Leitsatz (amtlich)

1. Der Rechtsanwalt muss den Mandanten in der Regel nicht ungefragt über dessen Pflicht, die anwaltliche Tätigkeit zu vergüten, und die Höhe des Honorars unterrichten.

2. Bei Unterzeichnung eines Honorarversprechens kann der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verpflichtet sein, den Mandanten ungefragt über das Maß der mit der Honorarvereinbarung verbundenen Überschreitung der gesetzlichen Gebühren aufzuklären.

3. Die zunächst außergerichtliche und dann gerichtliche Tätigkeit in demselben Mandat stellen nur dann verschiedene und dann auch getrennt zu vergütende Angelegenheiten dar, wenn der Rechtsanwalt bei Beginn der außergerichtlichen Tätigkeit noch keinen Klageauftrag hatte.

4. Zu Inhalt und Umfang der Pflicht des Rechtsanwalts, dem Mandanten die Handakten herauszugeben.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 611; RVG §§ 3a, 4 a.F.; BRAO § 50

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 20.08.2010; Aktenzeichen 8 O 128/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.8.2010 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Einzelrichter - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.887,10 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.673,79 EUR seit dem 21.2.2008 und aus weiteren 213,31 EUR seit dem 21.11.2008 zu zahlen.

Die Beklagte wird außerdem verurteilt, die in ihrem Besitz befindlichen Handakten über die von ihr für die Klägerin geführten Familienrechtsstreitigkeiten an die Klägerin zu Händen des Klägervertreters herauszugeben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 42 % und die Beklagte zu 58 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

A Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin beläuft sich lediglich auf 3.673,79 EUR, da der Beklagten ein Vergütungsanspruch i.H.v. 3.383,46 EUR zusteht.

I. Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass die Klägerin die Beklagte gem. § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB auf Rückzahlung überzahlten Anwaltshonorars in Anspruch nehmen kann. Die Klägerin schuldet der Beklagten nur die gesetzliche Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Die darüber hinausgehenden Zahlungen erfolgten ohne Rechtsgrund.

1. Der Vergütungsanspruch der Beklagten richtet sich nicht nach der zwischen den Parteien geschlossenen Honorarvereinbarung vom 2.11.2006 und der nachfolgenden Vereinbarung vom 12.2.2007, sondern nach den gesetzlichen Vergütungsregeln des RVG. Denn die Beklagte hat es bei Abschluss des Anwaltsdienstvertrags schuldhaft unterlassen, die Klägerin darüber aufzuklären, dass die Höhe des zu vereinbarenden Honorars das zu erwartende gesetzliche Maß wesentlich überstieg, woraus der Klägerin ein auf Befreiung von dieser Verbindlichkeit gerichteter Schadensersatzanspruch erwachsen ist (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 622; NJW 2000, 1650). Ob die Vereinbarung im Übrigen wirksam ist, kann offen bleiben.

a) Die Beklagte hätte die Klägerin ungefragt über den Umstand der Überschreitung der gesetzlichen Gebühren und die zu erwartende Höhe des vereinbarten Honorars aufklären müssen. Die Klägerin war nämlich unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen die Honorarvereinbarungen zustande gekommen sind, in hohem Grade und für die Beklagte erkennbar aufklärungsbedürftig. Dieser vorvertraglichen Pflicht ist die Beklagte schuldhaft nicht nachgekommen.

aa) Der Rechtsanwalt muss den Mandanten allerdings in der Regel nicht ungefragt über die Vergütungspflichtigkeit seiner anwaltlichen Tätigkeit und die Höhe des Honorars unterrichten. Denn der rechtliche Beratung suchende Mandant weiß oder muss jedenfalls wissen, dass der Rechtsanwalt seinen Beruf zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ausübt und deshalb nicht honorarfrei tätig wird (vgl. BGH FamRZ 2006, 478; OLG Düsseldorf NJW 2000, 1650; FamRZ 2008, 622). Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich der Rechtsanwalt ein Honorar versprechen lässt, welches die gesetzlichen Gebühren überschreitet. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG in der Fassung vom 14.7.2006 (künftig: RVG a.F.), der im Streitfall noch anzuwenden ist, kann der Rechtsanwalt eine höhere als die gesetzliche Gebühr nur dann verlangen, wenn der Mandant das Versprechen schriftlich gegeben hat. Selbst dann geht der Gesetzgeber zwar für den Regelfall davon aus, dass der informationsbedürftige Mandant die Unterzeichnung eines Honorarversprechens zum Anlass nehmen wird, den Rechtsanwalt zu Details des Honorars zu befragen. Im Einzelfall kann aber entgegen der Ansicht der Beklagten auch eine vertragliche Nebenpflicht bestehen, den Mandanten ungefragt über das Maß der Gebührenüberschreitung aufzuklären (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 622; allg. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 123...

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