Rz. 128

Da der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist (§ 3 Abs. 1 BRAO), stellt die Gewährung rechtlichen Beistandes ein wichtiges Kriterium für das Vorliegen anwaltlicher Tätigkeit dar. Die Anwendung des RVG ist danach abzugrenzen, ob die Aufgabe, rechtlichen Beistand zu leisten, bei der Tätigkeit im Vordergrund steht oder ob sie bei der Durchführung des erteilten Auftrages zurücksteht. Nur wenn der rechtliche Beistand ganz untergeordnete oder gar keine Bedeutung hat, liegt keine anwaltliche Tätigkeit vor.[195] Bildet die Erteilung rechtlichen Rates den Schwerpunkt der Tätigkeit, liegt regelmäßig eine anwaltliche Berufstätigkeit vor.[196] Im Zweifel ist anzunehmen, dass sich der Mandant an den Rechtsanwalt wendet, um ihn als solchen zu beauftragen.[197] Das gilt nur dann nicht, wenn feststeht, dass es dem Auftraggeber nicht um den anwaltlichen Beistand geht.[198] Abzustellen ist auf den Auftrag, nicht auf die tatsächlich vom Rechtsanwalt ausgeübte Tätigkeit.[199]

Maklertätigkeit: Daher kann auch eine Maklerleistung durch den Rechtsanwalt als berufsspezifische Tätigkeit anzusehen sein, wenn die Vermittlung der Gelegenheit zum Vertragsabschluss die Darlegung besonderer rechtlicher Voraussetzungen erfordert.[200] Tritt dagegen die Gewährung rechtlichen Beistandes in den Hintergrund, liegt keine anwaltliche Berufstätigkeit mehr vor.[201] Deshalb ist es keine anwaltliche Tätigkeit, wenn der Rechtsanwalt lediglich einem Darlehenssuchenden einen Mandanten benennt, von dem er weiß, dass dieser Geld anlegen will,[202] oder wenn ein Rechtsanwalt einem Kreditsuchenden Kontakt zu einer Bank verschafft, zu der er persönliche Beziehungen hat. Anwaltliche Tätigkeit liegt auch dann nicht vor, wenn der Rechtsanwalt selbst dem Mandanten die Gelegenheit zum Grundstückskauf aufzeigt, sich also nicht der Mandant an den Rechtsanwalt zur Einholung von Rechtsrat wendet.[203]
Inkassotätigkeit: Auch wenn der Mandant sich an ein Inkassobüro statt an einen Rechtsanwalt mit dem Auftrag zur Einziehung einer Forderung wendet, erwartet der Mandant, dass der Rechtsanwalt seine rechtlichen Interessen betreut, also als Rechtsanwalt i.S.v. § 1 tätig wird.[204] Ein Rechtsanwalt wird aber wie ein gewerbliches Inkassobüro und nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig, wenn er massenhaft und vollautomatisiert außergerichtliche Mahnschreiben versendet (vgl. hierzu Rdn 156).[205]
Mitwirkung/Beratung im Einigungsstellenverfahren: Die beratende Teilnahme eines Rechtsanwalts als sachverständige Person an der Sitzung einer Einigungsstelle ist eine berufsspezifische anwaltliche Leistung und unterfällt damit dem RVG (§ 34).[206]
[195] BGH 17.4.1980 – III ZR 73/79, NJW 1980, 1855, 1856 zur BRAGO; OLG Hamm 12.4.2011 –I-28 U 159/10; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 1 Rn 23; zur Abgrenzung der anwaltlichen Tätigkeit von einer Inkassotätigkeit vgl. BGH 9.6.2008 – AnwSt (R) 5/05; BFH 20.8.2012 – III B 246/11, BFH/NV 2012, 1959.
[196] BVerwG 25.10.2016 – 5 P 8/15; BGH 22.12.1966 – VII ZR 195/64, BGHZ 46, 269, 270.
[198] BGH 17.4.1980 – III ZR 73/79, NJW 1980, 1855, 1856 zur BRAGO.
[199] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 1 Rn 27.
[200] BGH 31.10.1991 – IX ZR 303/90, NJW 1992, 681, 682; BGH 26.10.1955 – VI ZR 145/54, BGHZ 18, 340, 346; BGH 10.6.1985 – III ZR 73/84, NJW 1985, 2642; OLG Hamm 12.4.2011 – I-28 U 159/10.
[201] BGH 16.9.1971 – VII ZR 312/69, BGHZ 57, 53, 56; Hansens, BRAGO, § 1 Rn 11; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 1 Rn 23.
[202] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 1 Rn 41f.

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