Rz. 44

Beauftragt der Mandant eine Anwaltsgemeinschaft, also eine Rechtsanwaltssozietät, so kommt der Auftrag grundsätzlich mit allen Sozien zustande.[32] Das gilt auch bei Beauftragung einer überörtlichen Sozietät sowie dann, wenn mehrere Anwälte nur den Anschein einer Anwaltsgemeinschaft erwecken.[33] Der Wille der Streitgenossen kann jedoch im Einzelfall dahin gehen, dass jeder von ihnen durch einen eigenen Anwalt der Sozietät vertreten werden will.[34]

 

Rz. 45

Jeder Sozius ist berechtigt, für die gesamte Sozietät Mandate anzunehmen. Auftragnehmer wird aber grundsätzlich die Sozietät als solche (zu den Ausnahmen siehe Rdn 51).

 

Rz. 46

Da die einzelnen Sozien in der Regel nicht nebeneinander tätig werden sollen, sondern jeweils nur einer von ihnen, liegt kein Fall des § 6 vor. Unerheblich ist es insoweit, wenn sich innerhalb der Sozietät mehrere Anwälte mit der Sache befassen, da jeder von ihnen nur anstelle des anderen tätig wird,[35] nicht aber neben ihm.

 

Rz. 47

Ausnahmsweise kommt der Vertrag nicht mit allen Sozien zustande, wenn die Parteien sich bei Auftragserteilung einig sind, dass nur einer oder ein Teil der Sozien das Mandat übernehmen soll. Dies wird dann der Fall sein, wenn der Mandant zu diesem Anwalt ein besonderes Vertrauen hat oder wenn es sich um einen Spezialisten handelt, dessen Dienste sich der Mandant sichern will. Das Gleiche gilt in Strafsachen, da der Auftraggeber hier nach § 137 Abs. 1 S. 2 StPO nicht mehr als drei Verteidiger bestellen darf, so dass die Beauftragung einer Sozietät mit mehr als drei Mitgliedern schon aus Rechtsgründen ausscheidet. In solchen Fällen kommt der Vertrag nur mit dem oder den betreffenden Sozien zustande.

 

Rz. 48

Ausnahmsweise gilt § 6 bei Beauftragung einer Sozietät, wenn der Mandant will, dass mehrere Sozien nebeneinander tätig werden. Dies sind folgende Fälle:

 

Rz. 49

Der Mandant will, dass er von mehreren Sozien zugleich vertreten wird.
 

Beispiel: Der Mandant beauftragt die Sozien A und B, ihn in einer Strafsache gemeinsam zu verteidigen.

Der Mandant will, dass einer der Sozien die Prozessführung übernimmt und zusätzlich daneben noch ein weiterer Sozius als Spezialanwalt tätig wird.
 

Beispiel: Der Mandant beauftragt die Sozietät, die Prozessführung zu übernehmen. Später erweitert er den Auftrag dahin gehend, dass neben dem Prozessanwalt der auf Steuerrecht spezialisierte Sozius B zusätzlich tätig wird und auch neben dem anderen Sozius an der mündlichen Verhandlung teilnehmen soll.

Der Mandant beauftragt eine überörtliche Sozietät, wobei ein Anwalt des ortsansässigen Büros als Verkehrsanwalt tätig werden soll und ein Anwalt des gerichtsansässigen Büros als Prozessbevollmächtigter.
 

Beispiel: Der in Mainz wohnende Mandant beauftragt eine überörtliche Sozietät A & Partner (Mainz – Berlin), die Prozessführung eines Rechtsstreits vor dem LG Berlin zu übernehmen. Ein Mainzer Sozius soll das Berliner Büro unterrichten und ein Berliner Sozius soll vor Ort als Prozessbevollmächtigter tätig werden.

 

Rz. 50

Nach wohl einhelliger Rspr.[36] werden der Sozietät in dem vorgenannten Fall nur die Gebühren als Prozessbevollmächtigter (VV 3100 ff.) zugesprochen, nicht aber auch die des Verkehrsanwalts (VV 3400). Diese Rspr. ist unzutreffend. Im Gegensatz zur Beauftragung einer örtlichen Sozietät will der Mandant nicht nur einen Anwalt beauftragen, wobei er damit einverstanden ist, dass ein Sozius den anderen vertritt. Der Mandant will vielmehr, dass zwei Anwälte der überörtlichen Sozietät gemeinschaftlich – und zwar nebeneinander! – tätig werden, nämlich der eine, der den Verkehr führt, und der andere, der den Rechtsstreit führt. Damit liegt aber ein Fall des § 6 vor, so dass auch die überörtliche Sozietät zumindest in entsprechender Anwendung des § 6 beide Aufträge abrechnen können muss. Wäre die von der h.M. vertretene Rspr. zutreffend, müsste man aus kostenerstattungsrechtlichen Gesichtspunkten von einer Partei, die einen auswärtigen Rechtsstreit führt, verlangen, dass sie eine überörtliche Kanzlei mit Sitz am Wohnort und am Ort des Prozessgerichts beauftragt, um die Kosten eines Verkehrsanwalts und einer Informationsreise zu sparen. So weit ist die Rspr. aus guten Gründen bislang jedoch noch nicht gegangen.

[32] BGH 6.7.1971 – VI ZR 94/69, NJW 1971, 1801; BGH 24.1.1978 – VI ZR 264/76, BGHZ 70, 247, 248; OLG Hamburg JurBüro 1975, 773; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 868.
[33] OLG Celle JurBüro 1992, 93.
[35] BGH 29.4.1963 – III ZR 211/61, NJW 1963, 1301.
[36] OLG München NJW-RR 1996, 51; OLG Karlsruhe AGS 1995, 55 m. krit. Anm. von Eicken = JurBüro 1995, 31; KG JurBüro 1996, 140; OLG Brandenburg JurBüro 1999, 362; auch für den Fall der Beauftragung einer internationalen überörtlich tätigen Anwaltssozietät mit Kanzleisitzen im Bereich des ausländischen Sitzes der Partei und am Ort des Prozessgerichts: KG AGS 2000, 97 = JurBüro 2000, 86.

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