Rn 3

§ 2 unterscheidet zwei Fallkonstellationen: Die vollendete Gewalttat, die schon für sich allein einen Überlassungsanspruch auslöst sowie die widerrechtliche Drohung mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder Freiheit, die einen Überlassungsanspruch dann auslöst, wenn dieser erforderlich ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Wegen des Gewaltbegriffs als solchem verweist die Norm auf § 1 I 1.

I. Gewalttat.

1. Vollendete Gewalt (Abs 1).

 

Rn 4

Im Falle einer vollendeten Gewalttat iSd § 1 I 1, also im Falle der vorsätzlichen und widerrechtlichen Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder Freiheit des Opfers, besteht, sofern Täter und Opfer einen gemeinsamen auf Dauer angelegten Haushalt führen, ohne weitere Voraussetzungen der Anspruch auf Überlassung der Wohnung an das Opfer zur alleinigen Nutzung. Indem § 1 III in Bezug genommen ist, gilt dies auch dann, wenn der Täter die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den er sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel versetzt hat. Unerheblich ist, worin die Ursachen für die Verschlechterung der Beziehungen der zusammenlebenden Personen und deren Auseinandersetzungen zu sehen sind (Schlesw NJW-RR 04, 156 [OLG Schleswig 16.06.2003 - 13 UF 93/03]).

2. Angedrohte Gewalt (Abs 6).

 

Rn 5

Der Anspruch auf Überlassung der Wohnung zur alleinigen Nutzung besteht auch dann, wenn der Täter mit einer Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit widerrechtlich gedroht hat (§ 1 II 1 Nr 1), allerdings nur dann, wenn die Überlassung der Wohnung erforderlich ist, um eine unbillige Härte für das Opfer zu vermeiden (zu einschränkend Rostock FamRZ 07, 921). Diese kann auch gegeben sein, wenn das Wohl der im Haushalt lebenden Kinder beeinträchtigt ist, zB ein Kind unter der Trennung und deren Auswirkungen erheblich leidet, aber weiterhin bei der Mutter leben will (Brandbg FamFR 10, 449). Es reicht schon die Drohung allein; die Ursachen der Konflikte im täglichen Zusammenleben sind dagegen unbeachtlich (Schlesw NJW-RR 04, 156 [OLG Schleswig 16.06.2003 - 13 UF 93/03]). Wegen des Begriffs der unbilligen Härte iÜ wird auf § 1361b BGB verwiesen.

II. Führen eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalts.

 

Rn 6

Voraussetzung der Überlassung der Wohnung ist, dass Täter und Opfer zum Tatzeitpunkt einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt haben. Der Begriff ist dem Mietrecht, dort § 563 II 3 BGB, entnommen. Hierunter fallen in erster Linie Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften sowie nicht eingetragene Lebenspartner, doch soll nach den Intentionen des Gesetzgebers dasselbe für dauerhaft zusammenlebende alte Menschen gelten, die sich ihr gegenseitiges Füreinander-Einstehen zB durch gegenseitige Vollmachten dokumentieren (BTDrs 14/3751, 43). Darüber hinaus findet das GewSchG auch Anwendung auf Ehegatten und eingetragene Lebenspartner.

 

Rn 7

Nicht in den Schutz des GewSchG einbezogen sind mehr oder weniger lose Verbindungen von Personen, die ohne innere Bindungen zueinander primär den gemeinsamen Wunsch haben, ihre Wohnbedürfnisse preiswert und angenehm zu befriedigen, wie etwa Wohngemeinschaften. Das gilt selbst dann, wenn sie einen gemeinsamen Haushalt führen.

 

Rn 8

Ein gemeinsamer Haushalt setzt weder einen gemeinsamen Mietvertrag über die Wohnung noch eine sonstige gemeinsame Berechtigung an ihr voraus. Wer Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist wird erst bei der Gestaltung des Rechtsverhältnisses berücksichtigt.

III. Ausschluss des Anspruchs (Abs 3).

1. Keine Wiederholungsgefahr.

 

Rn 9

Nach III ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn Wiederholungsgefahr nicht besteht (III Nr 1), der Anspruch verwirkt ist (III Nr 2) oder die Täterinteressen überwiegen (III Nr 3).

 

Rn 10

Wegen des präventiven Charakters der Norm ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn keine weiteren Gewalttaten zu besorgen sind, mithin keine Wiederholungsgefahr besteht. Durch die Gesetzesformulierung ist sichergestellt, dass die Beweislast insoweit beim Täter liegt (BTDrs 14/5429 31), wobei an die Widerlegung der Vermutung hohe Anforderungen zu stellen sind (Celle FamRZ 09, 1751; Jena FamRZ 07, 1337; Brandbg NJW-RR 06, 220).

 

Rn 11

Auch ohne Wiederholungsgefahr besteht der Überlassungsanspruch allerdings dann, wenn dem Opfer angesichts der Schwere der vollendeten Gewalttat ein weiteres Zusammenleben mit dem Täter nicht zuzumuten ist, zB nach einer Vergewaltigung, schweren Körperverletzung oder gar versuchten Tötung des Opfers (HK-FamR/Hauß Rz 2276). Zu beachten sind insoweit auch die Belange im Haushalt lebender Kinder, deren Wohl durch das Miterleben von Gewalt regelmäßig beeinträchtigt wird.

2. Verwirkung.

 

Rn 12

Der Anspruch ist verwirkt, wenn das Opfer nicht innerhalb einer Frist von 3 Monaten vom Täter schriftlich die Überlassung der Wohnung verlangt. Mit dieser Frist soll einerseits innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach dem Vorfall Klarheit über die Nutzungsverhältnisse geschaffen werden. Andererseits hat das Opfer ausreichend Zeit, sich über seine Vorstellungen für die künftige Lebensgestaltung einschließlich der Befriedigung der Wohnverhältnisse klar zu werden (BTDrs 14/5429 31). Die Frist läuft auch, ...

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