Normenkette

BGB § 1990 Abs. 1; ZPO § 780 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 32 O 470/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.11.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des LG Berlin wie folgt geändert und ergänzt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.690,79 Euro (10.991,35 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank seit dem 21.2.2001 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben die Klägerin 1/6 und die Beklagte 5/6 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird als Erbin die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass des am 3.10.2000 verstorbenen M.Y. vorbehalten. Dieser Vorbehalt betrifft nicht die Kostenentscheidung.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, § 543 Abs. 1 ZPO.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

A. Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.11.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des LG Berlin ist zulässig. Denn die Beklagte ist dadurch beschwert, dass sie zur Zahlung von 10.991,35 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank seit dem 21.2.2001 an die Klägerin verurteilt worden ist, das LG jedoch für den Fall ihrer Verurteilung nicht ihrem Antrag entsprochen hat, den Vorbehalt nach § 780 Abs. 1 ZPO in das Urteil aufzunehmen (vgl. Staudinger/Marotzke, BGB, 13. Bearb. 1996, vor §§ 1967 ff. Vorbem. 19). Damit erstrebt die Beklagte weiterhin die Beschränkung ihrer Haftung als Erbin nach ihrem am 3.10.2000 verstorbenen Ehemann M.Y. auf dessen Nachlass. Die Beklagte macht geltend, dass überhaupt keine Nachlasswerte vorhanden seien. Damit entspricht der Wert des Beschwerdegegenstandes (vgl. § 511a Abs. 1 ZPO a.F., § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.) dem vom LG ausgeurteilten Zahlungsbetrag.

B. Das Rechtsmittel der Beklagten hat auch Erfolg.

1. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12.11.2001 (Bl. 45) die Einrede der Unzulänglichkeit des Nachlasses, hilfsweise die Einrede der Dürftigkeit erhoben. Auch im Berufungsverfahren hält die Beklagte an der Dürftigkeitseinrede fest (Schriftsatz vom 27.2.2002, Bl. 80). Diese Einreden werden unter der Voraussetzung des Fehlens einer kostendeckenden Masse für die Einleitung eines Nachlassinsolvenzverfahrens von § 1990 BGB erfasst. Die Einreden der Beklagten sind geeignet, den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung im Urteil (vgl. § 780 Abs. 1 ZPO) zu erreichen.

a) Bei der Dürftigkeitseinrede erlangen sämtliche Nachlassgläubiger Berechtigung ihrer Forderungen aus dem Nachlass; die Einrede dient letztlich nur der Abwehr einer Vollstreckung in das sonstige Vermögen, d.h. in das eigene Vermögen des Erben. Mit der Unzulänglichkeitseinrede im engeren Sinne macht der Erbe die Überschuldung des dürftigen Nachlasses geltend; er verweist den Gläubiger auf einen Nachlassrest. Die Erschöpfungseinrede ist angezeigt, wenn weder Nachlassaktiva nochErsatzforderungen gegen den Erben gem. § 1991 BGB bestehen (vgl. Soergel/Stein, BGB-Kommentar, Stand: Januar 2002, § 1990 Rz. 2, Staudinger/Marotzke, BGB, 13. Bearb. 1996, § 1990 Rz. 2).

Wenn ein Erbe die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass erstrebt, ist es rechtlich nicht erforderlich, dass er von den von § 1990 BGB erfassten Einreden die in seinem Fall einzig richtige erklärt. Vielmehr genügt es, dass aufgrund des Vorbringens der Beklagten ihr Wille eindeutig erkennbar ist, die Beschränkung ihrer Haftung ggü. der Klägerin herbeizuführen. Hieran bestehen keine Bedenken, denn der auf Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit verklagte Erbe braucht sich nicht einmal speziell auf § 1990 BGB zu berufen. Es genügt, dass er nur den allgemeinen Vorbehalt des § 780 ZPO begehrt (Staudinger/Marotzke, BGB, 13. Bearb. 1996, § 1990 Rz. 13, 244). Dies hat die Beklagte getan.

b) Gemäß § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht, wenn die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens „wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich” ist. Untunlichkeit im Sinne dieser Vorschrift ist damit nicht nur gegeben, wenn Anträge auf Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zurückgewiesen worden sind. Vielmehr liegt Untunlichkeit auch vor, wenn es an einer kostendeckende Masse fehlt. Der Erbe ist nicht gezwungen, die ihn persönlich mit Kosten belastende Verfahrensablehnung dadurch herbeizuführen, dass er einen entsprechenden Antrag stellt (Soergel/Stein, BGB-Kommentar, 2002, § 1990 Rz. 4 a.E.; Staudinger/Marotzke, BGB, 13. Bearb. 1996, §§ 1967 ff. Vorbem. 19; § 1990 Rz. 5, 6; Siegmann in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 1990 Rz. 1, 2).

Wenn der Erbe es unterlässt, eine Ablehnung der Verfahrenseinleitung herbeizuführen, hat er das Fehlen einer kostendeckenden Masse zu beweisen, falls der Gläubiger dies bestreitet. Das ist ihm schon dann gelungen, wenn er nachweist, dass der Nachlass nur a...

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