Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr bei mehreren gemeinsam aufgerufenen unverbundenen Verfahren. Berücksichtigung von Vorbereitungszeiten bei der Verfahrensgebühr. Nichtberücksichtigung des anwaltlichen Aufwands im Erinnerungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden ohne vorherigen förmlichen Verbindungsbeschluss mehrere Sachen zur Verhandlung aufgerufen und ist der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt vertretungsbereit anwesend, entstehen jeweils eigenständige Terminsgebühren. Für die Bestimmung der Höhe der Terminsgebühren ist der jeweils auf das einzelne Verfahren entfallende - insbesondere zeitliche - Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit im Termin maßgeblich. Ergibt sich aus der Niederschrift über den Termin keine andere Zuordnung, ist die Gesamtdauer des Termins gleichmäßig auf die aufgerufenen Verfahren aufzuteilen.

2. Die Terminsgebühr fällt allein für die Vertretung im Termin an. Vorbereitungszeiten sind nicht bei der Terminsgebühr, sondern bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen.

3. Die Tätigkeit im PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahren, die der Rechtsanwalt im eigenen Namen und Gebühreninteresse führt, erhöht nicht den Aufwand seiner Tätigkeit in dem der PKH-Bewilligung zugrundeliegenden Streitverfahren.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung des im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) im Verfahren S 30 AS 3914/09 beigeordneten Rechtsanwalts.

Die Kläger führten vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) mehrere Verfahren um die Höhe der ihnen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehenden Leistungen. Streitig waren in den seit 17.07.2009 anhängigen Verfahren S 30 AS 3914/09 (Bewilligungszeitraum 01.01.2009 bis 28.02.2009) und S 30 AS 3915/09 (Bewilligungszeitraum 01.03.2009 bis 31.08.2009) jeweils die Anwendung der Rundungsregel des § 41 Abs. 2 SGB II sowie die in den zugrunde liegenden Widerspruchsbescheiden getroffenen Kostenentscheidungen. In den seit 18.08.2009 anhängigen Verfahren S 30 AS 4527/09 und S 30 AS 4528/09 wurde die Übernahme der Betriebskostennachforderungen für 2006 bzw. 2007 begehrt.

Mit Beschlüssen vom 06.04.2010 bewilligte das SG den Klägern in den Verfahren S 30 AS 3914/09 und S 30 AS 3915/09 jeweils PKH unter Beiordnung des Beschwerdeführers.

Am 07.09.2010 erörterte das SG das Verfahren S 30 AS 3914/09 gemeinsam mit den Verfahren S 30 AS 3915/09, S 30 AS 4527/09 und S 30 AS 4528/09 in einem insgesamt 38 Minuten (12:30 Uhr bis 13:08 Uhr) dauernden Termin. Der Beschwerdeführer erklärte im Termin die Verfahren S 30 AS 3914/09 und S 30 AS 3915/09 für erledigt und nahm die Kostengrundanerkenntnisse des Beklagten über die Erstattung jeweils der Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger an. In den weiteren Verfahren gab der Beklagte ein Anerkenntnis einschließlich Kostengrundanerkenntnis ab. Der Beschwerdeführer nahm an diesem Tag beim SG Verhandlungs- oder Erörterungstermine in insgesamt 26 Verfahren wahr.

Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 21.09.2010 hat der Beschwerdeführer im Verfahren S 30 AS 3914/09 die Festsetzung von aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 585,48 € auf der Grundlage einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) einschließlich Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG von 272,00 €, einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 200,00 € sowie der Pauschale für Post und Telekommunikation von 20,00 € (Nr. 7002 VV RVG) und 19 % Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) beantragt. Mit Beschluss vom 12.01.2011 hat der Urkundsbeamte des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 456,01 € festgesetzt. Die Verfahrensgebühr einschließlich Erhöhungsgebühr ist antragsgemäß berücksichtigt worden. Die Terminsgebühr könne dagegen nicht in Höhe der beantragten Mittelgebühr von 200,00 € festgesetzt werden, da in 38 Minuten vier Verfahren verhandelt worden seien. Pro Termin ergebe sich ein Zeitaufwand von 9,5 Minuten. Ferner müsse sich der Beschwerdeführer aus den parallel erörterten Fällen Arbeitserleichterungen entgegenhalten lassen, sodass für jedes Verfahren eine Terminsgebühr in Höhe von 70,00 € angemessen sei. Hinzu kämen ¼ der Fahrtkosten (12,45 €) sowie des Abwesenheitsgeldes (8,75 €). Auf die Erinnerung des Beschwerdegegners hat der Urkundsbeamte des SG mit Abhilfebeschluss vom 03.11.2011 die Vergütung auf 434,66 € festgesetzt. Tage- und Abwesenheitsgeld sowie Reisekosten seien insgesamt nur zu 1/26 festzusetzen, da der Beschwerdeführer an diesem Tag 26 Termine beim SG wahrgenommen habe.

Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers, mit der er zugleich im Wege der Nachtragsfestsetzung wegen des Aufwands im Erinnerungsverfahren die Erhöhung der Verfahrensgebühr (einsc...

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