Rn 42

Die Zurechenbarkeit des Rechtsscheintatbestandes erfordert bei einer Duldungsvollmacht, dass der Vertretene das Verhalten des von ihm nicht bevollmächtigten Vertreters kannte und nicht dagegen eingeschritten ist, obwohl ihm das möglich gewesen wäre (BGH WM 05, 1520, 1522). Eine Anscheinsvollmacht setzt voraus, dass der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können und der Geschäftsführer annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters (BGHZ 208, 346 Rz 61). Nicht voll Geschäftsfähige können den objektiven Tatbestand einer Duldungs- und Anscheinsvollmacht zu ihren eigenen Lasten nicht begründen, denn ihr Schutz geht dem Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs vor (Erman/Maier-Reimer/Finkenauer Rz 20). Besteht für den Vertretenen Gesamtvertretung, müssen grds alle Gesamtvertreter das Auftreten des Handelnden wissentlich dulden oder erkennen und vermeiden können (BGH NJW 88, 1199, 1200 [BGH 16.11.1987 - II ZR 92/87]). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Anschein besteht, dass der handelnde Gesamtvertreter ermächtigt ist, den Vertretenen allein zu vertreten (BGH WM 76, 503, 504; krit Soergel/Leptien Rz 29). Dem Vertretenen ist das Verhalten von Hilfspersonen, die seiner Risikosphäre zuzuordnen sind, insb von Überwachungspersonen zuzurechnen (Soergel/Leptien Rz 22; aA für eine Anwendung des § 831 Fabricius JuS 66, 55, 57; für eine Anwendung des § 278 Hübner AT Rz 1286). Bei juristischen Personen erfolgt die Zurechnung des Verhaltens Dritter über § 31 (Staud/Schilken Rz 41).

 

Rn 43

Nach inzwischen gefestigter Rspr des BGH kann dem Vollmachtgeber das Vertreterhandeln im Anschluss an eine nichtige Vollmachtserteilung nur zugerechnet werden, wenn er die Nichtigkeit der Vollmacht weder kannte noch kennen musste (BGH ZIP 06, 846 Rz 20; aA München NJW 06, 1811, 1813; krit Münscher BKR 05, 500, 501). Gegen diese Ansicht spricht, dass der Zurechnungsgrund bei der Duldungsvollmacht nicht ein Verschulden des Vertretenen, sondern die willentliche Veranlassung des Rechtsscheins einer wirksamen Bevollmächtigung ist (s Rn 37). Jedenfalls kann sich das Verschuldenserfordernis nur auf das Setzen des Vertrauenstatbestandes beziehen, da andernfalls der Duldungsvollmacht neben der konkludenten Vollmacht und Genehmigung keine Bedeutung mehr zukäme (München NJW 06, 1811, 1813 [OLG München 27.04.2006 - 19 U 3717/04]). IÜ setzen auch die §§ 171 f nicht voraus, dass der Vertretene die Nichtigkeit der Vollmacht kennt oder kennen muss, sondern stellen allein auf die eigenverantwortliche Vollmachtskundgabe des Vertretenen ab (BGH WM 05, 1520, 1523). Entspr muss für die Duldungs- und Anscheinsvollmacht gelten, weil auch bei ihr der Rechtsschein nicht bloß darauf beruht, dass der Vollmachtgeber nicht einschreitet, obwohl er das Vertreterverhalten kennt oder bei pflichtgemäßer Sorgfalt kennen muss, sondern auf einem eigenen positiven Handeln des Vollmachtgebers, das wie bei der Einräumung einer Stellung im Unternehmen des Vertretenen (Rn 50) für die Zurechnung des Rechtsscheins als ausreichend angesehen werden muss. Dass der Vollmachtgeber auch dann nach Rechtsscheingrundsätzen haftet, wenn sich erst nachträglich herausstellt, dass die Vollmacht nichtig ist, ist schließlich deshalb gerechtfertigt, weil im Verhältnis zu dem Vertragspartner der Vollmachtgeber die Risiken zu tragen hat, die sich aus der Nichtigkeit der Vollmacht ergeben.

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