Rz. 27

Stützt das Gericht seine Entscheidung auf Gesichtspunkte, die nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sind, oder lässt es Gesichtspunkte unbeachtet, die Gegenstand des Verfahrens gewesen sind, liegt jeweils eine Gehörsverletzung vor. Das Gebot rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben. Das Gebot verpflichtet die Gerichte allerdings nicht, der Rechtsansicht der Beteiligten zu folgen oder eine für den Antragsteller ungünstige Rechtsauffassung zu überprüfen.[35] Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Vortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war.[36] Hingegen ist der Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel nicht verletzt, wenn die vorgetragenen Gesichtspunkte zutreffend erfasst wurden und auch in die Entscheidung eingeflossen sind, jedoch in ihrer rechtlichen Bedeutung verkannt wurden. Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon dann auszugehen, wenn bei einem nicht berücksichtigten und nicht zur Akte gelangten Schriftsatz unaufklärbar bleibt, ob er in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt und dort außer Kontrolle geraten oder ob er bereits auf dem Postweg dorthin verlorengegangen ist.[37]

 

Rz. 28

Aus welchen Gründen es zur Verletzung des rechtlichen Gehörs gekommen ist und ob diese mit Verschulden erfolgte, ist weder für die Statthaftigkeit noch für die Begründetheit der Anhörungsrüge von Bedeutung.

 

Rz. 29

Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör muss entscheidungserheblich sein. Davon ist immer dann auszugehen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht ohne Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.[38] Ausreichend ist damit, dass eine dem Rügeführer günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann; nicht erforderlich ist, dass die Entscheidung bei der Gehörsgewährung für ihn tatsächlich günstiger ausgefallen wäre.[39]

[37] OLG Hamm NJW-RR 2011, 139; a.A. OLG Koblenz OLG-Report 2008, 566.
[38] BT-Drucks 15/3706, S. 16.
[39] Zöller/Vollkommer, § 321a ZPO Rn 12; Musielak/Voit/Musielak, § 321a ZPO Rn 7; Zuck, NJW 2005, 1226, 1228.

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