Gesetzestext

 

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

A. Zweck der Vorschrift.

 

Rn 1

I grenzt den Dienstvertrag von unentgeltlichen Auftrags- und Gefälligkeitsverhältnissen ab. Enthält der Vertrag keine Regelung, greift II. § 612 erfasst alle Dienstverhältnisse, Sonderregelungen sind in §§ 87, 87b I HGB (Handelsvertreter), §§ 17 ff BBiG (Ausbildungsverhältnisse).

B. Vergütungspflicht, Abs 1.

I. Dienstleistung.

 

Rn 2

Dienstleistung kann im freien oder abhängigen Dienstverhältnis erbracht werden, auch als Geschäftsbesorgung. Sie muss vereinbart sein, andernfalls gilt GoA (§§ 677–687) oder Bereicherungsrecht (§§ 812–822). I greift nur, wenn die Parteien keine wirksame (BGH NJW 20, 1811 [BGH 13.02.2020 - IX ZR 140/19] [Anwaltshonorar]; BAG NZA 11, 1173 f [BAG 20.04.2011 - 5 AZR 171/10]; AP Nr 2 zu § 138; umstr; vgl ErfK/Preis § 612 Rz 2) Vereinbarung über die Vergütung für die konkrete Dienstleistung (BAG NZA 17, 58 [BAG 24.08.2016 - 5 AZR 129/16]; 98, 540 [BAG 03.09.1997 - 5 AZR 428/96]) oder Sonderleistung (BAG NZA 19, 399 [BAG 15.11.2018 - 6 AZR 385/17]) getroffen haben, und bei fehlgegangener Vergütungserwartung (BAG NJW 78, 444).

II. Den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten.

 

Rn 3

Den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist die Dienstleistung, wenn objektiv für den Empfänger der Dienstleistung mit Entgeltlichkeit zu rechnen war (maßgeblich Verkehrssitte, Stellung der Beteiligten zueinander, Umfang und Dauer der Dienste, unbeachtlich dagegen persönliche Meinung der Beteiligten, BAG NZA 19, 399 [BAG 15.11.2018 - 6 AZR 385/17]; 12, 1147 [BAG 27.06.2012 - 5 AZR 530/11]; 12, 145 [BAG 21.09.2011 - 5 AZR 629/10]), zB bei Dienstleistungen im Hauptberuf des Leistenden (ErfK/Preis § 612 Rz 12), Leistungen, für die keine Vergütungsregelung besteht (BAG NZA 02, 1328 [BAG 29.05.2002 - 5 AZR 680/00]; zur Überstundenvergütung BAG NZA 15, 1002 [BAG 25.03.2015 - 5 AZR 602/13]; 13, 1100 [BAG 10.04.2013 - 5 AZR 122/12]) oder wenn Leistung auf Veranlassung oder mit Billigung des Dienstberechtigten höherwertiger ist als die vereinbarten Dienste (BAG ZTR 15, 661, Anm Lingemann ArbR 15, 457 [BAG 25.03.2015 - 5 AZR 874/12]).

 

Rn 4

Der Beweis der Tatsachen gem I obliegt dem Dienstleistenden, der (Gegen-)Beweis für Vereinbarung von Unentgeltlichkeit dem Dienstberechtigten. Ist nach I Vergütung geschuldet, kann Dienstberechtigter nicht deshalb wegen Irrtums anfechten (MüKo/Müller-Glöge § 612 Rz 5).

C. Höhe der Vergütung, Abs 2.

 

Rn 5

II gilt auch, wenn die Vergütungsregelung nichtig ist (zB sittenwidrig, BAG NZA 16, 494 [BAG 18.11.2015 - 5 AZR 814/14]; 15, 608 [BAG 17.12.2014 - 5 AZR 663/13] oder verbotsgesetzwidrig, BAG NJOZ 16, 226) und bestimmt die Höhe der Vergütung und die Reihenfolge in Betracht kommender Vergütungsgrundlagen. Untergrenze im Arbeitsverhältnis bestimmt seit 1.1.15 das MindestlohnG (MiLoG) (Zu anrechenbaren Leistungen BAG NZA 18, 781, 582, 525, 53; 17, 378, 1073, 1387, 1463). Taxen sind nach Bundes- oder Landesrecht festgelegte oder zugelassene Gebühren, die va für freie Berufe wie etwa Rechtsanwälte (RVG), Steuerberater (StBGebV), Architekten (AlHonO) sowie für die Privatliquidation von Ärzten (GOÄ) und Zahnärzten (GOZ) feste Höchst- oder Mindestsätze enthalten. Üblich ist die Vergütung, die an dem betreffenden Ort in gleichen oder ähnlichen Gewerben oder Berufen für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse gewöhnlich gewährt wird, maßgeblich ist also der vergleichbare Wirtschaftskreis (BAG NZA 04, 971 [BAG 24.03.2004 - 5 AZR 303/03]) nach den Umständen des Einzelfalls (BGH NJW-RR 90, 349 [BGH 24.10.1989 - X ZR 58/88]). Bei vorübergehendem Auslandseinsatz ist maßgeblich die dafür übliche Vergütung im Inland (BAG BB 11, 2748 [BAG 20.04.2011 - 5 AZR 171/10]). Voraussetzung für die Üblichkeit sind gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen (BGH NJW 01, 151). Es kann sich um feste Vergütung oder eine Vergütungsbandbreite handeln (zu § 632 II BGH NJW-RR 07, 57 [BGH 04.04.2006 - X ZR 80/05]; zu Anwaltshonoraren Hommerich/Kilian NJW 09, 1569). Im Arbeitsverhältnis wird häufig Tariflohn üblich sein, das schließt Abweichungen nicht aus (BAG NZA 95, 178 [BAG 14.06.1994 - 9 AZR 89/93]). II ergänzt nur Höhe der Vergütung, nicht aber sonstige Regelungen (zB Verfallklauseln, BAG NZA 91, 247 [BAG 26.09.1990 - 5 AZR 112/90]). Zuschläge für Überstunden sind nicht iSv II üblich. Für selbstständige Dienstleistungen und bei Organmitgliedern bedarf es der Feststellung im Einzelfall (BGH NJW 01, 151 [BGH 26.10.2000 - VII ZR 239/98]; vgl Lingemann BB 09, 1918 mwN). Lässt sich weder eine Taxe noch die übliche Vergütung ermitteln, kann die Höhe einseitig durch den Dienstleistenden (in den Grenzen von §§ 315 I, 316) bzw bei Unbilligkeit durch gerichtliches Urt (§ 315 III; BAG NZA 10, 808 [BAG 21.04.2010 - 10 AZR 163/09]) bestimmt werden.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge