Leitsatz (amtlich)

1. Müssen vor Ausbruch der Covid19-Pandemie gebuchte Hotelzimmer pandemiebedingt storniert werden, kann dies eine hälftige Teilung der Buchungskosten rechtfertigen.

2. Zur Störung der Geschäftsgrundlage.

 

Normenkette

BGB §§ 275, 313 Abs. 1, §§ 326, 537

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 86 O 21/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. Oktober 2020 - 86 O 21/20 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.230,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Juni 2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und zweiter Instanz tragen die Klägerin 84% und die Beklagte 16%.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. 1. Die Klägerin ist die deutsche Vertriebsgesellschaft eines taiwanesischen Fitness Konzerns. Die Beklagte führt einen Hotelbetrieb. Anlässlich der im April 2020 geplanten Messe A in B bat die Klägerin die Beklagte am 11. April 2019 um ein Angebot für eine Gruppenreservierung in einem ihrer B Hotels. Sie wünschte sich bessere Stornierungskonditionen als bei einem anderen Hotel. Nach längerem E-Mail-Verkehr bestätigte die Beklagte der Klägerin am 11. Oktober 2019 folgende Stornierungsbedingungen:

"Wie soeben telefonisch besprochen habe ich nochmal Rücksprache gehalten bezüglich einer Stornostaffel. Ich konnte ausnahmsweise für Ihre Gruppe noch eine Staffel für 3 Zimmer pro Nacht bis 02.03.2020 einbauen. Anbei der angepasste Vertrag."

Die Klägerin reservierte hierauf für den Zeitraum vom 1. April bis 3. April 2020 jeweils 15 Komfort-Doppelzimmer zum Preis von EUR 447,00 je Zimmer und Nacht einschließlich Frühstück sowie eine Komfort-Suite zum Preis von EUR 683,00 je Nacht einschließlich Frühstück für die Zeit vom 1. April bis 4. April 2020. Die Zimmer waren für Mitarbeiter des Konzerns aus Taiwan bestimmt, die an der A teilnehmen wollten. Nach der getroffenen Vereinbarung konnten alle Zimmer kostenfrei bis zum 2. Januar 2020 storniert werden. Bis zu drei Zimmer konnten bis zum 2. März 2020 frei storniert werden. Spätere Stornierungen lösten eine Service-Gebühr in Höhe von 90% des ursprünglichen Zimmerpreises aus. Für die weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlagen verwiesen. Auf Anforderung der Beklagten leistete die Klägerin eine Vorauszahlung in Höhe von EUR 22.847,00. Dies entsprach dem vollen Preis.

Ende Februar 2020 wurde die Messe A wegen der sich weltweit ausbreitenden Pandemie SARS-CoV-2 abgesagt. Die Klägerin stornierte am 2. März 2020 alle bei der Beklagten gebuchten Zimmer. Mitte März 2020 gab die EU-Kommission eine Empfehlung an die EU-Länder, eine Einreise aus Drittländern für 30 Tage zu beschränken. Mit Wirkung ab 19. März 2020 verbot die Stadt B den Betrieb von Hotels oder sonstigen Beherbergungsstätten. Kurz darauf erließ das Land Nordrhein-Westfalen die CoronaSchVO. Nach § 8 der VO durften Hotels keine Touristen mehr beherbergen. Das Verbot der Stadt B wurde Anfang April wieder aufgehoben, wobei der genaue Zeitpunkt streitig ist. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Rückerstattung der geleisteten Vorauszahlung in voller Höhe. Die Beklagte verweigerte dies. Sie bot der Klägerin an, statt der vorgesehenen Rückerstattung von 10 %, den vollen Betrag einzubehalten und ihr für die Reservierung des Ausweichtermins der A im Oktober 2020 einen Rabatt in Höhe von 20 % zu gewähren. Dies lehnte die Klägerin ab. Am 25. Mai 2020 überwies die Beklagte der Klägerin von der geleisteten Vorauszahlung in Höhe von EUR 22.847,00 in Anwendung der vereinbarten Stornierungsbedingungen einen Betrag in Höhe von EUR 9.193,10 zurück.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung der restlichen Vorauszahlung. Sie hat behauptet, es gebe eine Verknüpfung zwischen der Höhe der Hotelzimmerpreise der Beklagten und der Messe. Dies habe die Beklagte zum einen mit ihren Buchungsbedingungen und zum anderen mit ihrer Ermäßigung des Zimmerpreises nach Absage der Messe gezeigt. Mit der Absage der Messe sei daher der Grund für den hohen Preis der Stornierungsgebühr weggefallen. Unabhängig davon sei der Beklagten wegen der verschiedenen Betriebsuntersagungen eine Vermietung nicht möglich gewesen. Die taiwanesischen Mitarbeiter der Klägerin hätten deswegen nicht im Hotel der Beklagten übernachten dürfen. Die Allgemeinverfügung der Stadt B sei erst mit Wirkung zum 4. April 2020 aufgehoben worden. Zudem wäre die Reise nicht mehr geschäftlich, sondern lediglich zu touristischen Zwecken erfolgt. Sie sei daher von der Stornozahlung befreit. Zudem blieben der Beklagten bei einer Stornierung mehr Aufwendungen als 10% des Buchungspreises erspart. Die Gebühr sei daher unangemessen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von EUR 13.653,90 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten ü...

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