Gesetzestext

 

Der Rechtsanwalt kann von seinem Auftraggeber für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss fordern.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Nach § 9 kann der Anwalt von seinem Auftraggeber eine Vorauszahlung auf die zu erwartende Vergütung (§ 1 Abs. 1) verlangen. Diese Vorschrift erweitert das allgemeine Vorschussrecht nach §§ 675, 669 BGB, das nur für Aufwendungen nach § 670 BGB gilt. Das Vorschussrecht nach § 9 besteht nur insoweit, als sich die Vergütung nach dem RVG richtet. Der Anwalt kann danach von seinem Auftraggeber einen angemessenen Vorschuss auf die zu erwartende Vergütung verlangen. Damit hat der Anwalt die Möglichkeit, seine an sich nach § 320 BGB gegebene Vorleistungspflicht abzuwenden.

 

Rz. 2

Für Ansprüche außerhalb des RVG besteht ein Recht auf Vorschuss nur nach den allgemeinen Vorschriften. So kann der Anwalt für Aufwendungen (z.B. vorzulegende Gerichtskosten, Zustellungskosten) einen Vorschuss nach §§ 675, 669 BGB verlangen.

 

Rz. 3

Soweit sich die Vergütung nach § 35 i.V.m. der StBVV richtet, gilt ebenfalls § 9, da in § 35 nicht auch auf § 8 StBVV verwiesen wird, der aber ohnehin mit § 9 inhaltsgleich ist.

 

Rz. 4

Entsprechend anzuwenden ist die Vorschrift des § 9 auch dann, wenn das RVG selbst keine Gebühren vorsieht, wie in den Fällen des § 34 Abs. 1.

 

Rz. 5

Spezielle Vorschriften zum Vorschuss enthalten:

 

Rz. 6

 
§ 39 Abs. 1 S. 1 Vorschuss des in Scheidungs- und Lebenspartnerschaftssachen beigeordneten Rechtsanwalts gegen den Vertretenen,
§ 40 Vorschuss des nach § 67a Abs. 1 S. 2 VwGO als gemeinsamer Vertreter bestellten Rechtsanwalts gegen die Vertretenen,
§ 41 Vorschuss des nach § § 57 oder 58 ZPO bestellten Prozesspflegers gegen die Staatskasse,
§ 47 S. 1 Vorschuss des bestellten oder beigeordneten Anwalts,
§ 47 S. 2 Vorschuss des nach § 625 ZPO a.F. = § 138 FamFG beigeordneten oder nach § 67a Abs. 1 S. 2 VwGO bestellten Anwalts gegen die Staatskasse,
§ 47 Abs. 2 kein Vorschuss bei Beratungshilfe,
§ 51 Abs. 1 S. 5 Vorschuss auf eine Pauschgebühr,
§ 52 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. kein Anspruch auf Vorschuss bei Inanspruchnahme des Beschuldigten oder des Betroffenen.
 

Rz. 7

Ob § 9 unmittelbar auch auf vereinbarte Vergütungen anzuwenden ist, erscheint fraglich (siehe Rdn 109).[1] Es empfiehlt sich daher, auf jeden Fall in einer Vergütungsvereinbarung auch die Frage der Vorschüsse zu regeln.

[1] Siehe auch ausführlich N. Schneider, Vergütungsvereinbarung, Rn 1769 ff.

B. Regelungsgehalt

I. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

 

Rz. 8

Die Vorschrift des § 9 gilt grundsätzlich für jeden Rechtsanwalt und jeden, der nach § 1 Abs. 1 einem Rechtsanwalt gleichsteht und damit nach dem RVG abrechnen kann.

 

Rz. 9

Die Vorschrift gilt auch dann, wenn der Anwalt für die Hilfeleistung bei der Erfüllung allgemeiner Steuerpflichten und bei der Erfüllung steuerlicher Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten gemäß § 35 nach der StBVV abrechnet.

 

Rz. 10

Sie gilt auch für den Anwalt, der lediglich Beratungs- und Gutachtentätigkeiten ausübt oder der als Mediator tätig wird (§ 34 Abs. 1). Auch wenn das RVG hier selbst keine Gebühren vorsieht und der Anwalt entweder nach einer Gebührenvereinbarung abrechnen muss oder nach dem BGB, muss § 9 entsprechend anzuwenden sein. Soweit man anderer Auffassung ist, würde sich der Vorschuss wiederum nach §§ 675, 669 BGB richten, so dass sich im Ergebnis nichts ändern würde.

 

Rz. 11

Soweit sich die Vergütung des Anwalts gemäß § 1 Abs. 2 nicht nach dem RVG bestimmt, sondern nach anderen Vorschriften, kommt unter Umständen eine Vorschusspflicht nach diesen Gesetzen in Betracht. So kann der Rechtsanwalt als Vormund (§ 1835 Abs. 1 S. 1 BGB), als Gegenvormund (§ 1835 Abs. 1 S. 2 BGB) oder als Pfleger (§ 1915 BGB) einen Vorschuss nach Auftragsrecht verlangen, also nach §§ 670, 669 BGB. Er darf den Vorschuss sogar dem von ihm verwalteten Vermögen entnehmen (§§ 1795 Abs. 2, 181 BGB).

 

Rz. 12

Der nach § 78b ZPO bestellte Notanwalt kann ebenfalls einen Vorschuss verlangen, und zwar unmittelbar von der Partei, der er beigeordnet worden ist. Nach dem Wortlaut des § 78c Abs. 2 ZPO muss der Vorschuss vor Übernahme der Vertretung geltend gemacht werden. Der Notanwalt muss jedoch auch noch nach Übernahme einen Vorschuss verlangen können. Dies gilt umso mehr, wenn sich durch Klageerweiterung o.Ä. die Berechnungsgrundlage für den Vorschuss ändert. Der Vorschuss kann sowohl für bereits entstandene als auch für voraussichtlich noch entstehende Gebühren und Auslagen geltend gemacht werden.[2] Die Höhe des Vorschusses richtet sich nach § 9.[3]

 

Rz. 13

Der nach §§ 57, 58 ZPO zum Prozesspfleger bestellte Rechtsanwalt kann ebenfalls einen Vorschuss verlangen. Vorschusspflichtig ist in diesem Fall ausschließlich die Staatskasse (§§ 45 Abs. 1 S. 1, 47 Abs. 1). Der Vertretene selbst ist nicht zum Vorschuss verpflichtet (§ 41 S. 2) (zum Umfang des Vorschusses in diesem Fall siehe Rdn 55).

 

Rz. 14

Der im Rahmen der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordnete[4] Rechtsanwalt kann hinsichtlich der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung ebenfalls einen Vorschus...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge