Gesetzestext

 

Die Anwendung einer Vorschrift des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts kann nur versagt werden, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist.

A. Einführung.

 

Rn 1

In Bezug auf die der ROM II unterliegenden Anknüpfungsgegenstände ist der ordre public (op) der mitgliedstaatlichen lex fori zu beachten, und zwar trotz der Formulierung ›kann‹ vAw (Leible RIW 08, 263). Die Formulierung des Art 26 ist identisch mit derjenigen der Vorbehaltsklauseln für vertragliche Schuldverhältnisse in Art 21 ROM I sowie scheidungs-, güterrechts-, unterhalts- und erbrechtliche Rechtsverhältnisse (Art 12 Rom III, Art 35 EuErbVO, Art 15 EuUntVO iVm Art 13 HaagUntProt, Art 31 EuGüVO u EuPartVO, m tw unerheblichen Abweichungen in der Wortwahl). Es wird jew verwiesen auf den op des Forumstaates. Der op ist betroffen, wenn die Nichtbeachtung einer im Forumstaat als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts zu einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zu der Rechtsordnung des betreffenden Staates führen würde (vgl EuGH Rs Krombach C-7/98 Rz 37 zur Urteilsanerkennung, s ausf Art 21 ROM I Rn 1). Bei hinreichendem Inlandsbezug des Falles (s Art 6 EGBGB Rn 15) erfolgt dann eine Korrektur des auf Grundlage des anwendbaren ausl Rechts gefundenen Ergebnisses. Prüfungsgegenstand ist nicht das ausl Recht als solches, sondern das konkrete Ergebnis seiner Anwendung in dem zu beurteilenden Fall (s Art 6 EGBGB Rn 14). Erw 32 stellt klar, dass das Eingreifen der Vorbehaltsklausel ›außergewöhnliche Umstände‹ erfordert.

B. Maßstab und Korrektur.

 

Rn 2

Vor deutschen Gerichten gelten, da maßgebend das nationale Recht ist, weiterhin die allg Maßstäbe des Art 6 EGBGB (wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts, namentlich die Grundrechte, für Beispiele s dort Rn 19–21, zuletzt unter Anwendung von Art 26 ROM II zB Hamm NJW 19, 3527 das op-Widrigkeit kurzer pakistanischer Verjährung verneint) sowie die speziellen der autonomen deliktischen Vorbehaltsklausel des Art 40 III EGBGB (s Art 40 EGBGB Rn 20). Die nationalen Grundsätze können autonomen oder unionsrechtlichen Ursprungs sein (dazu s Art 6 EGBGB Rn 10 f) oder auch Staatsverträgen, namentlich der EMRK, entstammen (zu europarechtlichen Grenzen der Berufung auf den nationalen op Staudinger AnwBl 08, 15).

 

Rn 3

Vor deutschen Gerichten begrenzt die Konkretisierung des Art 26 ROM II durch Art 40 III Nr 1 und 2 EGBGB Schadensersatzansprüche von Zweck und Höhe her auf eine angemessene Entschädigung des Verletzten: Ist Schadensersatz nach dem Common Law eines US-Bundesstaates zu gewähren, so sind die einzelnen Schadenspositionen getrennt zu betrachten und ggf (oberhalb des deutschen Niveaus, vgl Grüneberg/Thorn Art 40 EGBGB Rz 15) zu kappen. Punitive Damages sind gar nicht zuzusprechen (ausf BGHZ 118, 312 iRd Urteilanerkennung); sie dienen niemals der Prozesskostenerstattung und auch sonst keinen kompensatorischen Zwecken (Mörsdorf-Schulte Funktion und Dogmatik US-amerikanischer punitive damages, 99, S 100, 102 Fn 104 u S 112). Auch die englischen Exemplary Damages verstoßen jedenfalls gegen den deutschen op (G Wagner IPRax 06, 388; Mörsdorf-Schulte ZVglRWiss 05, 209 ff). Bei gesetzlichen Multiple Damages US-amerikanischen Rechts kommt es darauf an, inwieweit sie der Schadenspauschalierung dienen und inwieweit der bloßen Sanktionierung von Fehlverhalten; soweit Gewinnabschöpfung bezweckt ist, sind sie dem Verdikt des Art 40 III EGBGB schon wegen ihrer bereicherungsrechtlichen Natur entzogen.

 

Rn 4

Art 40 III Nr 3 EGBGB kann iRv Art 26 allenfalls insoweit die Beachtung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands auf dem Gebiet des Haftungsrechts (Bsp s Art 40 EGBGB Rn 20) durchsetzen, als die staatsvertraglichen Haftungsregelungen so gewichtig sind, dass sie dem op zugerechnet werden können, wofür die zusätzliche Bedeutung, die sie durch die internationale Bindung erlangen, nicht per se ausreicht (ähnl schon bei direkter Anwendung des Art 40 III EGBGB die ebda Rn 20 aE zitierten LitStimmen). Da Art 26 eine ›offensichtliche Unvereinbarkeit‹ fordert, sind geringfügige Abweichungen auch ggü den grundlegenderen unter den völkerrechtlich gesetzten Haftungsregelungen hinzunehmen. Den Vorrang staatsvertraglichen Kollisionsrechts regelt Art 28.

 

Rn 5

Nach Art 26 ist auch die Korrektur einer völlig unzureichenden Entschädigung oder des Ergebnisses von wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts zuwider laufendem ausl Bereicherungsrecht oder Recht der GoA oder der cic denkbar.

C. Inlandsbezug.

 

Rn 6

Eine Korrektur wegen Verstoßes gegen den op setzt grds Inlandsbezug voraus (ebenso Grüneberg/Thorn Rz 3). Ist ein autonomer Grundsatz verletzt, so bedarf es eines Bezuges zum Forumstaat, ist ein unionsrechtlicher Grundsatz verletzt, so reicht der Bezug des Falles zu einem beliebigen EU-Mitgliedstaat (s Art 21 ROM I Rn 4; Art 6 EGBGB Rn 16, zur Frage eines europäischen op Art 6 EGBGB Rn 10). Diese Erweiterung des Inlandsbegriffes folgt auch aus dem Gebot der Gemeinschaftstreue...

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