Rn 35

§ 812 I 2 Alt 1 stellt den späteren Wegfall des im Zeitpunkt der Leistung bestehenden Rechtsgrundes seinem anfänglichen Fehlen gleich. Die condictio ob causam finitam umfasst deshalb va die Tatbestände des vorläufigen Erwerbs, insb also die Herausgabepflicht beim Eintritt einer auflösenden Bedingung oder eines vertraglichen Endtermins (BGH NJW 52, 1171; MDR 59, 658 [BGH 30.04.1959 - VIII ZR 174/58]). Weiter gilt: Hat der Eigentümer für den Verlust einer Sache vom Verantwortlichen Ersatz erhalten, muss er das Erlangte gem § 812 I 2 Alt 1 herausgeben, wenn er die Sache zurückbekommt, ohne dem Verantwortlichen im Gegenzug für die Ersatzleistung zuvor das Eigentum oder den Anspruch hierauf (§§ 931, 255) verschafft zu haben (vgl Staud/Lorenz § 812 Rz 96). Allerdings ist in den praktisch wichtigsten Fällen einer sich solcherart als überobligatorisch erweisenden, grds kondizierbaren Versicherungsleistung (RGZ 108, 110, 112) zu beachten, dass die auch dann gebotene Rückabwicklung vorrangig nach den einschlägigen Regelungen in den Versicherungsbedingungen zu erfolgen hat. Überhaupt gilt ganz allg der Grundsatz, dass die condictio ob causam finitam immer dann nicht greift, wenn sich deckungsgleiche Rückgewährpflichten nach ggf gebotener Auslegung bereits aus dem zugrunde liegenden Vertrag ergeben. So folgt bspw der Anspruch des Auftraggebers gegen den Werkunternehmer auf Rückgewähr zu viel geleisteter Abschlagszahlungen nach der Rspr des BGH nicht aus § 812, sondern aus einer stillschweigend mit Abschluss des Werkvertrages geschlossenen Rückzahlungsabrede (BGH NJW-RR 05, 129; BauR 02, 938, 939 f; 99, 635, 640). Entspr gilt oft für nicht akzessorische Sicherheiten, soweit diese nach der Erledigung des Sicherungszwecks nicht verbraucht sind. Und auch die Rückabwicklung eines nach Rücktritt vom Kaufvertrag seiner Geschäftsgrundlage beraubten Leasingvertrages hat allenfalls vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Abreden nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen (so BGH NJW 85, 796 [BGH 05.12.1984 - VIII ZR 277/83]; 90, 314 f [BGH 25.10.1989 - VIII ZR 105/88]).

 

Rn 36

Ein weiteres Anwendungsfeld für die condictio ob causam finitam betrifft die Kondiktion nicht verbrauchter Vorleistungen bei vorzeitiger Beendigung des zugrunde liegenden Vertrages (BGH NJW 58, 1582; Ddorf NZM 01, 1093 – im Voraus entrichteter Mietzins; BGHZ 29, 289 – verlorener Baukostenzuschuss; vgl auch BGH NJW 79, 2398; 67, 2255, 2256; anders zu Recht für die Rückforderung von nicht fristgerecht abgerechneten Vorauszahlungen auf Mietnebenkosten BGH NJW 06, 2552 [BGH 29.03.2006 - VIII ZR 191/05]). Indes: Gerade in den häufigen Fällen, in denen der Vertrag vorzeitig durch Rücktritt oder Kündigung beendet wird, kommt es hinsichtlich der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht verbrauchten (Vor-)Leistungen selten zum Bereicherungsausgleich, weil die Rückabwicklung des Vertrages zumeist nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (insb §§ 346 ff) und evtl vertraglichen Regelungen zu erfolgen hat. Allerdings verweisen bspw die §§ 547 I 2 und 628 I 3 für den Ausgleich der bei Kündigung des Miet- bzw Dienstvertrages nicht verbrauchten Vorleistungen auf die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts. § 812 I 2 Alt 1 findet unmittelbar Anwendung auf Leistungen, die der Bereicherungsgläubiger aufgrund eines rechtskräftigen Urteils erbracht hat, das anschließend aufgehoben wurde (BGH DZWiR 07, 121, 123; RGZ 99, 168, 171; MüKoZPO/Braun § 590 Rz 9 mwN; Staud/Lorenz § 812 Rz 99; BRHP/Wendehorst § 812 Rz 79).

 

Rn 37

Weil die eheliche Lebensgemeinschaft keinen Rechtsgrund iSd § 812 I darstellt (vgl hierzu Lieb Ehegattenmitarbeit, 118 ff), ist ihre Beendigung abw von der älteren Rspr (BGH NJW 68, 245; WM 74, 947; Ddorf FamRZ 81, 770) grds schon deshalb nicht geeignet, bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche zu begründen (heute hM BGH FamRZ 90, 855; NJW-RR 94, 258; Staud/Lorenz § 812 Rz 100 ff; Wever FamRZ 19, 1289, 1292; diff Erman/Buck-Heeb § 812 Rz 56 ff, jeweils mwN; zur [Nicht-]Anwendbarkeit der condictio ob rem in diesem Bereich s Rn 49 f). Stattdessen wird der Ausgleich für unbenannte (ehebedingte) Zuwendungen und überobligatorische Ehegattenmitarbeit je nach Güterstand über die Regeln des Ehegüterrechts, der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313) oder der Auseinandersetzung einer Innengesellschaft gesucht (vgl BGH NJW-RR 10, 1513 [BGH 21.07.2010 - XII ZR 104/08], Rz 13; zahlreiche Nachw aus der allerdings uneinheitlichen Rspr bei Staud/Lorenz § 812 Rz 100 ff; Erman/Buck-Heeb § 812 Rz 56; Walker FS Rüßmann [13], 355). Das gilt jedenfalls im Ausgangspunkt auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften (BGH FamRZ 21, 97; NJW 92, 906, 907; differenzierend jetzt BGHZ 183, 242 Rz 32 ff; BGH NJW 08, 3277, 3279 f [BGH 09.07.2008 - XII ZR 179/05] Rz 29 ff, 34 – uU Anspruch aus § 812 I 2 Alt 2; ebenso BGH NJW 08, 3282 [BGH 09.07.2008 - XII ZR 39/06]; vgl auch BGH NJW 09, 1142, 1143 f [BGH 18.12.2008 - IX ZR 12/05] Rz 15; s Rn 46 aE; Walker FS Rüßmann [13], 355...

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