Rn 13

Diese besteht bei I in einer ›schwerwiegenden Veränderung‹ nach Vertragsschluss und bei II darin, dass sich ›wesentliche Vorstellungen‹ als falsch herausstellen. Die Zusätze ›schwerwiegend‹ und ›wesentlich‹ bedeuten, dass nicht jede Veränderung genügt. Vielmehr muss sie dazu führen, dass der benachteiligten Partei ›das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann‹ (I aE). Die Rechtserheblichkeit der Störung wird also nach der Zumutbarkeit ihrer Folgen beurteilt. Die Änderung muss derart einschneidend sein, dass ›ein Festhalten an der ursprünglichen Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen würde‹ (stRspr, vgl BGHZ 121, 378, 393; BGH NJW 10, 1874, 1877 mwN). Eine drohende Existenzvernichtung ist dafür aber weder nötig noch allemal ausreichend (Medicus/Petersen AT Rz 871). Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie können für zahlreiche Verträge eine Grundlagenstörung bewirken (Behme ZfPW 20, 257; zu den COVID-19-Prinzipien des European Law Institute Wagner ZEuP 20, 531); so im Vertriebsrecht (Emde ZVertriebsR 20, 138; Thume BB 20, 1419), bei Lieferverträgen (Otte-Gräbener GWR 20, 147; Wagner/Holtz/Dötsch BB 20, 845) oder bei Beherbergungsverträgen (Köln MDR 21, 1121 [OLG Köln 14.05.2021 - 1 U 9/21] Rz 31 ff). Anders soll es bei Chefarztverträgen sein (Bender NZA 20, 1517), bei Fitnessstudioverträgen (Köhler ZJS 21, 108) oder bei Beförderungsverträgen im Zusammenhang mit Ausgagangssperren (Meier/Ehmer NJOZ 21, 737); zu Miete und Pacht s Rn 16. Das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruchs aufgrund der COVID-19-Pandemie kann Auswirkungen auf die Zumutbarkeit haben (Scholz NJW 20, 2209); ebenso gesetzlich ermöglichte Kompensationsleistungen des Vertragspartners (für Ticketverkauf BGH MDR 22, 1079 [BGH 13.07.2022 - VIII ZR 329/21] Rz 50 ff; NJW 22, 2830 [BGH 13.07.2022 - VIII ZR 317/21] Rz 67 ff: Angebot von Wertgutscheinen nach Art 240 § 5 EGBGB lässt Festhalten am Vertrag zumutbar erscheinen). Die Geschäftsgrundlage kann gestört sein, wenn die Vertragsdurchführung aufgrund behördlicher Verbote unmöglich geworden ist (vgl etwa Karlsr NJW 92, 3176: Verbot von Faschingsumzügen während des Golfkriegs; s.a. Rn 33).

 

Rn 14

Für die Zumutbarkeit spielt die Vorhersehbarkeit der Störung eine Rolle: Je eher diese zu bejahen ist, umso weniger lässt sich Unzumutbarkeit annehmen. Das gilt insb für erkennbar riskante Geschäfte. So ist die Geschäftsgrundlage idR nicht gestört, wenn beim Kauf einer erst zum Patent angemeldeten Erfindung das Patent später nicht erteilt wird oder nachträglich wegfällt (BGHZ 83, 283, 288). Der Käufer von Bauerwartungsland muss idR (doch vgl BGHZ 74, 370) hinnehmen, dass die Bebauung nicht erlaubt wird (BGHZ 101, 143, 152). Die Erhöhung der zulässigen Nutzung eines Erbbaugrundstücks führt nur dann zu einer Störung des Äquivalenzverhältnisses in einem Erbbaurechtsvertrag, wenn sich die Erweiterungsmöglichkeit in einem von den Parteien nicht vorhersehbaren Umfang erhöht (BGH NJW 14, 3439 [BGH 17.07.2014 - III ZR 218/13]). Auch die Erwartung des Bürgen, nicht in Anspruch genommen zu werden, wird durch § 313 nicht geschützt (BGHZ 104, 240, 242). Das gilt selbst dann, wenn der Grund für die Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners unvorhersehbar war (BGH aaO). Wegen der bekannten Unbeständigkeit der Steuergesetzgebung kommt eine steuerliche Änderung nur dann als Grundlagenstörung in Betracht, wenn sich die beiderseitige Erwartung des Fortbestandes aus den Verhandlungen ergibt (BGH NJW 67, 1081 [BGH 23.01.1967 - II ZR 166/65]). Für die Vorhersehbarkeit von Leistungshindernissen wegen der COVID-19-Pandemie könnte auf den Stichtag nach Art 240 § 1 EGBGB abgestellt werden (Bacher MDR 20, 514, 518).

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