Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahme der Erbschaft mit Vorbehalt der Inventarerrichtung nach italienischem Recht. entsprechende Anwendung des § 780 ZPO. Vorbehalt der Inventarerrichtung. Beschränkung der Haftung auf den Nachlass. Herausgabe eines Vollstreckungstitels

 

Leitsatz (amtlich)

§ 780 Abs. 1 ZPO ist auf die Annahme der Erbschaft mit Vorbehalt der Inventarerrichtung nach italienischem Recht (Art. 470 Abs. 1 Halbs. 2 Codice Civile) entsprechend anzuwenden, weil diese zu einer gegenständlichen, der Nachlassverwaltung nach § 1975 BGB ähnlichen Haftungsbeschränkung führt.

 

Normenkette

ZPO § 780 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.10.2012; Aktenzeichen 10 U 244/10)

LG Hanau (Entscheidung vom 27.10.2010; Aktenzeichen 1 O 1082/08)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 23.10.2012 wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagten bezüglich der gesamten von ihr zu tragenden Kosten des Rechtsstreits die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass des am 26.1.2004 verstorbenen C. P. vorbehalten bleibt. Die Beklagte trägt auch die Kosten des nicht in die Revisionsinstanz gelangten Teils der Nichtzulassungsbeschwerde.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger war zusammen mit dem am 26.1.2004 verstorbenen C. P. (im Folgenden: Erblasser) zu je 1/2 Miteigentumsanteilen Eigentümer eines Grundstücks in M. . Die Beklagte ist Tochter des Erblassers, der italienischer Staatsbürger war, seinen ständigen Wohnsitz jedoch in Deutschland hatte.

Rz. 2

Mit notariellem Vertrag verkaufte der Erblasser seinen Miteigentumsanteil an dem betreffenden Grundstück zu einem Gesamtpreis von 141.710,23 EUR an den Kläger. Dieser sollte in Anrechnung auf den Kaufpreis mehrere Buchgrundschulden und die durch diese gesicherten Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Kreissparkasse P. (im Folgenden: Sparkasse) übernehmen, deren Höhe im Kaufvertrag mit 61.710,23 EUR angegeben wurde. Der Kläger unterwarf sich wegen dieser Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. In der Folgezeit übernahm der Kläger die in dem Kaufvertrag bezeichneten Darlehensverbindlichkeiten und überwies den Restkaufpreis i.H.v. 80.000 EUR - wie in dem Kaufvertrag vorgesehen - auf ein Konto des Erblassers in Deutschland.

Rz. 3

Die testamentarisch eingesetzte Lebensgefährtin des Erblassers schlug die Erbschaft aus. Gesetzliche Erben waren die beiden in Italien lebenden Töchter des Erblassers, die Beklagte und ihre Schwester. Diese nahmen im Jahr 2007 die Erbschaft mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung an. Nachdem die Schwester ihren Erbteil auf sie übertragen hatte, ließ sich die Beklagte eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde wegen eines Kaufpreisrestbetrages von 29.971,94 EUR erteilen. Sie ist der Ansicht, aus dem Kaufvertrag ergebe sich ein zusätzlicher Zahlungsanspruch in Höhe der Hälfte der von dem Kläger übernommenen Darlehensverbindlichkeiten, weil der Erblasser und der Kläger gemeinsam Darlehensschuldner gewesen seien und im Innenverhältnis jeweils hälftig hafteten.

Rz. 4

Der Kläger hat beantragt, die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären und die Beklagte zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung an den Kläger herauszugeben. Das LG hat beiden Klagen stattgegeben. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision insoweit zugelassen, als die Beklagte auch zur Herausgabe der ihr erteilten vollstreckbaren Ausfertigung verurteilt worden ist.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht meint, die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus Art. 22 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12/1; im Folgenden: EuGVVO). Die Klage sei begründet, da dem Erblasser kein weiterer Zahlungsanspruch zugestanden habe. Die Annahme der Erbschaft mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung habe nicht zur Folge, dass eine Verurteilung nur in Bezug auf das zum Nachlass gehörende Vermögen hätte erfolgen können.

