Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Anhörungsrüge. Anforderungen an die Begründung. Zweck des Verfahrens. keine Überprüfung von Rechtsauffassungen

 

Orientierungssatz

Zu den Anforderungen an die Begründung einer Anhörungsrüge nach § 12a Abs 1 Nr 2, Abs 2 S 5 RVG.

Eine vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung kann nicht mit einer Anhörungsrüge gerügt werden. Das Verfahren der Anhörungsrüge dient nicht dazu, das Gericht unabhängig vom Vorliegen eines Gehörsverstoßes zur Überprüfung einer dem Antragsteller ungünstigen Rechtsauffassung zu veranlassen (vgl BSG vom 11.9.2009 - B 6 KA 1/09 C).

 

Tenor

Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung des Antragstellers gegen den Senatsbeschluss vom 24. Juli 2017 - Az.: L 6 SF 604/16 B werden als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

 

Gründe

Die statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil die Begründung nicht den Anforderungen des § 12a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 5 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) entspricht.

Für die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge ist erforderlich, dass ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die angegriffene Entscheidung nicht gegeben ist (§ 12a Abs. 1 Nr. 1 RVG), die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis einer Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben (§ 12a Abs. 2 Satz 1 RVG) und das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung dargelegt wird (§ 12a Abs. 2 Satz 5 RVG). Die ersten beiden Voraussetzungen sind hinsichtlich der von dem Antragsteller erhobenen Anhörungsrüge erfüllt; anders verhält es sich mit der dritten Voraussetzung, denn er hat mit seinem Vorbringen die Möglichkeit einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ≪GG≫, § 62 SGG) durch diesen Beschluss nicht dargetan.

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet ebenso wie § 12a RVG die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot rechtlichen Gehörs soll als Grundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben. Dieses Gebot verpflichtet allerdings die Gerichte nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. Bundessozialgericht ≪BSG≫, Beschluss vom 11. September 2009 - Az.: B 6 KA 1/09 C unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫, Beschluss vom 20. Februar 2008 - Az.: 1 BvR 2722/06, nach juris). Die für die Zulässigkeit des außerordentlichen Rechtsbehelfs einer Anhörungsrüge erforderliche Darlegung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör muss diesen Gehalt des Gebots berücksichtigen; es bedarf mithin einer in sich schlüssigen Darstellung, dass trotz der genannten Grenzen des Grundrechts eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise vorliegt. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Antragstellers nicht gerecht.

Soweit er mit seiner Rüge geltend macht, die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1006 VV RVG sei in Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG festzusetzen gewesen, rügt er die inhaltliche Richtigkeit des Senatsbeschlusses vom 24. Juli 2017. Die vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung kann aber mit einer Anhörungsrüge nicht gerügt werden. Denn das Verfahren der Anhörungsrüge dient nicht dazu, das Gericht unabhängig vom Vorliegen eines Gehörsverstoßes zur Überprüfung einer dem Antragsteller ungünstigen Rechtsauffassung zu veranlassen (vgl. BSG, Beschluss vom 11. September 2009, a.a.O.).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Gegenvorstellung nach dem 1. Januar 2005 mit In-Kraft-Treten des § 12a RVG überhaupt noch statthaft ist (zusammenfassend zum Streitstand: BVerfG, Beschluss vom 25. November 2008 - 1 BvR 848/07, nach juris). Selbst wenn dies angenommen wird, ist sie nur für wenige Ausnahmefälle möglich und kommt nur in Betracht, wenn die angegriffene Entscheidung unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes ≪GG≫) ergangen ist oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist ("greifbare Gesetzeswidrigkeit"; vgl. u.a. Bundesfinanzhof ≪BFH≫, Beschluss vom 27. Juli 2009 - Az.: IV S 8/09, nach juris) oder zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Juli 2005 - Az.: B 13 RJ 178/05 B, nach juris).

Der Antragsteller hat keine Gründe vorgebracht, die eine Änderung des unanfechtbaren Beschlusses des erkennenden Senats vom 24. Juli 2017 begründen könnten. Er macht keine nachvollziehbaren Verfahrensfehler und damit erst recht kein grobes prozessuales Unrecht geltend. Er rügt lediglich die inhaltliche Richtigkeit des Beschlusses. Da...

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