Gesetzestext

 

Die Verjährung schließt die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte.

A. Aufrechnung.

 

Rn 1

Die Aufrechnung bleibt auch mit einer verjährten Forderung möglich, soweit die Aufrechnungslage bereits zu einem Zeitpunkt bestanden hat, als die zur Aufrechnung gestellte Forderung noch nicht verjährt war. § 215 macht entbehrlich, dass der durch die Aufrechnungslage geschützte Gläubiger seine Forderung durchsetzen muss, um ihre Verjährung zu verhindern. Auf eine erst nach Verjährungseintritt entstandene Aufrechnungslage ist § 215 folglich nicht anwendbar. Die Gegenforderung muss nur erfüllbar (BGH NJW 12, 445 [BGH 08.11.2011 - XI ZR 341/10] Rz 11 ff; Hamm MDR 12, 451 [OLG Hamm 13.02.2012 - I-5 U 113/11]: je zu § 488 I 2), nicht fällig sein (§ 387 Rn 18). Die Aufrechnung wird auch nicht dadurch gehindert, dass eine Klage aus der Forderung wegen Verjährung rechtskräftig abgewiesen wurde (BGH WM 71, 1366, 1367).

B. Zurückbehaltungsrecht.

 

Rn 2

Parallel zur Aufrechnung sieht § 215 auch für das Zurückbehaltungsrecht die Möglichkeit der Geltendmachung noch dann vor, wenn die Forderung zwischenzeitlich verjährt ist, das Zurückbehaltungsrecht aber bereits zu einem Zeitpunkt, als die Verjährung noch nicht eingetreten war, hätte geltend gemacht werden können (sog ›Vorwirkung‹; München NJW 12, 1518, 1519 [OLG München 06.12.2011 - 9 U 424/11 Bau]). Dass eine Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht vor Verjährungseintritt tatsächlich stattgefunden hat, ist nicht erforderlich (BGH NJW 16, 52 [BGH 05.11.2015 - VII ZR 144/14] Rz 11), ebenso wenig, dass die Leistung des Zurückbehaltenden fällig war (BGH NJW 06, 2773 [BGH 19.05.2006 - V ZR 40/05]). Die Regelung gilt sowohl für das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 wie auch für die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 I (§ 194 Rn 6; BGH NJW 20, 2270 [BGH 28.05.2020 - VII ZR 108/19] Rz 22).

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