II.

Rz. 6

Über die Revision ist durch Urteil- und Versäumnisurteil zu entscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 2.2.2010 - VI ZR 82/09, NJW-RR 2010, 664 Rz. 5). Inhaltlich beruht das Urteil jedoch - soweit zum Nachteil des Klägers zu erkennen ist - nicht auf dessen Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).

Rz. 7

Aufgrund der beschränkten Zulassung der Revision sind nur noch die Klage auf Herausgabe des Titels und die Kosten des Rechtsstreits Gegenstand des Revisionsverfahrens. Das Berufungsurteil hält insoweit einer revisionsrechtlichen Überprüfung mit der Maßgabe stand, dass der Beklagten hinsichtlich der von ihr zu tragenden Kosten des Rechtsstreits die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass vorbehalten wird.

Rz. 8

1. Die deutschen Gerichte sind (auch) für die Entscheidung über die Klage auf Herausgabe des Vollstreckungstitels international zuständig, wobei hier offen bleiben kann, ob sich die internationale Zuständigkeit aus Art. 22 Nr. 5 oder aus Art. 5 Nr. 1a EuGVVO ergibt.

Rz. 9

a) Art. 22 Nr. 5 EuGVVO bestimmt, dass für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist. Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte des Staates, in dem aus dem Titel gegen den Schuldner vollstreckt wird oder die Vollstreckung droht (hier in Deutschland), auch für die von ihm erhobene Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO international zuständig (EuGH, Urt. v. 4.7.1985 - Rs. 220/84, NJW 1985, 2892 Rz. 12 [zum gleichlautenden Art. 16 EGÜV] und Urt. v. 13.10.2011 - Rs. C-139/10, NJW 2011, 3506 Rz. 40). Ob sich die Zuständigkeit des Gerichts nach Art. 22 Nr. 5 EuGVVO auf eine von dem Schuldner gleichzeitig mit der Vollstreckungsabwehrklage erhobene Titelherausgabeklage erstreckt (was die Revision in Abrede stellt), ist allerdings nicht zweifelsfrei.

Rz. 10

Dafür spricht der enge prozessrechtliche und sachliche Zusammenhang der beiden Klagen (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1994 - V ZR 238/92, NJW 1984, 1161, 1162; BGH, Urt. v. 14.7.2008 - II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rz. 9) sowie der Umstand, dass die Rechtsverfolgung für den Schuldner wesentlich erschwert würde, wenn er zwei Klagen in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten (mit der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen) erheben müsste. Gegen die Annahme einer internationalen Zuständigkeit könnte sprechen, dass die Bestimmungen über die ausschließliche Zuständigkeit in Art. 22 EuGVVO eng auszulegen sind (EuGH, Urt. v. 26.3.1992 - Rs. C-261/90, IPRax 1993, 28 Rz. 27) und dass die EuGVVO keine allgemeine Zuständigkeit des Sachzusammenhangs kennt (EuGH, Urt. v. 27.10.1998 - Rs. C-51/97, RIW 1999, 57 Rz. 39; Urt. v. 5.10.1999 - Rs. C-420/97, NJW 2000, 721 Rz. 38).

Rz. 11

b) Die Frage, ob die deutschen Gerichte für die Entscheidung über die Klage auf Herausgabe des Titels nach Art. 22 Nr. 5 EuGVVO ausschließlich zuständig sind, bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil sich die internationale Zuständigkeit hier andernfalls aus Art. 5 Nr. 1a EuGVVO ergäbe. Danach kann eine Person in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Hierunter fallen sämtliche schuldrechtlichen Ansprüche, die auf einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung beruhen (EuGH, Urt. v. 5.2.2004 - Rs. C-265/10, RIW 2004, 385, 386; EuGH, Urt. v. 17.9.2002 - Rs. C-334/00, NJW 2002, 3159; EuGH, Urt. v. 17.6.1994 - Rs. C-26/91, JZ 1995, 90). Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit ist dabei die Hauptleistungspflicht, auf die der Kläger seine Klage stützt.

