Gesetzestext

 

(1) Hat der Erblasser den Gegenstand eines vertragsmäßig angeordneten Vermächtnisses in der Absicht, den Bedachten zu beeinträchtigen, zerstört, beiseite geschafft oder beschädigt, so tritt, soweit der Erbe dadurch außer Stande gesetzt ist, die Leistung zu bewirken, an die Stelle des Gegenstands der Wert.

(2) 1Hat der Erblasser den Gegenstand in der Absicht, den Bedachten zu beeinträchtigen, veräußert oder belastet, so ist der Erbe verpflichtet, dem Bedachten den Gegenstand zu verschaffen oder die Belastung zu beseitigen; auf diese Verpflichtung findet die Vorschrift des § 2170 Abs. 2 entsprechende Anwendung. 2Ist die Veräußerung oder die Belastung schenkweise erfolgt, so steht dem Bedachten, soweit er Ersatz nicht von dem Erben erlangen kann, der im § 2287 bestimmte Anspruch gegen den Beschenkten zu.

A. Zweck.

 

Rn 1

I schützt den vertraglich bindend bedachten Vermächtnisnehmer vor tatsächlichen Beeinträchtigungen des Erblassers, indem er gegen den Erben Verschaffungs- bzw Wertersatzansprüche gewährt: Ein Vermächtnis, das kein Verschaffungsvermächtnis (§ 2170) ist, wird wegen I nicht unwirksam, wenn der vermachte Gegenstand aus dem Nachlass ausscheidet (s § 2169 I, s.a. §§ 2265, 2171). Die erbvertragliche Bindung wird nicht beseitigt (Prot V, 404); zum Wertersatz beim Forderungsvermächtnis vgl § 2173. II schützt vor Beeinträchtigungen durch grds wirksame (BGH NJW 58, 547) Veräußerungen oder Belastungen des vermachten Gegenstandes. Bei schenkweiser Veräußerung oder Belastung kommt nachrangig ein Herausgabeanspruch gegen den Beschenkten gem §§ 2288 II 2, 2287 in Betracht. § 2288 kann im Erbvertrag ausgeschlossen werden. Dieses ist ggf durch Auslegung festzustellen (Köln ZEV 03, 76 [OLG Köln 25.10.2001 - 18 U 99/01]).

 

Rn 2

Auf gemeinschaftliche Testamente ist § 2288 entspr anwendbar.

B. Vertragsmäßig angeordnetes Vermächtnis.

 

Rn 3

Das Vermächtnis berechtigt den vertragsmäßig wirksam Bedachten, vom Erben die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern (§ 2174). Diese Forderung fällt ihm mit dem Erbfall (§§ 1922 I), dem Tod des Erblassers, an (§ 2177). § 2288 ist nicht auf Stückvermächtnisse beschränkt, sondern erfasst auch Geld- oder Verschaffungsvermächtnisse (BGH NJW 90, 2063 [BGH 04.04.1990 - IV ZR 344/88]).

C. Beeinträchtigungshandlungen.

 

Rn 4

Neben den vom G in I genannten tatsächlichen Handlungen, die das Vermögen des Erblassers mindern, sind auch Verbrauch, Verarbeitung, Verbindung oder Vermischung durch Handlungen des Erblassers eingeschlossen (BGH NJW 94, 317 [BGH 03.11.1993 - IV ZR 36/93]). Zur ordnungsgemäßen Verwaltung oder zum Erhalt des Gegenstandes ist er aber nicht verpflichtet (BGH aaO). In der Lit wird eine Beschädigung durch Unterlassen für möglich erachtet (MüKo/Musielak Rz 2; Siegmann ZEV 94, 38, 39; zu Recht aA NK/Seiler Rz 10). II erfasst die entgeltliche oder schenkweise Veräußerung oder Belastung des Gegenstandes (Kobl FamRZ 05, 1280, 1281). Verpflichtet sich der Erblasser in Beeinträchtigungsabsicht zur Veräußerung des Gegenstandes, bleibt das Vermächtnis entgegen § 2169 IV wirksam (BGH NJW 59, 2252, 2253 f [BGH 30.09.1959 - V ZR 66/58]).

D. Beeinträchtigungsabsicht.

 

Rn 5

Vgl § 2287 Rn 8 f. Sie wird vermutet, verfügt der Erblasser in dem Bewusstsein, dem Vermächtnis die Grundlage zu nehmen (BGH NJW 84, 731, 732). Lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers kann § 2288 aber entgegenstehen (BGH aaO; BGH NJW-RR 98, 577, 578 [BGH 17.12.1997 - IV ZR 138/96]). Es liegt vor, wenn es sich gerade auf Veräußerung des vermachten Gegenstandes richtet und der anerkennenswerte Zweck nicht anders erreichbar ist (BGH NJW 84, 731 [BGH 23.11.1983 - IVa ZR 230/81]).

E. Rechtsfolge.

 

Rn 6

Der Anspruch geht gegen den Erben bzw die Erbengemeinschaft (BGH NJW 58, 547), und zwar auf Wiederherstellung oder -beschaffung (I), ist sie unmöglich, auf Ersatz des Verkehrswerts bei Vermächtnisanfall (§ 2176). Nach II ist dem Vermächtnisnehmer unabhängig davon, ob er beschwert ist, der Gegenstand zu verschaffen oder die Belastung zu beseitigen. Ist dies unmöglich, ist Wertersatz (§ 2170 II 1) zu leisten. Bei schenkweiser Verfügung oder Belastung steht dem Bedachten nach II 2 subsidiär gegen den Beschenkten über § 2287 I ein Herausgabeanspruch nach §§ 818–822 zu (vgl BGH NJW 90, 2063 [BGH 04.04.1990 - IV ZR 344/88]).

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