Gesetzestext

 

(1) 1Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist. 2Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. 3Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte.

(2) Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Verlobten bedacht hat, ist unwirksam, wenn das Verlöbnis vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist.

(3) Die Verfügung ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde.

 

Rn 1

Die Auflösung einer Ehe oder eines Verlöbnisses anders als durch Tod führt gem § 2077 I zur Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten des Ehepartners oder Verlobten. Die überwiegend als Regel zur ergänzenden Testamentsauslegung verstandene Vorschrift (Staud/Otte § 2077 Rz 6) gibt Raum dafür, dass sich etwas anderes aus der hypothetischen Auslegung der letztwilligen Verfügung ergeben kann (München ZEV 08, 290 [OLG München 08.02.2008 - 31 Wx 69/07]). Der Vorschrift liegt die Annahme eines regelmäßig in diese Richtung gehenden Erblasserwillens zugrunde. §§ 2268, 2279, 2299 erweitern den Anwendungsbereich der Vermutung auf Ehegattentestamente und Erbverträge. Sind die Voraussetzungen des § 2077 I, II erfüllt, so trägt derjenige die Feststellungs- und Beweislast für einen Weitergeltungswillen des Erblassers, der sich auf die Weitergeltung einer letztwilligen Verfügung beruft (BGH NJW 04, 3113; BayObLG FamRZ 93, 362). Eine Anwendung des I auf eine Hinterbliebenenleistung als einmalige Kapitalsumme aus einer betrieblichen Altersversorgung ist abzulehnen (Ddorf FamRZ 15, 2004).

 

Rn 2

§ 2077 I 1 setzt voraus, dass die Ehe des Erblassers durch rechtskräftige Scheidung oder rechtskräftige Aufhebung von einem deutschen Gericht aufgelöst wurde. Gleiches gilt für rechtskräftige ausländische Entscheidungen, die die Eheauflösung aussprechen, wenn sie im Inland anzuerkennen sind.

 

Rn 3

Nach § 2077 I 2 gilt die Auslegungsregel auch, wenn der Erblasser während eines rechtshängigen Ehescheidungsverfahrens gestorben ist, er die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat und die materiellen Voraussetzungen für die Scheidung zum Zeitpunkt des Erbfalls vorlagen. Für einverständliche Scheidungsverfahren, die seit dem 1.9.09 eingeleitet wurden, ist eine fehlende Einigung unschädlich, wenn das Trennungsjahr abgelaufen ist, ein formal zulässiger Scheidungsantrag (§§ 124, 133 FamFG) eingereicht wurde und eine wirksame Zustimmungserklärung des Antragsgegners vorliegt (Czubayko ZEV 09, 551). Nach § 2077 I 3 gilt Gleiches für das Eheaufhebungsverfahren.

 

Rn 4

§ 2077 II bezieht die Unwirksamkeit auf Fälle, in denen ein Verlöbnis, § 1297, vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist, nicht hingegen auf faktische Lebensgemeinschaften (Rostock ZEV 21, 709; Celle FamRZ 04, 310; BayObLGR 02, 50). Waren der Erblasser und die bedachte Person im Zeitpunkt der Testamentserrichtung verlobt und haben danach geheiratet, findet I Anwendung (BayObLG 93, 362). Wurde das Testament zugunsten des Lebensgefährten, aber nicht in Erwartung einer Ehe errichtet, dann greift § 2077 nicht ein, auch wenn später eine Ehe geschlossen und anschließend wieder geschieden wird (Frankf ErbR 16, 276). Gleiches gilt für den Fall einer später begründeten und wieder aufgehobenen Lebenspartnerschaft, wenn das Testament lange vor der gesetzlichen Einführung dieses Rechtsinstituts errichtet wurde (KG 29.9.15 – 6 W 57/15).

 

Rn 5

Die Vorschrift enthält dispositives Recht (Rostock ZEV 21, 709 [OLG Rostock 13.07.2021 - 3 W 80/20]). Haben Ehegatten bestimmt, dass die Verfügungen auch im Fall einer Scheidung fortbestehen sollen, bedeutet dies nicht, dass dies auch bei anderweitiger Wiederverheiratung eines von ihnen gelten soll (Hamm NJW-RR 15, 524 [BGH 19.12.2014 - V ZR 32/13]). S.u. § 2268 Rn 2. Für eine Klausel, die die Unwirksamkeit bereits bei Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen und Antrag eines der Ehegatten vorsieht, vgl BGH ZEV 22, 471 [BGH 17.02.2022 - V ZB 14/21].

 

Rn 6

Eine analoge Anwendung auf den Fall, dass der Erblasser ein Schwiegerkind zum Erben eingesetzt hat und danach dessen Ehe mit dem Kind des Erblassers aufgelöst wird, lehnt der BGH (ZEV 03, 284 [BGH 02.04.2003 - IV ZB 28/02] m krit Anm Leipold) zu Unrecht ab, weil keine allgemeine Lebenserfahrung dahingehend vorliege, dass der Erblasser seine Verfügung mit der Ehe zwischen Kind und Schwiegerkind stehen und fallen sehen wolle. Ob ein hypothetischer Wille zur Weitergeltung der Zuwendung bei Auflösung der Ehe mit dem eigenen Kind anzunehmen ist, lasse sich nur aufgrund individueller Auslegung klären. Der Unterschied liegt in der Beweislast: Müsste bei einer analogen Anwendung des § 20...

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