Rn 40

I lit d Alt 2 stellt klar, dass das Vertragsstatut die Verjährung (vgl BGHZ 153, 244, 248; Brandbg BauR 01, 820, 821; Köln ZIP 92, 1482, 1484; Karlsr IHR 04, 246, 250) und alle Folgen von Zeitablauf erfasst: zB in England estoppel (MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 115); in Deutschland die Verwirkung (Ddorf JahrbItalR 89, 125, 127; Frankf RIW 82, 914; MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 170 f: mit Mahnung zur Vorsicht, wenn der Gläubiger erkennbar auf der Grundlage einer verwirkungsfeindlichen Rechtsordnung handelte).

 

Rn 41

Vorrangiges einheitliches Sachrecht (s.o. Rn 3 zum CISG) regelt die Verjährung uU nur teilweise (so Art 39 CISG iVm Art 3 des ZustG zum CISG für Gewährleistungsansprüche), so dass Art 12 I lit c auch die Verjährung von CISG-Kaufpreisansprüchen erfasst (Zweibr IHR 02, 67, 69; MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 117 ff; Ferrari/Ferrari Rom I-VO Art 12 Rz 23).

 

Rn 42

I lit d Alt 2 qualifiziert die Verjährung materiellrechtlich: Ist ausländisches Recht Vertragsstatut, sind dessen Verjährungsregeln auch dann anzuwenden, wenn sie im fremden Prozess- und nicht im fremden Schuldrecht zu finden sind (so in den US-Rechtsordnungen, RGZ 145, 121, 126 ff; BGH NJW 60, 1720, 1721 [BGH 09.06.1960 - VIII ZR 109/59]; Hambg AWD 74, 561, 561 f; MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 121; Staud/Magnus Art 12 Rz 71; Kegel/Schurig 141 f). Der daraus ggf einhergehende Renvoi (eines amerikanischen Rechts) auf deutsches Prozessrecht ist nach Art 20 unbeachtlich. Beim Prozess im Ausland (USA) gelten indes aus Sicht der meisten US-Bundesstaaten auch bei deutschem Vertragsstatut die jeweiligen amerikanischen, dort prozessual qualifizierten (anderen) Fristen (s MAHIntWirtR/Brödermann § 6 Rz 602; Hay IPRax 89, 197 ff: unter Hinweis auf fallrechtliche und gesetzliche Einschränkungen; so auch Grüneberg/Thorn Art 12 Rz 8).

 

Rn 43

Das Vertragsstatut entscheidet nach Art 12 über alle Fragen im Zusammenhang mit der Verjährung: sowie der Hemmung der Verjährung und des Neubeginns oder der (Un-)Zulässigkeit der Verlängerung (§ 202 BGB). Dies schließt ggf ua die Entscheidung ein, ob eine (aus Sicht des Vertragsstatuts) ausländische Handlung (Anerkenntnis durch Teilzahlung; Mahnbescheid, Klage, Insolvenzanmeldung, Prozessaufrechnung, Streitverkündung, Beweissicherung) anstelle einer inländischen Handlung (Substitution) die Verjährung unterbricht oder zu einem Neubeginn führt (s iE zB MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 131 ff). Bei ausländischem Statut ist aus (fiktiver) ausländischer Sicht zu denken (MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 132; Staud/Peters § 204 BGB Rz 41). Bei deutschem Vertragsstatut war bereits zu Zeiten des alten Rechts (ex Art 32 EGBGB) insb str, ob das erstrebte Urt in Deutschland nach Art 45 Brüssel Ia (früher Art 34 EuGVO) bzw § 328 ZPO anerkennungsfähig sein muss (so zB RGZ 129, 385, 389; Ddorf NJW 78, 1752 [OLG Düsseldorf 09.12.1977 - 16 U 48/77]; eingehend mwN MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 136 ff). Die Regelung in § 204 I BGB, die auch die unzulässige Klage genügen lässt (s § 204 BGB Rn 11, Rn 21), streitet aus deutscher Sicht für eine materiellrechtliche Qualifikation der Prozesshandlung des Gläubigers, die nur den Willen zur Forderungsdurchsetzung erkennen lassen muss: Das Ergebnis des ausländischen Prozesses kann abgewartet werden, ggf ist binnen sechs Monaten (§ 204 II BGB) neu zu klagen (MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 143 ff; Ddorf RIW 89, 743, 743; Looschelders IPRax 98, 296, 300). Diese Wertung dürfte ihre Grenze beim Rechtsmissbrauch des Klägers finden: zB Beweissicherungsverfahren im Ausland trotz ausschließlicher inländischer internationaler Zuständigkeit (so iE – ohne Hinweis auf Rechtsmissbrauch – LG Hamburg IPRax 01, 45, 46: Umgehung einer ausschließlichen Zuständigkeitsvereinbarung; s.a. Spickhoff IPRax 01, 37, 40: Ein nur zur Verjährungsunterbrechung eingeleitetes Verfahren ist unzureichend). Die autonome Auslegung ist noch zu entwickeln.

 

Rn 44

Im Hinblick auf die umfassende Wirkung des Vertragstatuts auf die Verjährung ist bei einem (vorbehaltlich entstandener Rechte Dritter rückwirkenden) Statutenwechsel ggf sicherzustellen, dass bereits verjährte Ansprüche verjährt bleiben (s MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 128). Dabei ist auch die mögliche Wirkung auf akzessorisch angeknüpfte deliktische Ansprüche zu bedenken (aaO Rz 89). Ähnliche Sensibilität ist bei der Teilrechtswahl erforderlich (s Art 3 Rn 20 ff).

 

Rn 45

In Extremfällen (zB keine Verjährungshemmung während der Kriegs- und Nachkriegszeit, LG Bremen IPRspr 52/53 Nr 28 S 94; Verstoß von Art 134 III Schweizer OR gegen bilaterales Anerkennungs- und Vollstreckungsabk) kann eine Korrektur ausländischen Verjährungsrechts nach Art 6 EGBGB (ordre public) geboten sein (s mwN MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 124 f).

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