Rz. 12

Im Streitfall waren beide Hauptleistungspflichten in Deutschland zu erfüllen, denn der Erblasser veräußerte den Miteigentumsanteil an einem in Deutschland belegenen Grundstück, und hinsichtlich des Kaufpreises hatten die Parteien vereinbart, dass dieser auf ein Konto des Erblassers in Deutschland zu zahlen ist. Dies trifft auch auf die Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten zu, da der Übernehmer (Kläger) in Deutschland wohnt und der Gläubiger (die Sparkasse) seinen Sitz in Deutschland hat. Der Umstand, dass die Beklagte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Gerichtsstand des Erfüllungsortes auch zugunsten und zu Lasten der Rechtsnachfolger der ursprünglichen Vertragsparteien gilt (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.2009 - VIII ZR 156/07, RIW 2009, 568, 569; Wagner in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rz. 49).

Rz. 13

2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei über die Titelherausgabeklage entschieden.

Rz. 14

a) Die Klage ist zulässig. Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794 ZPO fallenden Titels kann gem. § 260 ZPO gleichzeitig mit der Vollstreckungsabwehrklage erhoben werden (vgl. OLG Karlsruhe OLGReport Karlsruhe 2007, 412, 413; OLG Hamm OLGReport Hamm 2009, 61, 62).

Rz. 15

b) Die Klage ist auch begründet.

Rz. 16

aa) Die Beklagte ist passivlegitimiert. Die Klage hätte nicht deshalb, weil die Beklagte die Erbschaft mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung (Art. 470 Abs. 1 Halbs. 2 Codice Civile) angenommen hat, gegen sie als Verwalterin des Nachlasses erhoben werden müssen. Entscheidend ist, dass die vollstreckbare Ausfertigung der Beklagten erteilt wurde. Richtiger Beklagter einer Titelherausgabeklage ist - wie bei der Vollstreckungsabwehrklage - der Vollstreckungsgläubiger, also der in Titel oder Klausel als Gläubiger Benannte (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1984 - V ZR 218/83, BGHZ 92, 347, 348; BGH, Urt. v. 9.12.1992 - VIII ZR 218/91, BGHZ 120, 387, 391; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 767 Rz. 10; MünchKomm/ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 767 Rz. 45). Der Vollstreckungsgläubiger ist, wenn sich die vollstreckbare Ausfertigung des Titels - wie hier - in seinem Besitz befindet, auch für die Titelherausgabeklage passivlegitimiert.

Rz. 17

bb) Der Kläger kann von der Beklagten in entsprechender Anwendung der Vorschrift über die Rückgabe eines Schuldscheins gem. § 371 Satz 1 BGB (zur Analogie: BGH, Urt. v. 22.9.1994 - IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 149) die Herausgabe des Titels verlangen.

Rz. 18

(1) Wenn der Schuldner neben der Vollstreckungsabwehrklage die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangt, hängt der Erfolg dieses Antrags in der Regel von dem Bestehen oder Nichtbestehen des titulierten Anspruchs ab (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2014 - V ZR 45/13 unter III.3; BGH, Urt. v. 14.7.2008 - II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rz. 12). So verhält es sich auch hier, weil für beide Klagen allein entscheidend ist, ob die in der notariellen Urkunde titulierte Kaufpreisforderung durch die unstreitig erfolgte Zahlung i.H.v. 80.000 EUR sowie die Übernahme der Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber der Sparkasse vollständig erfüllt worden ist, oder ob nach dem Vertrag eine darüber hinausgehende Zahlung geschuldet ist.

Rz. 19

(2) Das hängt von der Höhe des Preises ab, den der Kläger für den Erwerb des Miteigentumsanteils nach dem notariellen Kaufvertrag schuldete. Das Berufungsgericht ist nach dessen Auslegung rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagten keine weiteren Ansprüche zustehen.

