Rn 1

Die Leibrente ist ein einheitliches, iSv §§ 100, 99 II nutzbares (RGZ 67, 204, 210) Recht, das dem Berechtigten für die Lebensdauer eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus fortlaufend wiederkehrenden gleichmäßigen und in gleichen Zeitabschnitten (BGH WM 66, 248) zu gewährenden Leistungen in Geld oder vertretbaren Sachen bestehen (RGZ 67, 204, 212; BGH WM 80, 593, 594). Sie hat große praktische Bedeutung als Finanzierungsinstrument und ist Gegenstand umfangreicher steuerrechtlicher Bestimmungen, s zB § 22 Nr 1 3 lit a EStG; BMF-Schreiben v 16.9.04 BStBl I 922 ff (›Rentenerlass‹); JurisPK-BGB/Geisler § 759 Rz 61 ff. Die Leibrente dient der Risikoaufteilung; hingegen ist ihr Versorgungscharakter ggf Motivation für die Verpflichtung, nicht aber ihr wesentlicher Inhalt (MüKoBGB/Raude § 759 Rz 5; Granetzny/Wallraven NZA 17, 1231, 1234). Zur Leibrente als Alternative zum nachehelichen Unterhalt: Bergschneider/Engels, FamRZ 14, 436 und Replik von Kogel, FamRZ 14, 1172.

 

Rn 2

Die Verpflichtung zur Abgabe eines abstrakten Leibrentenversprechens wird durch ein (kausales) Grundgeschäft begründet: Meist ein entgeltlicher oder unentgeltlicher Vertrag, in dem die Leibrente als Gegenleistung zur Sicherung lebenslänglicher Versorgung gewährt wird (zB Kaufvertrag über eine Immobilie oder ein Unternehmen, nicht jedoch eine bloße Gebrauchsüberlassung durch ein mietähnliches Verhältnis, LSG Sachsen-Anhalt BeckRS 16, 69302; für die Berücksichtigung der Leibrente im Zugewinn, wenn sie im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen iSv § 1374 II versprochen wurde: BGH NJW 05, 3710 [BGH 07.09.2005 - XII ZR 209/02]), oder ein Vertrag zugunsten Dritter (§ 330), aber auch eine Auslobung oder ein Vermächtnis. Die Verpflichtung muss wirksam begründet werden (vgl zB BGH XII ZR 157/06 v 5.11.08 für eine sittenwidrige Unterhaltsvereinbarung). In Erfüllung dieser Pflicht (iSv § 362) gibt der Verpflichtete in einem Bestellungsvertrag ein vom Grundgeschäft abstraktes einseitiges Leibrentenversprechen ab, durch das ein Leibrentenstammrecht begründet wird (RGZ 67, 204, 210 f u zB BGH NJW-RR 91, 1035 [BGH 25.04.1991 - III ZR 159/90], abl die Vorinstanz: Celle NJW-RR 90, 1490 f [OLG Celle 27.07.1990 - 4 U 185/89]). Es ist Grundlage für die einzelnen Rentenleistungen. Diese Konstruktion wird als Stammrechtstheorie (MüKo/Raude § 759 Rz 3) bzw als Einheitstheorie (Staud/Liebrecht Vorbem zu § 759 Rz 25; Erman/Müller § 759 Rz 6) bezeichnet. Das Stammrecht besteht unabhängig von sonstigen Beziehungen der Parteien (daher auch Isolierungstheorie, zB Erman/Müller aaO; krit Reinhart in FS Wahl 261, 265 ff). Weite Teile der Lit halten die Zwischenschaltung eines Stammrechts für überflüssig (s zB Staud/Liebrecht Vorbem zu § 759 Rz 39; MüKo/Raude § 759 Rz 3 mwN; Erman/Müller § 759 Rz 9). Praktisch wichtig wird der Unterschied im Fall der Leistungsstörung (s.u. Rn 9).

 

Rn 3

Das Leibrentenstammrecht und die einzelnen Leibrentenleistungen sind abtretbar, pfändbar, verpfändbar und – zB mit einem Nießbrauch (§ 1073) – belastbar (statt vieler Erman/Müller § 759 Rz 12). Die Ansprüche auf Erbringung der einzelnen Rentenleistungen verjähren gem §§ 195, 199 nach drei Jahren (Grüneberg/Sprau § 759 Rz 3). Sie können verwirkt werden (Zweibr FamRZ 08, 400, 401: bei unterhaltssichernder Leibrente nach einem Jahr, s.a. § 1613 Rn 14).

 

Rn 4

Seit RGZ 67, 204, 208 ff ist anerkannt, dass der Anwendungsbereich des § 759 nur eröffnet ist, wenn die Leibrente eine lebenslängliche – wenn auch nicht immer nach dem Leben des Rentenempfängers zu bemessende – Rente ist. Für eine Auslegung lässt § 759 I damit wenig Raum (vgl Rn 6). Die Zweifelsregelung zu Jahresleistungen in II wird meist durch andere Regelungen verdrängt, insb monatliche Zahlung (Staud/Liebrecht § 759 Rz 35a).

 

Rn 5

Keine (formbedürftige) Leibrente liegt vor, wenn die Rentenzahlung typischerweise in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Schuldverhältnis begründet wird: zB Arbeits- oder Dienstvertrag (Granetzny/Wallraven NZA 17, 1231, 1234: eine durch Schuldbeitritt gesicherte betriebsrechtliche Versorgungszusage; BGH WM 66, 248: Ruhegehaltszusage), Gesellschaftsvertrag (BGH aaO 248 f: Ausscheidensvereinbarung), uU auch Kaufvertrag (BGH NJW-RR 91, 1035), Deliktsrecht (BeckOKBGB/Litzenburger § 759 Rz 7). Die Abgrenzung ist durch Auslegung (§§ 133, 157) zu ermitteln (BeckOKBGB/Litzenburger § 759 Rz 7).

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