Rn 31

Schenkungen bleiben nach der Ausschlussfrist grds vollständig unberücksichtigt, wenn seit der Leistung bis zum Erbfall 10 Jahre vergangen sind (III 2). Für Erbfälle seit dem 1.1.10 (Art 229 § 21 IV EGBGB) gilt zudem, dass die Schenkung pro bis zum Erbfall abgelaufenen Jahr ¹/10 weniger berücksichtigt und insoweit der Schuldner (Erbe oder Beschenkte) zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten bessergestellt wird (III 1). Diese Ausschlussfrist ist vAw zu beachten (Damrau/Riedel Rz 84). Bsp: Starb der Erblasser am 1.5.10 und erfolgte die Schenkung am 1.4.09, wird sie zu 9/10 berücksichtigt. Diese Abschmelzungslösung eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten, auch wenn der Erblasser keine 10 Jahre Lebenserwartung hat (s.a. Trappe ZEV 10, 388 ff). Maßgeblicher Schenkungszeitpunkt ist der Eintritt des Leistungserfolgs (BGH NJW 88, 821, 822 [BGH 02.12.1987 - IVa ZR 149/86]; BeckOKBGB/Müller Rz 43; MüKo/Lange Rz 59; m Bsp Schindler ZEV 05, 290 ff). Dabei kommt es grds auf den rechtlichen Erfolg an. Bei beweglichen Gegenständen beginnt die Frist mit Vollendung des Eigentumsübergangs. Bei Grundstücken kommt es auf die Umschreibung (§ 873 I) an (BGH NJW 16, 2957 Rz 8; 88, 821; 11, 3082, 3083 [anders bei § 529 I Alt 2]; aA Behmer FamRZ 99, 1254). Der BGH verlangt zusätzlich, dass der Erblasser einen Zustand geschaffen hat, dessen Folgen er noch 10 Jahre zu tragen hat und die ihn von böslichen Schenkungen abhalten; das Geschenk muss wirtschaftlich aus seinem Vermögen ausgegliedert sein (BGH NJW 16, 2957 Rz 9, 15; 87, 122, 124; krit BeckOKBGB/Müller Rz 43, die eine umfassende Abwägung verlangt). Der Erblasser muss darauf verzichtet haben, einen Gegenstand im Wesentlichen weiter zu nutzen. Daran fehlt es, wenn er sich bei einem verschenkten Grundstück uneingeschränkt den Nießbrauch an ihm vorbehält. Denn in einem solchen Fall muss er den Genuss des verschenkten Gegenstands nicht tatsächlich entbehren (BGH NJW 94, 1791; Schlesw SchlHA 97, 11). Die Frist beginnt daher nicht beim Vorbehalt eines umfassenden Nutzungsrechts (München NJW-RR 22, 1164 [OLG München 08.07.2022 - 33 U 5525/21] Rz 21; ZEV 08, 480 [OLG München 25.06.2008 - 20 U 2205/08]), der unentgeltlichen Rückübereignung (Ddorf ZEV 08, 525 f [OLG Düsseldorf 11.04.2008 - 7 U 70/07]; aA Grünewald/Weidlich Rz 28) oder des (freien) Widerrufs der Schenkung (Weidlich aaO; aA Damrau/Riedel Rz 93; Staud/Olshausen Rz 59), wohl aber beim Vorbehalt eines Wohnrechts nur an etwa ⅓ der Wohnfläche sowie eines Mitbenutzungsrechts an einigen weiteren Räumen (BGH NJW 16, 2957 [BGH 29.06.2016 - IV ZR 474/15] Rz 16; Bremen NJW 05, 1726 [OLG Bremen 25.02.2005 - 4 U 61/04]; Celle NotBZ 03, 475 [OLG Celle 27.05.2003 - 6 U 236/02]; s.a. Oldbg ZEV 06, 80 [OLG Oldenburg 14.11.2005 - 5 W 223/05]; Karlsr NJW-RR 08, 601 [OLG Karlsruhe 15.01.2008 - 12 U 124/07]).

 

Rn 32

Bei Schenkungen an den Ehegatten des Schenkers beginnt nach dem verfassungsgemäßen (BVerfG NJW 19, 1434 [BVerfG 26.11.2018 - 1 BvR 1511/14] Rz 14) III 3 die Frist nicht vor Auflösung der Ehe, also bei Scheidung (§ 1564) mit Rechtskraft des Urt. Bei Auflösung durch Tod beginnt die Ausschlussfrist gar nicht. III 2 ist auf Partner einer Lebenspartnerschaft entspr anwendbar (§ 10 VI 2 LPartG; MüKo/Lange Rz 67; Leipold ZEV 01, 218), nicht aber auf Verlobte (Ddorf NJW 96, 3156; Staud/Olshausen Rz 16; Grünewald/Weidlich Rz 29; aA Zweibr FamRZ 94, 1492; Celle ORGR 98, 361) oder nichteheliche Lebensgemeinschaften (BeckOKBGB/Müller Rz 54; MüKo/Lange Rz 67).

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