Rz. 20

(a) Die tatrichterliche Auslegung der Abreden in einem nicht von einer Seite vorformulierten Vertrag nach §§ 133, 157 BGB kann von dem Revisionsgericht nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen und allgemein anerkannten Auslegungsregeln, die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zugrunde gelegten Tatsachen ohne Verfahrensfehler ermittelt worden sind (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2009 - V ZR 197/07, NJW 2009, 1810, Rz. 8; Urt. v. 16.9.2011 - V ZR 236/10, NJW-RR 2012, 218 Rz. 5 m.w.N.; Urt. v. 8.11.2013 - V ZR 95/12, NJW 2014, 1000 Rz. 9). Solche Fehler liegen hier nicht vor.

Rz. 21

(b) Die Tatsache, dass der Kläger gemeinsam mit dem Erblasser Schuldner der von ihm als Käufer übernommenen Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Sparkasse war, hat das Berufungsgericht bei seiner Vertragsauslegung berücksichtigt, aber angesichts der eindeutigen vertraglichen Regelungen über die Preisbemessung für nicht entscheidend erachtet. Dass es sich dabei auf den Wortlaut des Vertrags gestützt hat, stellt nicht - wie die Revision meint - eine Verletzung des § 133 BGB dar, nach dem bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Das Berufungsgericht ist vielmehr dem Grundsatz gefolgt, dass bei der Auslegung von Willenserklärungen in erster Linie deren Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille maßgeblich ist (BGH, Urt. v. 10.12.1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 13, 16). Nach dem Kaufvertrag bestand die seitens des Klägers zu erbringende Gegenleistung für den Erwerb des Miteigentumsanteils darin, die bei der Sparkasse bestehenden Darlehensverbindlichkeiten zu übernehmen und zusätzlich einen Geldbetrag in einer bestimmten Höhe zu zahlen. Anhaltspunkte für einen vom Vertragswortlaut abweichenden übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zu einer darüber hinausgehenden Zahlungspflicht des Käufers hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Auch die Revision zeigt solche nicht auf, sondern verweist lediglich auf streitigen, nicht unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten zum Innenverhältnis zwischen dem Kläger und dem Erblasser.

Rz. 22

3. Rechtlicher Prüfung hält das Berufungsurteil nur insoweit nicht stand, als darin dem Umstand, dass die Beklagte die Erbschaft mit dem Vorbehalt der Inventarhaftung angenommen hat, keine Bedeutung beigemessen worden ist. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits hätte der Beklagten zumindest die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass gem. § 780 ZPO vorbehalten bleiben müssen.

Rz. 23

a) Zwar hat der Erbe nach deutschem Recht die Kosten eigener Prozessführung als Prozesspartei ohne die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung selbst zu tragen (vgl. KG NJW-RR 2003, 941, 943; OLG DüsseldorfFamRZ 2010, 496, 498; OLG Celle OLGReport Celle 1995, 204; OLG Koblenz NJW-RR 1997, 1160; MünchKomm/ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rz. 21; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 780 Rz. 12; Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 780 Rz. 4). Das Berufungsgericht verkennt aber, dass sich die Haftung des Erben für Prozesskosten für einen im Zusammenhang mit dem Erbfall geführten Rechtsstreit nach dem jeweils einschlägigen Erbstatut bestimmt.

