Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermächtnis

 

Leitsatz (amtlich)

Der Vermächtnisnehmer hat keinen Anspruch gegen den Erben auf Wertersatz aus § 2288 I BGB wegen Zerstörung oder Beschädigung des im Erbvertrag vermachten Hausgrundstücks, wenn dessen Schäden allein darauf beruhen, daß der Erblasser das Objekt zu seinen Lebzeiten nicht instand gehalten hat.

 

Normenkette

BGB § 2288 Abs. 1

 

Tatbestand

Dem Kläger ist durch Erbvertrag mit seiner Tante und ihrem Ehemann vom 17. Februar 1956, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben, nach dem Tode des Längstlebenden und für den Fall, daß aus der Ehe keine Kinder hervorgehen, ein der Tante gehörendes Hausgrundstück mit einem Metzgereibetrieb vermacht worden. Als letzter der Ehegatten, die ohne Nachkommen geblieben sind, starb am 6. Juli 1988 der Ehemann (im folgenden: Erblasser). Er wurde aufgrund gesetzlicher Erbfolge von den Beklagten beerbt.

Der Kläger hatte die Metzgerei bereits seit 1. April 1971 gepachtet. In Erfüllung des Vermächtnisses wurde ihm mit Vertrag vom 26. August 1988 das Haus übertragen. Er hat Zahlung von 186. 500 DM für die Renovierung des Hauses und insbesondere des überalteten Metzgereibetriebes verlangt. Der Erblasser sei zu einer Instandhaltung nicht bereit gewesen; deshalb seien Haus und Betrieb in einen desolaten Zustand geraten. Soweit sich der Kläger in der Revisionsinstanz nur noch auf § 2288 Abs. 1 BGB stützt, bestreiten die Beklagten eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers, halten die Vorschrift aber schon deshalb nicht für anwendbar, weil der Erblasser den Gegenstand des Vermächtnisses nicht durch aktives Tun beschädigt habe, sondern nur untätig geblieben sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, die nur in Höhe eines Teilbetrages von 1. 865 DM durchgeführt worden ist, blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, mit der der Kläger seinen Berufungsantrag weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts greift § 2288 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht ein, und zwar unabhängig davon, ob der Erblasser in Beeinträchtigungsabsicht gehandelt hat. Die Bestimmung solle den Vermächtnisnehmer nur davor schützen, daß der Erblasser das Vermächtnis aktiv und böswillig vereitele. Den vermachten Gegenstand habe der Kläger aber erhalten. Das Haus und seine Einrichtungen seien vom Erblasser weder zerstört noch beschädigt worden. Mangels anderweitiger Bestimmungen im Erbvertrag sei der Erblasser nicht verpflichtet, sein übriges Vermögen für den Erhalt des vermachten Gegenstands einzusetzen. Deshalb könne sein Unterlassen nicht einer aktiven Beschädigung der Sache gleichgestellt werden.

Dem hält die Revision entgegen, im Ergebnis mache es keinen Unterschied, ob der Erblasser den Gegenstand des Vermächtnisses aktiv beschädige oder bewußt verfallen lasse. § 2288 BGB wolle den Vermächtnisnehmer umfassend schützen; die Vorschrift sei zum Beispiel auch beim Untergang des vermachten Gegenstands durch Verbrauch anzuwenden. Der Erbvertrag verpflichte den Erblasser gemäß § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt der Vertragstreue, alles zu unterlassen, was den vereinbarten Erfolg beeinträchtige. Deshalb sei der Erblasser zumindest zu den notwendigen Verwendungen verpflichtet, die ein um seine Habe besorgter Grundstückseigentümer zur Erhaltung des Gebäudes vornehmen würde.

2.

Mit Recht hat das Berufungsgericht die Anwendung, von § 2288 Abs. 1 BGB nicht auf Beeinträchtigungen des vermachten Gegenstandes erstreckt, die allein darauf beruhen, daß der Erblasser das Haus nicht instand gehalten und insbesondere die Einrichtungen des Metzgereibetriebes nicht den modernen Anforderungen angepaßt hat.

a)

§ 2288 Abs. 1 BGB schützt den erbvertraglich bedachten Vermächtnisnehmer auch vor Beeinträchtigungen rein tatsächlicher Art. Anders als der durch § 2287 BGB geschützte Vertragserbe bedarf der im Erbvertrag bindend bestimmte Vermächtnisnehmer dieses Schutzes, weil das Vermächtnis eines beim Erbfall nicht zur Erbschaft gehörenden Gegenstands, wenn er nach dem Willen des Erblassers nicht auch für diesen Fall dem Bedachten verschafft werden soll, gemäß § 2169 Abs. 1 BGB unwirksam ist (vgl. auch §§ 2165, 2171 BGB). Um zu verhindern, daß sich der Erblasser etwa durch Zerstörung des vermachten Gegenstandes der erbvertraglichen Bindung entzieht, erweitert § 2288 Abs. 1 BGB die gemäß § 2279 Abs. 1 BGB auch für vertragsmäßig angeordnete Vermächtnisse geltenden Pflichten aus §§ 2147ff. BGB (Protokolle Bd. V S. 404; MK/Musielak, BGB 2. Aufl. § 2288 Rdn. 1; Staudinger/Kanzleiter, BGB 12. Aufl. § 2288 Rdn. 1; Soergel/Manfred Wolf, BGB 12. Aufl. § 2288 Rdn. 1).

