Rz. 17

Aus der Anhörungsrügeschrift muss hervorgehen, welche Entscheidung mit der Rüge angegriffen wird und aus welchen Umständen sich die entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt (§ 12a Abs. 2 S. 5). Die Anhörungsrüge muss Ausführungen enthalten, aus welchen Umständen sich die entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Gericht ergeben soll.[20]

Die Anhörungsrügeschrift muss auch den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Gehörsverletzung darlegen (vgl. § 12a Abs. 2 S. 1; siehe auch Rdn 12).

 

Rz. 18

Den die Anhörungsrüge erhebenden Verfahrensbeteiligten trifft mit dieser Vorschrift zugleich eine Darlegungslast, nicht aber eine Glaubhaftmachungs- oder Beweislast.[21] Dem Gericht obliegt dementsprechend eine ergänzende Aufklärungs- und Amtsermittlungspflicht.[22]

 

Rz. 19

Zur Erfüllung der Begründungspflicht hinsichtlich einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung im Sinne von § 12a Abs. 1 Nr. 2 hat der die Anhörungsrüge erhebende Verfahrensbeteiligte gemäß Abs. 2 S. 5 vorzutragen und ggf. glaubhaft zu machen, wobei er zusätzlich noch im Zweifel den Zeitpunkt glaubhaft machen muss, wann er erstmalig zu dieser Betrachtung Veranlassung gesehen hat (Abs. 2 S. 1). Mit Erhebung der Rüge ist auszuführen,

was das Gericht zur Sicherstellung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hätte beachten müssen, jedoch zu Lasten des Rügenden unbeachtet gelassen hat (Gehörsverletzung),
inwieweit die Entscheidung für den Rügenden günstiger hätte ausfallen können, falls das Gericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör beachtet hätte (Entscheidungserheblichkeit),
wann er die Erkenntnis gewonnen hat, dass gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen worden ist, falls die Rüge mehr als 14 Tage nach dem vermuteten Zugang der angegriffenen Entscheidung erhoben wird (Glaubhaftmachung erforderlich).
 

Rz. 20

Bei einer Entscheidung, die sich auf Gesichtspunkte stützt, welche im Verfahren nicht (zureichend) zur Sprache gekommen sind (vgl. Rdn 26 f.), hat der Betroffene neben dem (vermeintlichen) Verstoß gegen die Hinweispflicht mit dieser Rüge zugleich vorzutragen, was er schon im Verfahren ergänzend zur Sache ausgeführt haben würde, wenn das Gericht der Hinweispflicht nachgekommen wäre. Insoweit erhält er die Gelegenheit, bislang in das Verfahren noch nicht eingeführtes Vorbringen nachzuholen.

Nach Ablauf der Rügefrist darf neues Vorbringen keine Berücksichtigung mehr finden. Zulässig ist dann lediglich eine Konkretisierung des Vortrags, der bereits zum Gegenstand der Anhörungsrüge gemacht worden war.

 

Rz. 21

Bei einer Entscheidung, die vorgetragene Gesichtspunkte gar nicht oder unverständlich gewichtet, muss der Betroffene entweder darlegen, dass kein tragender Grund vorgelegen hat, ihn mit seinem Vorbringen auszuschließen (fehlerhafte Präklusion),[23] oder aber aufzeigen, dass die Entscheidungsfindung unter Missachtung allgemeiner Erkenntnisgrundsätze abgelaufen ist. Eine Gehörsverletzung wegen nicht erschöpfender Würdigung des Streitstoffes (Subsumtionsfehler) ist gelegentlich schwer abzugrenzen von einer zureichenden Würdigung auf der Grundlage einer zweifelhaften Rechtsauffassung (vgl. Rdn 26 f.) zum Regelungsgehalt der angewandten Norm (Rechtsanwendungsfehler).[24] In diesen Fällen hat der Betroffene auch vorzutragen, welches Rechtsverständnis des Gerichts, das als (noch) vertretbar angesehen werden könne, er seiner Anhörungsrüge zugrunde lege und dass hiernach sein Vorbringen nicht hinreichend in den Entscheidungsprozess Eingang gefunden habe.[25]

 

Rz. 22

Die Gehörsverletzung muss zum Nachteil des Betroffenen auch in der Entscheidungsformel ihren Niederschlag gefunden haben. Ansonsten fehlt es an einem "beschwerten Beteiligten" (Abs. 1 S. 1). Allein eine nachteilige Darstellung des eigenen Vortrages in den Entscheidungsgründen reicht dafür nicht aus. Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Gehörsverletzung und Entscheidungsformel lässt sich praxisnah in der Weise aufzeigen, dass der Betroffene gedanklich die Rolle des Gerichts einnimmt und selbst die Entscheidung herausarbeitet, zu der seiner Meinung nach das Gericht nach dessen vertretbarer oder – bei fehlender Erkennbarkeit der gerichtlichen Rechtsauffassung (siehe Rdn 26 f.) – unter Zugrundelegung einer vertretbaren Rechtsauffassung ohne die Gehörsverletzung gelangt wäre (vgl. Rdn 29). Wird dazu nicht vorgetragen, ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen[26] (siehe auch Rdn 39). Die Gegenüberstellung dieser hypothetischen Betrachtung mit der angegriffenen Entscheidung muss im Ergebnis zu einer Besserstellung des Betroffenen führen.[27]

 

Rz. 23

Ob die Konstruktion eines mutmaßlichen Verlaufs des Verfahrens unter Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in sich schlüssig ist und einer Überprüfung durch das Gericht standhält, ist keine Frage der Begründungspflicht, sondern eine solche der Begründetheit des Angriffs. Ebenso wie in Klage- oder Rechtsmittelverfahren erweist sich auch hier ein unsc...

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