Rz. 10

Der Eintritt der Fälligkeit hat für den Anwalt und Auftraggeber gleichermaßen Bedeutung:

a) Der Anwalt kann seine Vergütung abrechnen und einfordern.

Das gilt auch, soweit er im Rahmen der Verfahrens- oder Prozesskostenhilfe beigeordnet ist (arg. e § 47 RVG).

Gleiches gilt bei Abrechnung der Beratungshilfe. Gerade hier wird häufig zu Unrecht versucht, den Vergütungsanspruch des Anwalts mangels Fälligkeit zurückzuweisen.[5]

b) Soweit der Auftraggeber nicht freiwillig zahlt, kann der Anwalt die Vergütung nach § 11 festsetzen lassen (§ 11 Abs. 2 S. 1) oder einklagen.

c) Nach Eintritt der Fälligkeit hat der Anwalt die Möglichkeit, aus eigenem Recht die Festsetzung des Gegenstandswerts zu beantragen (§ 33 Abs. 2 S. 1) und gegen eine ihm ungünstige Wertfestsetzung Beschwerde einzulegen (§ 33 Abs. 3). Ein Prozessbevollmächtigter kann Wertfestsetzung nur verlangen, wenn der Vergütungsanspruch fällig ist. Der Anspruch auf Vorschuss reicht hierfür noch nicht aus.[6] Die Zulässigkeit des Antrags setzt allerdings nur voraus, dass die Vergütung fällig ist. Das Verfahren muss noch nicht beendet sein. Legt der Anwalt z.B. das Mandat nieder, tritt Fälligkeit ein, so dass ihm die Rechte nach § 33 zustehen.[7]

d) Darüber hinaus soll mit Eintritt der Fälligkeit das Recht auf Vorschuss enden.[8] Diese Aussage ist nur eingeschränkt richtig. Wie im gesamten Zivilrecht gilt auch im RVG der Grundsatz, dass ein Vorschuss dann nicht mehr verlangt werden kann, sobald eine Abrechnung möglich ist. Eine solche Abrechnung ist zwar grundsätzlich nach Eintritt der Fälligkeit möglich (§ 10), zwingend ist dies jedoch nicht. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen der Anwalt trotz Eintritts der Fälligkeit ohne eigenes Verschulden gehindert ist, abzurechnen, etwa, wenn bislang eine gerichtliche Wertfestsetzung, die nach § 32 Abs. 1 für den Anwalt bindend ist, fehlt und der Streitwert auch nicht offensichtlich ist. In außergerichtlichen Angelegenheiten kann die Ermittlung des Gegenstandswerts unter Umständen von Angaben des Mandanten oder des Gegners abhängen, die noch nicht vorliegen. In solchen Fällen kann der Anwalt nicht rechtlos gestellt sein. Ihm muss die Möglichkeit erhalten bleiben, so lange einen Vorschuss zu fordern, bis ihm eine Abrechnung möglich ist. Anders verhält es sich, wenn eine lediglich fehlerhafte Streitwertfestsetzung vorliegt. Dann tritt die Fälligkeit der Vergütung ein. Sie ist jedoch gehemmt, solange und soweit der Anwalt aufgrund der fehlerhaften Streitwertfestsetzung nach §§ 32 Abs. 1, 33 Abs. 1 gehindert ist, seine Vergütung einzufordern (ausführlich dazu siehe Rdn 143 ff.).

e) Mit Eintritt der Fälligkeit entsteht dem Auftraggeber aus dem Anwaltsvertrag ein Anspruch auf eine ordnungsgemäße Abrechnung. Diese kann er nach § 10 Abs. 3 sogar dann noch verlangen, wenn er bereits gezahlt hat. Hat der Anwalt einen Vorschuss vereinnahmt, muss er sogar unverzüglich abrechnen (§ 23 BORA).

f) Des Weiteren kann auch der Auftraggeber nach Eintritt der Fälligkeit gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 die Vergütungsfestsetzung beantragen, wenn Streit über die Höhe der Vergütung besteht. Auch für den Auftraggeber ist der Antrag nach § 11 Abs. 2 S. 1 erst zulässig, wenn die Vergütung fällig geworden ist.

g) Die Fälligkeit hat weiterhin zur Folge, dass mit Ende des Kalenderjahres (§ 199 BGB) der Ablauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt wird, und zwar nach § 195 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Der Gesetzeswortlaut (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) spricht zwar vom "Entstehen" der Forderung. Gemeint ist damit aber nicht schon der Anfall der Gebühren, sondern erst ihre Fälligkeit i.S.d. Abs. 1. Auf den späteren Zeitpunkt der Klagbarkeit (§ 10) kommt es dagegen nicht an.

h) Der Zeitpunkt der Fälligkeit bestimmt auch die Höhe der Umsatzsteuer. Das UStG stellt auf den Zeitpunkt oder Zeitraum der Leistung ab. Da es sich bei der anwaltlichen Tätigkeit in der Regel um eine Dauertätigkeit handelt, ist das Ende des Leistungszeitraumes maßgebend. Dieser Zeitpunkt entspricht grundsätzlich dem Zeitpunkt der Fälligkeit i.S.d. Abs. 1.[9]

[5] Siehe OLG München 20.5.2015 – 11 W 663/15, AGS 2016, 440; AG Düsseldorf 10.6.2013 – 2 II 627/13; AG Düsseldorf 21.3.2013 – 2 II 1650/12 BerH; AG Lichtenberg GE 2012, 1045; LG Wuppertal 3.11.2014 – 16 T 191/14; LG München I 4.3.2015 – 13 T 22917/14; AG Halle (Saale) AGS 2011, 300 = RVGreport 2012, 38; AG Halle (Saale) 23.9.2011 – 93 C 1239/11.
[6] OLG Schleswig NZA 2006, 1007.
[8] Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 8 Rn 32.
[9] OLG Schleswig NordÖR 2007, 91.

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