Gesetzestext

 

(1) Ist ein Elternteil tatsächlich verhindert, die elterliche Sorge auszuüben, oder ruht seine elterliche Sorge, so übt der andere Teil die elterliche Sorge allein aus; dies gilt nicht, wenn die elterliche Sorge dem Elternteil nach § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand.

(2) Ruht die elterliche Sorge des Elternteils, dem sie gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand, und besteht keine Aussicht, dass der Grund des Ruhens wegfallen werde, so hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem anderen Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

A. Abs 1: Rechtsfolge bei ursprünglich gemeinsamer Sorge.

 

Rn 1

I Hs 1 setzt voraus, dass zunächst beiden Elternteilen die Sorge gemeinsam zustand. In diesem Fall wächst einem Elternteil die Alleinsorge automatisch ohne Sachprüfung kraft Gesetzes zu, wenn der andere entweder rechtlich gem § 1673 oder tatsächlich an der Ausübung verhindert ist. Bei tatsächlicher Verhinderung spielt es keine Rolle, ob das Ruhen gem § 1674 festgestellt wurde oder nicht; die Rechtsfolge gilt deshalb auch bei nur vorübergehendem tatsächlichem Ausübungshindernis.

 

Rn 2

Die Voraussetzung der ursprünglich gemeinsamen Sorge folgt aus I Hs 2, der die Rechtsfolge des I Hs 1 für die Fälle der Alleinsorge gem §§ 1626a III und 1671 ausschließt. § 1678 findet in entspr eingeschränkter Form auch Anwendung, wenn sich die Verhinderung oder die gemeinsame Sorge nur auf Teilbereiche der elterlichen Sorge erstreckt.

B. Abs 2: Rechtsfolge bei ursprünglicher Alleinsorge.

 

Rn 3

Der mit G v 16.4.13 abgeänderte II unterscheidet nicht mehr nach dem Rechtgrund für die Alleinsorge. Entsprechend § 1626a II findet nur noch eine negative Kindewohlprüfung statt. Danach ist dem Elternteil, der bisher nicht sorgeberechtigt war, bei dauernder Verhinderung des anderen Elternteils die Sorge zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht (dies galt in verfassungskonformer Auslegung bereits für die aF, vgl BverfG FamRZ 06, 385, 386). Ist der andere Elternteil bereit, Verantwortung zu übernehmen, und widerspricht dies nicht dem Kindeswohl, besteht kein Anlass, ihm die elterliche Sorge nicht zu übertragen. Will oder kann er keine Verantwortung übernehmen, wird eine Sorgerechtsübertragung regelmäßig dem Kindeswohl widersprechen (BTDrs 17/11048, 21).

 

Rn 4

Anders als I setzt II voraus, dass das Sorgerecht des anderen Elternteils ruht und keine Aussicht besteht, dass der Grund des Ruhens wegfallen wird. Die elterliche Sorge ruht aus Rechtsgründen gem § 1673; aus tatsächlichen Gründen nur, wenn dies gem § 1674 festgestellt ist. Eine rein tatsächliche Verhinderung genügt daher als Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 1678 II nicht. Das zusätzliche Erfordernis des voraussichtlich endg Ruhens der elterlichen Sorge folgt aus dem Bedürfnis, die Erziehungskontinuität zu wahren und dem Kind einen häufigen Sorgerechtswechsel zu ersparen (Staud/Coester § 1678 Rz 27).

 

Rn 5

Ist der alleinsorgeberechtigte Elternteil verhindert, die elterliche Sorge auszuüben, ohne dass die Voraussetzungen des II gegeben sind, was stets vorrangig zu prüfen ist (Bambg FamRZ 11, 1072), – sei es dass die Verhinderung nur vorübergehend ist oder eine Übertragung auf den anderen Elternteil dem Wohl des Kindes widerspricht – so ist durch das gem § 1693 zum Eingreifen verpflichtete FamG dem Kind gem § 1773 I ein Vormund oder bei nur partieller Verhinderung der Mutter gem § 1809 I ein Pfleger zu bestellen.

 

Rn 6

Hatte der nunmehr verhinderte Elternteil die Sorge nur deshalb alleine inne, weil dem anderen Elternteil das Sorgerecht gem § 1666 entzogen worden war, kann ihm die Alleinsorge nicht nach II übertragen werden. In diesem Fall ist dem Kind ein Vormund (§ 1773 I), bei Teilentzug der Sorge ein Pfleger, zu bestellen. Nur wenn der Sorgerechtsentzug gem § 1696 II aufgehoben wird, kann der andere Elternteil die Sorge erhalten.

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