Rz. 24

Der Meinung, bei der Nachlassabwicklung richte sich die Schuldenhaftung nach außen und dabei insb. die Möglichkeit der Vornahme haftungsbeschränkender Maßnahmen nach der lex fori (Ferid in FS Cohn, 1975, S. 31, 37; Zillmann, Die Haftung der Erben im internationalen Erbrecht, 1998, S. 187), vermag der Senat nicht beizutreten. Der Grundsatz, dass Verfahrensfragen nach dem jeweiligen Prozessrecht des erkennenden Gerichts zu beurteilen sind, führt nicht dazu, dass auch die damit im Zusammenhang stehenden sachrechtlichen Fragen unter Anwendung des materiellen Rechts des Prozessgerichts zu beantworten sind. Ob der verurteilte Erbe uneingeschränkt oder beschränkt (nur mit dem Nachlass) für die Prozesskosten haftet, bestimmt sich gem. Art. 25 EGBGB nach dem Erbstatut. Dieses entscheidet über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten sowie über die Voraussetzungen und die Folgen einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass und damit insb., für welche mit dem Erbfall zusammenhängenden Schulden der Erbe einzustehen hat (BGH, Urt. v. 26.3.1953 - IV ZR 128/52, BGHZ 9, 151, 154; Birk in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., Art. 25 EGBGB Rz. 254; Staudinger/Dörner, BGB [2007], Art. 25 EGBGB Rz. 225; Burandt/Rojahn/Franke, Erbrecht, 2. Aufl., Art. 25 EGBGB Rz. 63). Es bestimmt, welche Arten von Verbindlichkeiten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören, ob hierzu nur die vom Erblasser herrührenden Schulden oder auch die durch die Nachlassabwicklung oder die Verwaltung des Nachlasses entstehenden Kosten zu zählen sind. Soweit die jeweils einschlägigen Rechtsordnungen die Möglichkeit einer Beschränkung der Erbenhaftung durch Inventarerrichtung bei Annahme der Erbschaft vorsehen, beurteilen sich die Voraussetzungen, Modalitäten und Wirkungen einer Inventarerrichtung ebenfalls nach dem Erbstatut (Birk in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., Art. 25 EGBGB Rz. 258; Staudinger/Dörner, BGB [2007], Art. 25 EGBGB Rz. 226).

Rz. 25

b) Demgemäß kommt hier das italienische Erbrecht zur Anwendung. Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Das italienische Kollisionsrecht knüpft in Art. 46 Abs. 1 IPRG hinsichtlich der Bestimmung des einschlägigen Erbstatuts ebenfalls an die Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes an (vgl. Reiss, Internationales Erbrecht Italien, 3. Aufl., A. IV. Rz. 38; Flick/Piltz/Cornelius, Der internationale Erbfall, 2. Aufl., 2. Teil B. Rz. 639; Kruis, Das italienische internationale Erbrecht, 2005, S. 24; Burandt/Rojahn/Frank, Erbrecht, 2. Aufl., Länderbericht Italien Rz. 7); es erfasst alle mit der Beerbung zusammenhängenden Fragen unter Einschluss der Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten (vgl. Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien, Grdz. C Rz. 53; Kruis, Das italienische internationale Erbrecht, 2005, S. 150 f.; Reiss, Internationales Erbrecht Italien, 3. Aufl., A. IV. Rz. 77; Burandt/Rojahn/Frank, Erbrecht, 2. Aufl., Länderbericht Italien Rz. 20).

Rz. 26

Aus dem italienischen Erbrecht könnte sich ergeben, dass - wie seitens der Beklagten unter Vorlage einer rechtsgutachterlichen Stellungnahme vorgetragen - abweichend von dem deutschen Recht die Prozesskosten aus einem gegen den Erben geführten Rechtsstreit, der eine Forderung des Nachlasses betrifft, nur vom Nachlass und nicht von dem Erben persönlich zu tragen sind.

Rz. 27

c) Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hätte der Beklagten hinsichtlich der Kostenentscheidung zumindest die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass in entsprechender Anwendung des § 780 ZPO vorbehalten bleiben müssen.

