Rn 9

Erbvertragliche Erklärungen sind der Auslegung zugänglich (München 5.11.20 – 31 Wx 415/17 Rz 15). Einseitige Verfügungen, die als frei widerrufbar keinen Vertrauensschutz genießen, werden wie testamentarische nach §§ 2066 ff, 2084, 2087 ff ausgelegt (vgl § 2299 II 1; BayObLG FamRZ 04, 59). Für vertragsmäßige Verfügungen kommt es auf den erklärten übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien und ihr übereinstimmendes Verständnis des Vertragswortlauts bei Vertragserrichtung an (BGH ZEV 11, 422, 423; NK/Kornexl Vor §§ 2274–2302 Rz 41 f; nach Entgeltlichkeit differenzierend Brox/Walker ErbR Rz 223 f), und zwar auch, wenn nur ein Vertragsteil vertragsmäßig bindend verfügt hat (Ddorf 6.12.11 – I-3 Wx 261/11). Für die Frage, ob eine vertragsmäßige Verfügung vorliegt (Saarbr 3.9.19 – 5 W 49/19 Rz 8; München 24.4.17 – 31 Wx 128/17; Hamm FGPrax 05, 30 f), und die Auslegung ihres Inhalts ist § 157 zu beachten (BGH NJW 89, 2885; BayObLG FamRZ 97, 123; 04, 59; Ddorf ZEV 07, 275). Bei Lücken ist ergänzende Vertragsauslegung denkbar (Schlesw FamRZ 10, 1178). Für die Auslegung können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden. Das Formerfordernis (§ 2276) setzt einer ergänzenden Auslegung, für die es auf den Willen beider Vertragsparteien ankommt, aber Grenzen (vgl § 2084 Rn 20). Es verlangt, dass der so gewonnene Wille in der Urkunde selbst angedeutet ist (hM, BGH NJW 81, 1737 [BGH 09.04.1981 - IVa ZB 4/80]; ZEV 02, 20 [BGH 26.09.2001 - IV ZR 298/98]; NJW 19, 2317 [BGH 19.06.2019 - IV ZB 30/18] Rz 16; Ddorf NJW-RR 12, 391 [OLG Düsseldorf 06.12.2011 - I-3 Wx 261/11]; 1097 [OLG Düsseldorf 27.01.2012 - I-3 Wx 231/11]; § 2349 Rn 2). Daher können spätere Umstände allenfalls Indizien sein. Sprachlich mehrdeutige Erklärungen, deren Inhalt nicht mehr aufgeklärt werden kann, sind nach dem mutmaßlichen Erblasserwillen auszulegen (BGH NJW 93, 256 [BGH 07.10.1992 - IV ZR 160/91]). Für bestimmte Erbverträge zwischen Ehegatten oder Lebenspartnern gilt über § 2280 die Auslegungsregel des § 2269 entspr. Sollen Rechte und Pflichten von Vertragspartnern schon zu Lebzeiten bestehen, wenn auch erst mit Tod eines von ihnen wirksam werden, kann ein als Erbvertrag bezeichneter Vertrag als Rechtsgeschäft unter Lebenden auszulegen sein (BGH NJW 98, 2136, 2138 [BGH 20.03.1998 - V ZR 25/97]). Um Auslegungsprobleme zu vermeiden, sollte im Erbvertrag klargestellt werden, ob Verfügungen vertragsmäßig oder einseitig sind, ob Letztere fortbestehen sollen, wenn der Erbvertrag beseitigt wird (vgl § 2299), und wie weit ggf ein Änderungsvorbehalt (§ 2289 Rn 6 f) reicht (FA-ErbR/Krause Kap 2 Rz 118, 125).

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