Rz. 25

Die Vorschrift des § 9 gewährt dem Anwalt ein Recht auf Vorschuss. Er ist dagegen nicht verpflichtet, Vorschuss zu verlangen. Ob und in welcher Höhe er einen Vorschuss fordert, liegt vielmehr in seinem Ermessen. Grundsätzlich sollte der Anwalt von seinem Recht auf Vorschuss Gebrauch machen. Er sichert damit seine Gebührenansprüche sowohl gegen eine mögliche spätere Zahlungsunfähigkeit des Auftraggebers als auch gegen dessen sinkende Zahlungsbereitschaft. Auf die Dauer des Mandats lässt sich nie absehen, welche Unwägbarkeiten eintreten, ob Differenzen entstehen, ob der Mandant Einwendungen gegen die Führung des Mandats erhebt, ob er verstirbt o.Ä. Gerade bei Verfahren – insbesondere in Strafprozessen –, in denen sich die Erfolgsaussichten mit zunehmender Dauer des Mandats reduzieren, sinkt gleichzeitig häufig auch die Zahlungsbereitschaft des Auftraggebers. Durch die rechtzeitige Anforderung eines Vorschusses sichert sich der Anwalt gegen diese Risiken ab.

 

Rz. 26

Bei unsicheren Mandanten empfiehlt es sich sogar, die Annahme des Mandats von der Zahlung eines Vorschusses abhängig zu machen, um erst gar keine vertraglichen Bindungen und Haftungsrisiken ohne äquivalente Vergütung einzugehen. In diesem Fall kommt der Anwaltsvertrag gemäß § 158 BGB erst mit Eingang des Vorschusses zustande.

 

Rz. 27

Abgesehen davon muss der Anwalt auch betriebswirtschaftlich denken. Ein Mandat kann sich u.U. über lange Zeit hinziehen. Die laufenden Kosten des Anwalts für Büro und Personal fallen dagegen sofort an. Durch ein bewusstes Ausnutzen seines Vorschussrechts kann er daher auch für kontinuierliche Umsätze und damit für Liquidität sorgen.

 

Rz. 28

Darüber hinaus belasten mehrere einzelne Vorschüsse den Mandanten nicht so sehr, als wenn er den Gesamtbetrag auf einmal zahlen muss.

 

Rz. 29

Zwischen Anwalt und Auftraggeber kann das Recht auf Vorschuss vertraglich abbedungen werden. Dies kann auch konkludent geschehen. Probleme ergeben sich insoweit bei Vergütungsvereinbarungen, wenn die Frage des Vorschusses nicht ausdrücklich geregelt ist (siehe Rdn 109).

 

Rz. 30

In dem bloßen Nichterheben von Vorschüssen kann noch kein Verzicht auf das Vorschussrecht gesehen werden. Das Gleiche gilt, wenn der Anwalt zunächst einen Vorschuss einfordert, dann aber nachträglich darauf verzichtet. In diesem Falle liegt lediglich ein Verzicht auf die konkrete Vorschussanforderung vor, nicht aber auch auf das generelle Vorschussrecht. Auch kann in der Anforderung eines geringen Vorschusses grundsätzlich kein Verzicht auf weitere Vorschüsse gesehen werden.

 

Rz. 31

Im Rechtsstreit trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des ihn begünstigenden Ausnahmetatbestandes, dass mit dem beauftragten Rechtsanwalt in Abweichung von dem gesetzlich statuierten Anspruch auf einen angemessenen Vorschuss die Vereinbarung bestanden habe, dass keine oder nur eine reduzierte Vorschusszahlung geleistet werden sollte.[7]

 

Rz. 32

Selbst dann, wenn der Anwalt auf sein Vorschussrecht verzichtet hat, kann er diesen Verzicht nach § 321 BGB widerrufen, wenn sich die Vermögenssituation des Auftraggebers nachträglich so wesentlich verschlechtert, dass die Vergütung gefährdet wird.

 

Rz. 33

Das Recht auf Vorschuss kann auch nicht dadurch verwirken, dass es für längere Zeit nicht ausgeübt wird, da der Vorschuss "jederzeit" verlangt werden kann und der Auftraggeber folglich auch jederzeit damit rechnen muss, dass er zu einem Vorschuss herangezogen wird.

 

Rz. 34

Einen Anspruch auf Sicherheiten hat der Anwalt dagegen nicht. Diese benötigt er auch nicht, da er sich durch Vorschüsse genügend absichern kann. Der Anwalt kann sich aber selbstverständlich anstelle von Vorschüssen auch entsprechende Sicherheiten gewähren lassen.[8] Hierzu zählt insbesondere die Abtretung von Erstattungsforderungen gegen Dritte. Zu beachten ist dabei jedoch, dass dem Anwalt berufsrechtliche Grenzen gesetzt sind. Von der Möglichkeit, sich Sicherheiten gewähren zu lassen, sollte daher nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden.

 

Rz. 35

Das Recht auf Vorschuss ist nicht einmalig. Der Anwalt kann jederzeit weitere Vorschüsse anfordern (siehe Rdn 73).

[8] BGH AnwBl 1989, 228; OLG Braunschweig NdsRpfl 1962, 83.

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