Rz. 28

aa) § 780 ZPO ist als Verfahrensvorschrift anwendbar, obwohl sich die materiell-rechtliche Haftungsbeschränkung aus dem italienischen Recht ergibt. Verfahrensfragen bestimmen sich grundsätzlich nach dem jeweiligen Prozessrecht des erkennenden Gerichts (lex fori), auch wenn aufgrund internationalen Privatrechts ausländisches Sachrecht zur Anwendung gelangt; das international zuständige Gericht wendet auf das Verfahren sein originäres Verfahrensrecht an (BGH, Urt. v. 27.6.1984 - IVb ZR 2/83, NJW 1985, 552, 553; OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2004, 197, 198; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., IZPR Rz. 1; Kruis, Das italienische internationale Erbrecht, 2005, S. 151; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rz. 53, 319 ff.). Für die Einordnung einer Rechtsnorm kommt es entscheidend darauf an, ob sie prozessrechtlichen Gehalt hat oder ob sie materiell-rechtlicher Natur ist, wobei eine funktionsorientierte Betrachtung maßgebend ist (MünchKomm/BGB/Sonnenberger, 5. Aufl., Einl. IPR, Rz. 432; Weber, Das Internationale Zivilprozessrecht erbrechtlicher Streitigkeiten, 2012, S. 37).

Rz. 29

bb) Davon ausgehend handelt es sich bei § 780 ZPO um eine verfahrensrechtliche Vorschrift (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.1955 - III ZR 115/53, BGHZ 17, 69, 73; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 780 Rz. 1; MünchKomm/ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rz. 1; Handke in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 780 Rz. 1). Das die Vorschrift anwendende Gericht prüft die geltend gemachte Haftungsbeschränkung hinsichtlich ihrer Voraussetzungen oder ihrer Reichweite nicht, sondern behält sie dem Erben lediglich zum Zwecke späterer Geltendmachung vor. Eine Entscheidung über die Haftungsbeschränkungen wird in der Sache nicht getroffen. Der Erbe kann sich die beschränkte Erbenhaftung vorsorglich selbst dann vorbehalten lassen, wenn er deren Voraussetzungen noch nicht darzulegen vermag, ja nicht einmal weiß, ob sie überhaupt eintreten werden (BGH, Urt. v. 11.7.1991 - IX ZR 180/90, NJW 1991, 2839, 2840).

Rz. 30

cc) Die Regelung des § 780 ZPO, die für jede gegenständliche Beschränkung der Erbenhaftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch gilt (Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 780 Rz. 3; MünchKomm/ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rz. 7), ist auf die Annahme der Erbschaft mit Vorbehalt der Inventarerrichtung nach italienischem Recht (Art. 470 Abs. 1 Halbs. 2 Codice Civile) entsprechend anzuwenden, weil eine solche Annahme zu einer der Nachlassverwaltung nach § 1975 BGB ähnlichen Haftungsbeschränkung führt (zur Anwendung des § 780 ZPO auf diese Fälle: Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 780 Rz. 3; MünchKomm/ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rz. 7).

Rz. 31

Nach italienischem Recht hat der Erbe zum einen die Möglichkeit, die Erbschaft vorbehaltlos anzunehmen, was die Verschmelzung des ererbten mit dem eigenen Vermögen herbeiführt und eine Haftung für die Erblasserschulden und Vermächtnisse mit dem gesamten Vermögen in voller Höhe nach sich zieht. Der Berufene kann die Annahme der Erbschaft aber auch mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung erklären. Der wesentliche Unterschied zur vorbehaltlosen Annahme besteht hierbei in der Haftung, die sich bei der vorbehaltlosen Annahme auf das gesamte Vermögen des Erben erstreckt, während der Erbe bei der Annahme mit Vorbehalt für die Erblasserschulden und Vermächtnisse gem. Art. 490 Abs. 2 Nr. 2 Codice Civile nur mit dem Nachlassvermögen haftet. Es findet keine Verschmelzung des ererbten mit dem eigenen Vermögen statt; der Nachlass bleibt gem. Art. 490 Abs. 1 Codice Civile vom persönlichen Vermögen des annehmenden Erben getrennt. Der Erbe wird zugleich verpflichtet, die zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände der Befriedigung der Gläubiger zuzuführen, indem er den Nachlass verwaltet (Art. 491 Codice Civile) und im Rahmen der Liquidation die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten gem. Art. 495 ff. Codice Civile veranlasst (Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien, Grdz. J Rz. 603 ff. und Grdz. L Rz. 708 ff.; Reiss, Internationales Erbrecht Italien, 3. Aufl., B. I. Rz. 401 ff.; Süß/Cubeddu Wiedemann/Wiedemann, Erbrecht in Europa, 2. Aufl., Länderbericht Italien, Rz. 177; Flick/Piltz/Cornelius, Der internationale Erbfall, 2. Aufl., 2. Teil B. Rz. 628; Kruis, Das italienische internationale Erbrecht, 2005, S. 150; Burandt/Rojahn/Frank, Erbrecht, 2. Aufl., Länderbericht Italien Rz. 45).

