Rn 3

Nach früherer Rspr, va des BGH, wirkt die Vermutung nur zeitlich mit dem Inhalt, dass der aufgetretene Mangel schon bei Gefahrübergang vorlag (BGH NJW 09, 580 Rz 14), der Käufer blieb daher beweispflichtig für die den Mangel begründenden Tatsachen, den Grundmangel (BGHZ 159, 215, 217 ff; 200, 1 Rz 18 ff). Im Anschluss an das Faber-Urteil des EuGH (NJW 15, 2237 Rz 72–75) hat der BGH im Urt v 12.10.16 die Norm grundlegend umgestaltet: Es reicht für die Anwendung der Vermutung, dass der Käufer einen ›mangelhaften Zustand (eine Mangelerscheinung)‹ nachweist (NJW 17, 1093 [BGH 12.10.2016 - VIII ZR 103/15] Rz 36 ff; 22, 686 Rz 72; 20, 2879 Rz 54; BeckRS 20, 15077 Rz 53; 20, 27257 Rz 27; NJW 21, 151 [BGH 09.09.2020 - VIII ZR 150/18] Rz 27; Hamm BeckRS 19, 7050 Rz 31): Dann wird der Mangel als Ursache vermutet. Dieses Verständnis spiegelt sich nunmehr im neuen Wortlaut von I 1, sodass es auf eine Auslegung idS nicht mehr ankommt und ein Zirkelschluss von vornherein vermieden wird (vgl BTDrs 19/27424, 44). Vermutet wird nach dem Wortlaut des § 477 I, dass ein Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Dies allein hilft dem Verbraucher nicht weiter, wenn er zur Geltendmachung seiner Rechte nach § 437 das Vorliegen eines Mangels zu einem anderen Zeitpunkt (insb dem Zeitpunkt der Beseitigung des Mangels) zu beweisen hat. Sofern dieser Zeitpunkt innerhalb der Frist des § 477 I liegt, der Käufer zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen für die Entstehung des Mängelrechts geschaffen und dieses ggü dem Verkäufer geltend gemacht hat, würde eine solch enge Auslegung jedoch zu Wertungswidersprüchen führen und den bezweckten Schutz des Verbrauchers unterlaufen. § 477 I ist daher jedenfalls in diesen Fällen eine ›Ausstrahlwirkung‹ beizumessen, wonach die Mangelhaftigkeit der Sache zu jedem Zeitpunkt innerhalb der Frist des § 477 I vermutet wird, sofern eine Mangelerscheinung nachgewiesen wurde (BGH NJW 22, 686 Rz 80 ff mit zust Anm Looschelders NJW 22, 659, 662; Staudinger jM 22, 232, 234). Außerdem ist § 477 I in der dargestellten Konstellation eine ›Fortwirkung‹ zu entnehmen, wonach auch zu einem Zeitpunkt außerhalb des in § 477 I genannten Zeitraums (insb dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung) der Nachweis des mangelhaften Zustands innerhalb des maßgeblichen Zeitraums ausreichend ist (BGH NJW 22, 686 [BGH 10.11.2021 - VIII ZR 187/20] Rz 87).

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