b)

Andererseits wird der Erblasser durch den Erbvertrag grundsätzlich nur von Todes wegen gebunden. Als Erbschaft bezeichnet das Gesetz in § 1922 BGB das beim Tode vorhandene Vermögen. Damit beschränkt sich die durch den Erbvertrag begründete Bindung gegenständlich auf dasjenige Vermögen, das der Erblasser bei seinem Tod hinterläßt. Er kann daher unter Lebenden nicht nur gemäß § 2286 BGB dinglich wirksam über den Zuwendungsgegenstand verfügen, sondern ist auch nicht verpflichtet, ihn für den Vermächtnisnehmer ordnungsmäßig zu verwalten oder überhaupt zu erhalten (BGHZ 31, 13, 15ff., insbesondere 21). Im Hinblick auf diesen Grundsatz der lebzeitigen Entschließungsfreiheit des Erblassers ist § 2288 BGB als Ausnahmeregelung zwar seinem Sinne entsprechend, aber eng auszulegen (BGHZ 31, 13, 23 in bezug auf § 2288 Abs. 2 Satz 1 BGB).

c)

Es ist regelmäßig nicht der Sinn eines erbvertraglichen Vermächtnisses - insbesondere eines Hausgrundstücks mit einem Geschäftsbetrieb -, das Objekt unabhängig vom Interesse des Erblassers durch zusätzliche Aufwendungen zu seinen Lebzeiten zugunsten des Vermächtnisnehmers zu erhalten oder es sogar den im Laufe der Zeit gestiegenen Anforderungen des Geschäftsverkehrs anzupassen. Anders mag es sein, wenn der Erblasser dem Beschwerten von Todes wegen die Pflicht auferlegt, dem Vermächtnisnehmer die zu Lebzeiten des Erblassers verlorengegangenen Werte zu verschaffen. Der Erblasser kann sich auch über das Vermächtnis hinaus im Erbvertrag zusätzlich selbst verpflichten, den Gegenstand des Vermächtnisses zu seinen Lebzeiten instand zu halten. Im vorliegenden Fall ist der Erbvertrag aber weder im Sinne eines Verschaffungsvermächtnisses noch einer lebzeitigen Verpflichtung des Erblassers zu verstehen.

Bei dieser Sachlage hat auch der erbvertraglich bedachte Vermächtnisnehmer Anspruch auf die vermachte Sache nur in dem Zustand, in dem sie sich bei unbeeinflußter Entwicklung im Zeitpunkt des Erbfalls befindet. Zuvor steht ihm weder ein künftiger Anspruch noch eine rechtlich gesicherte Anwartschaft zu (BGH, Urteil vom 8. Februar 1957 - IV ZR 216/56 - LM BGB § 2288 Nr. 2; BGHZ 12, 115, 118).

Daß § 2288 Abs. 1 BGB daran etwas ändern wollte, ist nicht ersichtlich. Die vom Gesetz aufgezählten Handlungsweisen (zerstören, beiseite schaffen, beschädigen) setzen ein Eingreifen des Erblassers voraus, das auf die willkürliche Verringerung oder Vernichtung des Wertes der vermachten Sache gerichtet ist. Die Vorschrift ist daher ihrem Sinne nach auch anzuwenden, wenn die Sache durch Verarbeitung, Verbindung, Vermischung oder Verbrauch untergeht oder im Wert gemindert wird (Soergel/Manfred Wolf, aaO § 2288 Rdn. 2; MK/Musielak, aaO § 2288 Rdn. 2; Staudinger/Kanzleiter, aaO § 2288 Rdn. 8). Von dem so gekennzeichneten Anwendungsbereich wird die Unterlassung von Instandhaltungsmaßnahmen, mag ihr im Einzelfall auch eine Beeinträchtigungsabsicht zugrunde liegen, nicht umfaßt. Wie das Landgericht mit Recht hervorgehoben hat, würde eine Erstreckung auf unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen schwierige Abgrenzungen erforderlich machen, zu welchen Aufwendungen der Erblasser im einzelnen verpflichtet ist. Der Gesetzgeber hat dafür keinen Maßstab vorgegeben. Auch das zeigt, daß er § 2288 Abs. 1 BGB nicht auf Fälle unterlassener Instandhaltung angewandt wissen wollte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456047

BGHZ, 35

NJW 1994, 317

DNotZ 1994, 386

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