Rz. 32

dd) Der Vorbehalt nach § 780 ZPO ist nicht deshalb entbehrlich, weil er hier nur für die Prozesskosten Bedeutung hat. Die Berücksichtigung einer Haftungsbeschränkung in Bezug auf die Prozesskosten setzt voraus, dass der Vorbehalt in die Kostengrundentscheidung aufgenommen worden ist (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 1997, 1160; KG, NJW 1964, 1330; MünchKomm/ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rz. 3 und 21; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 780 Rz. 13; Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 780 Rz. 4).

III.

Rz. 33

Die Revision ist nach dem Vorstehenden mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagten bezüglich der von ihr zu tragenden Kosten des Rechtsstreits die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass des am 26.1.2004 verstorbenen C. P. vorbehalten bleibt.

Rz. 34

1. Der Senat kann abschließend entscheiden. Dem steht nicht entgegen, dass es grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters steht, ob er sich mit der Aufnahme des Vorbehalts in das Urteil begnügt oder ob er über das Bestehen der Haftungsbeschränkung in der Sache entscheidet. Ist die Sache entscheidungsreif, kann das Revisionsgericht ein dem Tatrichter durch materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Vorschriften eingeräumtes Ermessen selbst ausüben, sofern das Berufungsgericht die Ermessensausübung nicht wahrgenommen bzw. sich hierzu nicht geäußert hat (BGH, Urt. v. 7.7.1993 - IV ZR 190/92, BGHZ 123, 132, 137; BGH, Urt. v. 3.10.1989 - XI ZR 163/88, BGHZ 108, 386, 392; Krüger in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 563 Rz. 20).

Rz. 35

2. Der Senat übt sein Ermessen dahin aus, dass er durch Vorbehaltsurteil entscheidet. Eine Sachentscheidung über die Haftungsbeschränkung kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfolgen. Zum einen sind bereits keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob die diesbezüglichen tatbestandlichen Voraussetzungen nach italienischem Recht erfüllt sind. Zum anderen hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht gem. § 293 ZPO ermittelt, ob der Vorbehalt der Inventarerrichtung auch die Kosten eines nach dem Erbfall gegen den Erben geführten Rechtsstreits erfasst. Eine ungeprüfte Aufnahme des Vorbehalts ist jedenfalls dann angezeigt, wenn - wie hier - eine sachliche Entscheidung zu einer erheblichen Verzögerung und Verteuerung des Rechtsstreites führen würde (Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 780 Rz. 8).

IV.

Rz. 36

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Rechtsmittel ist auch dann als erfolgslos anzusehen, wenn die angegriffene Entscheidung - wie hier durch Ergänzung der Kostenentscheidung um den Vorbehalt gem. § 780 ZPO - lediglich in einem Nebenpunkt abgeändert wird (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 97 Rz. 1 m.w.N.; MünchKomm/ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 97 Rz. 5; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 97 Rz. 3).

V.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen das hiermit zugestellte Versäumnisurteil des BGH kann die säumige Partei binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung beim BGH E i n s p r u c h einlegen. Der Einspruch muss von einem beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt durch Einreichung einer Einspruchsschrift eingelegt werden.

Die Einspruchsschrift muss enthalten:

1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;

2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann der Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern.

Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.

Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 7620288

NJW-RR 2015, 521

ZEV 2015, 160

ZfIR 2015, 226

JZ 2015, 191

MDR 2015, 342

FF 2015, 174

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