordnung des Beschwerdeführers; die Bewilligung von PKH für die Klägerin zu 1. lehnte es mangels Bedürftigkeit ab. Nach Erlass eines Änderungsbescheides nahm der Beschwerdeführer für die Kläger mit Schriftsatz vom 05.04.2012 ein Teilanerkenntnis des Beklagten an und erklärte den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt. Einen Kostenantrag stellte er nicht.

Am 19.04.2012 beantragte der Beschwerdeführer, seine aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen für die Vertretung der Kläger zu 2. und 3. wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG)

170,00 €

Erhöhungsgebühr (Nr. 1008 VV RVG, 2 Auftraggeber)

 51,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

100,00 €

Einigungs-/Erledigungsgebühr (Nr. 1005 i. V. m. Nr. 1006 VV RVG

190,00 €

Auslagen (Nr. 7002 VV RVG)

 20,00 €

Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

108,89 €

Summe 

631,89 €

Mit Beschluss vom 20.07.2012 setzte die Urkundsbeamtin des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt fest:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG)

170,00 €

Erhöhungsgebühr (Nr. 1008 VV RVG)

102,00 €

Erledigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG)

190,00 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)

 20,00 €

Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

 91,58 €

Summe 

573,58 €

Davon 2/3

382,39 €

Am 29.08.2012 legte der Beschwerdeführer hiergegen Erinnerung ein und lehnte zugleich die Urkundsbeamtin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Unzutreffend sei keine fiktive Terminsgebühr festgesetzt und ohne Rechtsgrundlage eine Kostenquote ausgesprochen worden.

Mit Beschluss vom 02.10.2012 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Insbesondere sei es nicht zu beanstanden, dass die Urkundsbeamtin entsprechend der PKH-Bewilligung Gebühren und Auslagen für nur 2 der 3 Streitgenossen festgesetzt habe. Es sei mit dem sozialhilferechtlichen Zweck des Rechts der PKH nicht zu vereinbaren, den vollen Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers anzuerkennen und die Staatskasse auf einen Ausgleich nach § 426 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen den nicht bedürftigen Streitgenossen zu verweisen.

Gegen den ihm am 05.10.2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 10.10.2012 Beschwerde erhoben, der das SG nicht abgeholfen hat. Er trägt vor: Die Kostenbeamtin habe keine fiktive Terminsgebühr festgesetzt, obwohl der Beschwerdeführer ein Teilanerkenntnis angenommen und die Klage im Übrigen für erledigt erklärt habe. Ferner habe sie ohne Rechtsgrundlage eine Kostenquote ausgesprochen, obwohl den Klägern zu 2. und 3. PKH bewilligt worden sei. Entsprechend habe er auch die Festsetzung der Vergütung beantragt.

Der Beschwerdegegner ist der Beschwerde entgegengetreten. Eine fiktive Terminsgebühr entstehe nur, sofern ein volles Anerkenntnis angenommen werde. Die Quotelung entspräche der Rechtsprechung. Es seien keine objektiven Gründe ersichtlich, warum die Staatskasse die Anwaltskosten eines Streitgenossen übernehmen solle, dem keine PKH bewilligt worden sei.

Dem Senat lagen die Akten des Vergütungsfestsetzungsverfahrens ei...

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