Rn 3

Der Umfang der Hauptschuld bestimmt auch den Umfang der Bürgenschuld: Ohne Hauptschuld keine Bürgschaftsschuld. Wieweit die Bürgenschuld genau reicht – ob sie zB Zinsen (BGH NJW 92, 2629 f [BGH 25.06.1992 - IX ZR 24/92]) und Zinseszinsen (BGHZ 77, 256, 259, 262) erfasst –, kann im Bürgschaftsvertrag im Einzelnen geregelt werden und ist ggf durch Auslegung nach §§ 133, 157 zu ermitteln (s zB BGH WM 08, 1350, 1352). Unklarheiten gehen zu Lasten des Gläubigers (BGHZ 76, 187, 189).

I. Bestehen einer Hauptschuld.

 

Rn 4

Die Hauptschuld muss wirksam begründet sein; bei Nichtigkeit des Hauptvertrages sichert die Bürgschaft nur dann den Bereicherungsanspruch, wenn die Auslegung des Bürgschaftsvertrags einen entspr Willen ergibt (BGH NJW 00, 511 f [BGH 04.11.1999 - IX ZR 320/98]; 01, 1859 f [BGH 15.03.2001 - IX ZR 273/98]; kein solcher Wille: Frankf NJW 80, 2201 f; BGH BeckRS 07, 02309 für bürgschaftsunerfahrene Privatpersonen s Gestaltungstipp bei Fielenbach, WM 12, 2349, 2352). Künftige Ansprüche (vgl § 765 II) sowie schwebend unwirksame Forderungen (zB §§ 108 I, 177 I) können Gegenstand einer Bürgschaft sein. Der Anspruch aus einem formunwirksamen, später aber nach § 311b I 2 geheilten Vertrag fällt ebenfalls unter § 765 II (vgl RGZ 134, 243, 246). Die Bürgschaft entsteht in diesen Fällen mit Wirksamwerden der Hauptschuld. Bei Verwaltungsakten kommt es auf deren Rechtmäßigkeit und nicht auf die Bestandskraft an (BGH WM 09, 1180, 1184).

II. Erlöschen der Hauptschuld.

 

Rn 5

Die Bürgenschuld erlischt in dem gleichen Umfang, in dem die Hauptschuld erlischt (BGH NJW 99, 2113 f [BGH 06.05.1999 - IX ZR 430/97]). Dabei ist es unerheblich, weshalb die Hauptschuld untergeht. Unter § 767 I fallen insb die Erfüllung (§ 362; Soergel/Gröschler § 767 Rz 5; auch durch Dritte, vgl BGH JZ 76, 24 f [BGH 22.10.1975 - VIII ZR 80/74]), Erfüllungssurrogate (für Leistung an Erfüllungs statt: BGH NJW 70, 279) – wie die Aufrechnung (BGH NJW 02, 2867, 2869) –, der Abschluss eines Aufhebungsvertrages (BGH NJW 03, 59, 60), der Vergleich (BGHZ 6, 385, 393), der Erlassvertrag nach § 397 I (BGH NJW 01, 2327, 2329), die Kündigung (BGH NJW 89, 27, 28), die erklärte Anfechtung (BGHZ 95, 350, 356), die Leistungsbefreiung nach § 275 (RGZ 134, 126, 128) und die unzulässige Rechtsausübung nach § 242, soweit sie zur Beschränkung der Hauptforderung führt (Köln ZIP 98, 150, 151). Eine einschränkende Vereinbarung zwischen Gläubiger und Hauptschuldner wie bspw die Stundung der Hauptschuld erfasst auch die Bürgschaft (BGHZ 72, 198, 201). Ist – wie bei der Unterhaltsverpflichtung nach §§ 1361, 1601 iVm 1603 – die Hauptschuld bereits tatbestandlich an die Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners geknüpft, so mindert sich auch die Bürgenschuld entspr (RGZ 163, 91, 99; Erman/Zetzsche § 767 Rz 6).

 

Rn 6

Haben die Parteien eine Novation vereinbart, so geht – abgesehen von den Fällen des § 356 HGB – die Bürgschaft unter (BGH NJW 99, 3708, 3709). Wegen der einschneidenden Rechtsfolgen für den Gläubiger soll im Zweifel keine Novation, sondern lediglich eine Vertragsänderung vorliegen (BGH NJW 03, 59 [BGH 01.10.2002 - IX ZR 443/00]). Wird eine bankinterne Umschuldung wie die Umwandlung eines Kontokorrentkredits in ein Darlehen vorgenommen, bleibt die Bürgschaftsforderung bestehen (BGH NJW 99, 3708, 3709 [BGH 30.09.1999 - IX ZR 287/98]). Ein Vergleich über die Hauptforderung führt idR nicht zur Novation (s § 779 Rn 19); die Verpflichtung aus der Bürgschaft bleibt bestehen (Hamm NJW 05, 2238, 2239 [OLG Hamm 05.04.2005 - 21 U 149/04]). Ist nur ein Teil der Forderung durch die Bürgschaft gesichert, so gilt § 366 II (s § 765 Rn 64).

III. Wechsel des Schuldners bzw des Gläubigers.

 

Rn 7

Im Fall einer befreienden Schuldübernahme der Hauptschuld erlischt die Bürgschaft nach § 418 I. Diese Vorschrift gilt entspr bei einer Vertragsübernahme auf

Schuldnerseite (Hamm WM 90, 1152, 1154 [OLG Hamm 30.08.1989 - 31 U 39/89]). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Bürge selbst zu den ausscheidenden Gesellschaftern gehört und der Schuldnerwechsel auf seiner eigenen Maßnahme beruht (BGH NJW 93, 1917, 1918 [BGH 06.05.1993 - IX ZR 73/92]). Die Auslegung des Bürgschaftsvertrages kann ergeben, dass der Bürge auch für den Rechtsnachfolger haftet (München WM 98, 1966, 1968 [OLG München 05.11.1997 - 3 U 3354/97]: Übernahme der Hauptschuld durch GmbH). Eine Formularklausel, wonach der Bürge auch bei einer Vertragsübernahme haftet, verstößt gegen § 307 I, wenn der Bürge danach für einen unbeteiligten Dritten einstehen müsste (DerlKnopsBa/Knops § 25 Rz 7).

 

Rn 8

Bei der Vertragsübernahme auf Gläubigerseite tritt dieser in vollem Umfang in den Bürgschaftsvertrag ein, wenn der Personenwechsel für den Bürgen keine Erhöhung des eingegangenen Risikos bedeutet (BGHZ 95, 88, 96). Im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge auf Gläubigerseite bleibt die Bürgschaft dem Nachfolger in vollem Umfang erhalten (BGHZ 77, 167, 170 f), ebenso bei Ausgliederung eines Teilbetriebes gem § 123 III UmwG (Hamm DStR 2010, 991).

 

Rn 9

Der Formwechsel einer Gesellschaft ändert an der Identität des Rechtsträgers nach § 202 I Nr 1 UmwG und damit an dem For...

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