Rn 4

Das IPR der GoA spielt in der Rechtspraxis nur eine untergeordnete Rolle. Rspr ist verglichen mit anderen gesetzlichen Ausgleichsregeln in weit geringerem Umfang vorhanden. Die kollisionsrechtliche Qualifikation der GoA iSd Art 39 erfolgt im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen nach der lex fori (MüKo/Junker Art 39 EGBGB Rz 2). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der kollisionsrechtliche und der materiell-rechtliche Begriff der GoA nicht identisch sind. Zwingende Voraussetzung für das kollisionsrechtliche Verständnis der GoA ist neben der Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts der Wille zur Fremdgeschäftsführung. Daher fallen die irrtümliche oder vermeintliche GoA (§ 687 I BGB) sowie die Geschäftsanmaßung (§ 687 II BGB) nicht in den Anwendungsbereich des Art 39, sondern des Art 40. Nicht zum Regelungsbereich des Art 39 zählen auch die Fallgruppen der öffentlich-rechtlichen GoA (dazu § 677 BGB Rn 26 ff).

I. Grundregel.

 

Rn 5

Falls keine nachträgliche Rechtswahl getroffen wurde (Art 42) und andere vorrangige Regelungen ebenfalls nicht eingreifen (Rn 3), unterstellt Art 39 I die Ansprüche aus GoA dem Recht des Staates, in dem das Geschäft vorgenommen wurde. Die Anknüpfung gilt für die Ansprüche des Geschäftsführers und solche des Geschäftsherrn. Der Vornahmeort ist insoweit sachgerechtes Anknüpfungskriterium, weil schützenswerte Interessen der Beteiligten regelmäßig an diesem Ort aufeinander treffen (zB Nothilfe bei einem Bergunglück). Das berufene Recht entscheidet über die Berechtigung einer Geschäftsführung, Voraussetzungen (zB Haftungsmaßstab), Inhalt und Umfang der jeweiligen Ansprüche, aber auch über deren Bestand und Nichterfüllungsfolgen (Erman/Hohloch Art 39 EGBGB Rz 8).

 

Rn 6

Der Vornahmeort kann bei sukzessiv vorgenommener Geschäftsführung an mehreren Orten liegen und verschiedene Rechtsordnungen berühren (zB bei grenzüberschreitender Unfallrettung). In der Literatur besteht Einigkeit darüber, dass ein einzelnes, einheitliches Geschäft durch das Kollisionsrecht und die Berufung verschiedener Rechtsordnungen nicht aufgeteilt werden soll. Zur Vermeidung wird vorgeschlagen, eine einzelfallbezogene Schwerpunktbetrachtung vorzunehmen (BRHP/Spickhoff Art 39 EGBGB Rz 6) oder – vorzugswürdig – den Ort des Tätigkeitsbeginns für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts heranzuziehen (MüKo/Junker Art 39 EGBGB Rz 6). Werden sukzessive mehrere Geschäftsführer tätig, ist jede GoA einzeln anzuknüpfen.

 

Rn 7

Der Vornahmeort kann gespalten sein, wenn Handlungs- und Erfolgsort voneinander abweichen (zB telefonische Beauftragung eines Handwerkers für Reparaturen im Ferienhaus des Nachbarn in Spanien). Eine alternative Anknüpfung entspr dem Deliktsrecht (Art 40 I) kommt für die GoA nicht in Betracht, da häufig wechselseitige Ansprüche aus einer Geschäftsführung entstehen. Um Gefahren der Manipulation vorzubeugen, sprechen die besseren Argumente dafür, generell auf den Erfolgsort abzustellen (MüKo/Junker Art 39 EGBGB Rz 7). Unter verschiedenen Erfolgsorten in mehreren Staaten ist der Schwerpunkt zu ermitteln (zB Verwaltung eines Vermögens mit Bestandteilen in zahlreichen Staaten; aA BRHP/Spickhoff Art 39 EGBGB Rz 6: Handlungsort). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Ausweichklausel des Art 41 II Nr 1 in solchen Fällen eingreifen kann und Korrekturen ermöglicht.

II. Differenzierung nach Typen.

 

Rn 8

Die GoA kann in unterschiedlichen Fallgruppen oder Typen auftreten. Dabei lassen sich die Nothilfe, die Einwirkung auf fremde Sachen oder Rechte und die Tilgung fremder Verbindlichkeiten unterscheiden. Nur für letzteren Typ hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung vorgesehen (Art 39 II). In den anderen Fallgruppen geht es darum, für die Ansprüche aus GoA und parallele Ansprüche aus weiteren gesetzlichen Schuldverhältnissen (Bereicherung, Delikt, EBV) die gleiche Rechtsordnung zu berufen. Zur Auflockerung der Grundregel stellt die Ausweichklausel (Art 41) ein geeignetes Hilfsmittel dar.

1. Nothilfe.

 

Rn 9

Bei der Nothilfe zur Abwehr von Gefahren für andere Personen oder fremde Sachen ist Vornahmeort der Ort der Hilfeleistung (MüKo/Junker Art 39 EGBGB Rz 10). Im Zusammenhang mit einem Behandlungsvertrag kommt eine akzessorische Anknüpfung an das Vertragsstatut in Betracht (Art 41 II Nr 1; Kobl NJW 92, 2367 [OLG Koblenz 20.06.1991 - 5 U 75/91]). Bei Bergungsmaßnahmen in Seen und Gewässern ist das IÜB zu beachten (Rn 3). Außerhalb des Anwendungsbereichs des Abkommens gilt die Grundregel des Art 39 I mit der Maßgabe, dass der Vornahmeort auf hoher See grds – mangels geltender Rechtsordnung – das Heimatrecht des hilfsbedürftigen Schiffes beruft. Korrekturen können über Art 41 erreicht werden (akzessorisches Vertragsstatut; gemeinsames Heimatrecht der beteiligten Schiffe, s Rn 13).

2. Einwirkung auf fremde Güter.

 

Rn 10

IRe GoA können Einwirkungen auf fremde Sachen und Rechte erfolgen. Typische Einwirkungen sind Nutzungen, bei Sachen auch die Veräußerung und Verwendungen. Ziel der Anknüpfung muss es sein, für die unterschiedlichen gesetzlichen Ansprüche zu einem einheitlichen Statut zu gelangen. Der Vornahmeort e...

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