Gesetzestext

 

(1) Der Vormund ist dem Mündel für den aus einer Pflichtverletzung entstehenden Schaden verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn der Vormund die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Im Übrigen gilt § 1826 entsprechend.

(2) Ist der Mündel zur Pflege und Erziehung in den Haushalt des Vormunds, der die Vormundschaft ehrenamtlich führt, aufgenommen, gilt § 1664 entsprechend.

A. Rechtsgrund.

 

Rn 1

§ 1794 übernimmt § 1833 unter Änderung der Beweislastverteilung und entspricht der Haftung des Betreuers (§ 1826). Die Norm regelt die Haftung für Schäden, die der Vormund dem Mündel zufügt (I). Ihre Rechtsgrundlage wird von der hM auf ein gesetzliches Schuldverhältnis familienrechtlicher Art zurückgeführt, da der Vormund nicht Beamter iSd § 839 ist, sondern trotz staatlicher Kontrolle seiner Amtsführung in einem privatrechtlichen Verhältnis zum Mündel steht (hM BGHZ 17, 108; Staud/Veit § 1833 aF Rz 5 mwN; MüKo/Schwab § 1833 aF Rz 1 mwN).

B. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

Die Grundsätze des § 1794 gelten für alle Vormünder. Beim Amtsvormund konkurriert die Haftung aus § 1794 mit der Amtshaftung nach § 839 iVm Art 34 GG, wobei sich der Mündel bei der Haftung nach § 1794 ggf besser steht, da hier die längere Verjährungsfrist gilt (30 Jahre) und § 839 III keine Anwendung findet (BGH FamRZ 87, 904). Beim Vereinsvormund haftet der Verein nach § 31 für das Verschulden verfassungsmäßig bestellter Vertreter und des Vorstands sowie für persönlich zum Vormund bestellte Mitarbeiter (LG Stade FamRZ 08, 2232; aA Kobl FamRZ 10, 755). Wird die Vormundschaft aufgehoben, weil ihre gesetzlichen Grundlagen nicht vorlagen, auch bei bloßer Untauglichkeit des Vormunds (§ 1784 II), schließt dies eine Haftung nach § 1794 nicht aus (Soergel/Zimmermann § 1833 aF Rz 1). Anders bei der Bestellung eines geschäftsunfähigen Vormunds (§ 1784 I). § 1794 gilt entspr für die Pflegschaft (§ 1813 I). Bei Tod des Betreuten Haftung ggü den Erben (LG Berlin FamRZ 10, 492).

 

Rn 3

Ggü Dritten bleibt es bei den allgemeinen Haftungsregeln (Ddorf FGPrax 99, 54; LG Flensburg FamRZ 08, 2232). Eine Haftung des Vormunds aus § 1794 kommt nur ausnahmsweise in Betracht (zB bei Verletzung der Aufsichtspflicht: BGHZ 100, 313 oder bei Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens: BGH BtPrax 95, 103, 105), da seine Amtspflichten idR nur ggü dem Mündel bestehen (Frankf FamRZ 87, 519, 520). Aber ggf Haftung des Mündels nach § 278. Die Beweislast für Pflichtverletzung, Schaden, Kausalität und Verschulden trägt das Mündel.

C. Voraussetzungen der Haftung.

I. Wirksame Bestellung.

 

Rn 4

Der Vormund muss wirksam bestellt worden sein (Staud/Veit § 1833 aF Rz 20–23).

II. Pflichtverletzung.

 

Rn 5

Der Vormund muss eine Pflichtverletzung begangen haben, sei es durch Verstoß gegen das allgemeine Gebot, die Vormundschaft treu und gewissenhaft zu führen, sei es durch Zuwiderhandlung gegen eine gesetzlich angeordnete Verpflichtung (auch solche aus Sollvorschriften oder gegen eine konkrete AnO des FamG). Bei der Amtsvormundschaft kann eine unzureichende Personalausstattung des Jugendamtes zu einer Haftung der Trägerkörperschaft wegen Organisationsmangels führen (Soergel/Zimmermann § 1833 aF Rz 4 mwN; vgl nunmehr auch die Fallzahlbeschränkung § 55 II 4 SGB VIII bei der Führung von Vormund-/Pflegschaften pro Fachkraft). Als Pflichtverletzungen kommen zB in Betracht (vgl auch weitere Beispiele bei Staud/Veit § 1833 aF Rz 24 ff): a) Vernachlässigung des regelmäßigen persönlichen Kontakts zwischen Vormund und Mündel (s §§ 1790 III, 1788 Nr 3, 1802 II). b) Bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zB ein zu niedriger Antrag (Odersky FamRZ 72, 621, 622); die Unterlassung, bei titulierten Forderungen rechtzeitig die Zwangsvollstreckung zu betreiben (KG DAV 75, 439); Nichtberücksichtigung des Währungsverfalls bei Abfindungen (BGH NJW 57, 138 [BGH 24.10.1956 - IV ZR 103/56]). Unterlassene Bemühung des Amtsvormunds, die Passbehörde an der Erteilung eines Passes an einen Unterhaltspflichtigen zu hindern, der sich ins Ausland absetzen will (Nürnbg FamRZ 65, 454). c) Bei der Geltendmachung und Sicherung anderer Ansprüche zB das Führen aussichtsloser Prozesse (Hambg NJW 60, 1207 [OLG Hamburg 14.12.1959 - 8 U 36/59]; Soergel/Zimmermann § 1833 aF mwN); die prüfungslose Hinnahme von Wertgutachten (BGH FamRZ 83, 1220), unterlassene oder verspätete Geltendmachung von Renten oder Sozialhilfeansprüchen des Mündels (Schlesw FamRZ 97, 1427; BGH FamRZ 11, 1144); unterlassene Anmeldung zur Krankenversicherung (Brandbg FamRZ 08, 916; Hamm FamRZ 10, 754; Nürnb NJW 13, 836); Verstreichenlassen von Erwerbs- oder Gewinnmöglichkeiten des Mündels (BGH FamRZ 05, 358; Kobl NJW-RR 04, 1375; Zweibr BtPRax 04, 246), unterlassene Haftpflichtversicherung bei erhöhtem Haftungsrisiko des Mündels (BGH FamRZ 80, 874); nicht bestimmungsgemäße Verwendung von Geldern aus dem Vermögen des Mündels. Soweit der Vormund nach der Art der Geschäfte einzelne Aufgaben delegieren darf, haftet er für die Auswahl und die Überwachung der Hilfspersonen (LG Waldshut-Tiengen FamRZ 08, 916). Eine Genehmigung der Handlungen des Vormunds durch das FamG schließt eine Haftu...

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