Rn 10

Wenn keiner der genannten Staatsverträge eingreift (oben Rn 2), erfolgt die Anknüpfung über die nationale Kollisionsnorm in Art 21. Einziger Anknüpfungspunkt ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes. Auf die Staatsangehörigkeit darf nicht abgestellt werden (vgl für Art 8 Brüssel IIa – Art 7 Brüssel IIb-VO – EuGH C-512/17, FamRZ 18, 1426 m Aufs Gruber IPRax 19, 217 = ECLI:EU:C:2018:513), auch nicht bei einem im Ausland lebenden deutschen Kind. Dies gilt auch für einstweilige Maßnahmen. Nur wenn die Anwendung des Aufenthaltsrechts zu einem völlig untragbaren Ergebnis führt, kann beim Vorliegen der engen Voraussetzungen des Art 6 auf das deutsche Recht zurückgegriffen werden. Die ausschl Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes gilt für eheliche u nichteheliche Kinder gleichermaßen. Der gewöhnliche Aufenthalt eines Minderjährigen leitet sich nicht automatisch vom Wohnsitz oder Aufenthalt des Sorgeinhabers ab; er ist vielmehr selbstständig zu ermitteln (BGH FamRZ 97, 1070, vgl EuGH C-523/07, FamRZ 09, 843 = ECLI:EU:C:2009:225). Auszugehen ist dabei zunächst vom Willen des Sorgeinhabers, denn dieser bestimmt grds den Aufenthalt des Minderjährigen (Art 5 III). Ausschlaggebende Umstände können sein: der Wohnort des Kindes u der Aufenthaltsort des betreuenden Elternteils sowie der Ort des Kontakts zum anderen Elternteil (EuGH C-512/17 HR, FamRZ 18, 1426 = ECLI:EU:C:2018:513 zu Art 8 Brüssel IIa [Art 7 Brüssel IIb-VO]). Der EuGH geht von körperlicher Anwesenheit des Kindes aus (für Art 8 Brüssel IIa EuGH C-393/18 PPU DU, FamRZ 19, 132 Anm Siehr = ECLI:EU:C:2018:835) u betont für ein Kleinkind objektive Kriterien (EuGH FamRZ 18, 1426). Wird der Minderjährige ohne oder gg den Willen des Allein- oder Mitinhabers der Sorge ins Ausland verbracht (Kindesentführung), kann der neue Aufenthalt nicht von vornherein als auf Dauer angelegt angesehen werden, so dass ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts nicht sofort eintritt. Dies gilt auf jeden Fall, solange die Möglichkeit besteht, dass der (Mit-)Sorgeinhaber die Rückführung des Minderjährigen durchsetzt. Kommt es allerdings zu einer gefestigten sozialen Einbindung in die Lebensverhältnisse am neuen Aufenthaltsort, ist von nun an dort der gewöhnliche Aufenthalt gegeben (BGH FamRZ 81, 135; Hamm NJW-RR 97, 5; Ddorf FamRZ 99, 112; Karlsr NJW-RR 99, 1383).

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