Gesetzestext

 

(1) 1Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. 2Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. 3Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,

1. die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
2. sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
3. zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
4. Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
5. Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen,

soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

(2) 1Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1. eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung widerrechtlich gedroht hat oder
2.

eine Person widerrechtlich und vorsätzlich

a) in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder
b) eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.

2Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe b liegt eine unzumutbare Belästigung nicht vor, wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 oder des Absatzes 2 kann das Gericht die Maßnahmen nach Absatz 1 auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Das zum 1.1.02 in Kraft getretene GewSchG dient dem präventiven zivilrechtlichen Schutz der Personen, die Opfer von Gewalttaten, Bedrohungen oder Nachstellungen geworden sind. Es ist Teil weiterer Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder und steht in einer Linie mit dem Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung vom 2.11.00 (BGBl I 1479) und dem Kinderrechtsverbesserungsgesetz vom 9.4.02 (BGBl I 1239). Der geschützte Personenkreis beschränkt sich dabei nicht auf verheiratete oder geschiedene Ehegatten, sondern erfasst mit § 1 grds jede Person auch außerhalb des sozialen Nahbereichs und mit § 2 alle, die von einem anderen im häuslichen Bereich vorsätzlich und widerrechtlich an Körper, Gesundheit oder Freiheit verletzt oder in entsprechender Weise mit sonstigem Übel bedroht oder belästigt werden. Geschützt sind dabei auch Lebenspartner oder nichteheliche Lebensgefährten sowie sonstige Personen, die in Verantwortungsgemeinschaft füreinander einen gemeinsamen Haushalt führen, insb also auch zusammen lebende ältere Menschen (BTDrs 14/3751, 43) Üben Eltern Gewalt gegen Kinder aus, findet nicht das GewSchG Anwendung (§ 3 I), sondern es ist an Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB zu denken ist. Andererseits ist das GewSchG einschlägig, wenn Eltern Opfer von Gewalt durch die Kinder sind. § 1 bietet auch zB Opfern von Belästigungen, wie dem sog ›Stalking‹, Schutz (§ 1 II 1 Nr 2b). Bei Gewalt durch Polizeibeamte ist ggf der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (Nürnbg FamRZ 22, 528).

 

Rn 2

Abgesehen von den Strafvorschriften des § 4 ist das GewSchG dem Recht der unerlaubten Handlungen zuzuordnen. Nach dem Willen des Gesetzgebers normiert es nur die gerichtliche Befugnis zu Schutzanordnungen, während die Anspruchsgrundlage hierfür in §§ 823 I, 1004 I BGB analog zu sehen ist (BGH FamRZ 14, 825; BTDrs 14/5429, 28), wobei das Gesetz die Geltendmachung des allgem Abwehranspruchs nach §§ 1004, 862, 823 BGB nicht ausschließt (Karlsr FamRZ 20, 1752; 16, 1863). Für nicht dem GewSchG unterfallende Schadensersatzansprüche sind die Zivilgerichte zuständig (Karlsr aaO).

 

Rn 3

Die Maßnahmen stehen unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, weshalb zB Maßnahmen nur soweit gerechtfertigt sind, wie ernsthafte Anhaltspunkte für bestimmte Arten von Verletzungsformen bestehen (Karlsr NZFam 19, 444).

B. Eingriffsvoraussetzungen.

 

Rn 4

§ 1 gilt für jede natürliche Person als Opfer von Gewalt oder deren Androhung. Eine besondere Beziehung zwischen Opfer und Täter ist nicht erforderlich. Für die Entscheidung maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Entscheidungsreife (Köln FamRZ 12, 645).

 

Rn 5

Hinsichtlich der Rechtsgutsverletzungen hat der Gesetzgeber auf § 823 I zurückgegriffen, weshalb wegen der Bedeutung der genannten Rechtsgüter auf die dazu ergangene Rspr verwiesen werden kann. Das gilt zum einen für die Körper- oder Gesundheitsverletzung, wobei die Körperverletzung eher auf die äußere Integrität, die Gesundheitsverletzung eher auf innere Funktionen bezogen ist (§ 823 BGB Rn 24). Ob es hierzu durch physische oder psychische Einwirkungen des Täters kommt, i...

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