Leitsatz (amtlich)

Zur Frage

  1. der Duldungsvollmacht bei Gesamtvertretungsberechtigung in einer GmbH,
  2. der Genehmigung eines Vertrages durch schlüssiges Verhalten.
 

Orientierungssatz

1. Für das Entstehen einer Duldungsvollmacht bei Gesamtvertretungsberechtigung in einer GmbH reichen Wissen und Duldung des seine Vertretungsbefugnis überschreitenden Geschäftsführers nicht aus; es muß eine entsprechende Willensentschließung des weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers hinzukommen.

2. Eine stillschweigende oder Duldungsvollmacht des gesamtvertretungsberechtigten (Mit-)Geschäftsführers, die in ihren Wirkungen der Umwandlung der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis in eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis gleichkäme, gelangt nicht wirksam zur Entstehung.

3. Eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten setzt regelmäßig voraus, daß sich der Genehmigende der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages bewußt ist oder zumindest mit ihr gerechnet hat und daß in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen. Daran fehlt es beim Widerspruch gegen eine Kündigung, die das Zustandekommen eines Vertrags voraussetzt.

 

Tatbestand

Durch Vertrag vom 16. Dezember 1983 gewährte der Kläger ein Darlehen von 250.000 DM an die Beklagte zu 1, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer bei Vertragsschluß der Beklagte zu 2 und der Kaufmann J. waren. Nach dem Tode des Kaufmannes J. Anfang Januar 1985 war der Beklagte zu 2 alleinvertretungsberechtigt. Die Urkunde über den Darlehensvertrag und die vereinbarungsgemäß von der Beklagten zu 1 am 16. Dezember 1983 und 16. Dezember 1984 begebenen Wechsel hat der Beklagte zu 2 allein unterschrieben.

Der vom Kläger zum 16. Dezember 1985 ausgesprochenen Kündigung des Darlehensvertrages hat der Beklagte zu 2 widersprochen. Nachdem er im Rahmen der von dem Kläger erhobenen Wechselklage mit Schriftsatz vom 3. Januar 1986 auf seine fehlende Alleinvertretungsberechtigung zur Wechselzeichnung hingewiesen hatte, kündigte der Kläger das Darlehen mit Schreiben vom 10. Januar 1986 fristlos. Dem widersprach der Beklagte zu 2 mit Schreiben vom 17. Januar 1986 und bot zur Besicherung des Darlehens einen weiteren Wechsel an. Mit Schriftsatz vom 4. März 1986 nahm der Kläger vom Wechselverfahren Abstand und verklagte die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung der Darlehenssumme. Der Beklagte zu 2 hat mit Schriftsatz vom 4. April 1986 behauptet, der Darlehensvertrag sei seinerzeit durch seinen Mitgeschäftsführer sowie seit dem Zeitpunkt, in dem er alleinvertretungsberechtigt geworden sei, auch von ihm genehmigt worden.

Das Landgericht hat der Klage gegen beide Beklagte stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu 1 zurückgewiesen, die Klage gegen den Beklagten zu 2 jedoch abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch gegen den Beklagten zu 2 weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Zurückverweisung.

1. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten zu 2 aus § 179 BGB verneint hat, ist rechtsfehlerhaft.

a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte zu 2 sei kraft Duldung der Beklagten zu 1 zum Abschluß des Darlehensvertrages mit dem Kläger bevollmächtigt gewesen. Denn sie habe sein Auftreten als Einzelbevollmächtigter wissentlich geduldet, da ihr Wissen und Duldung des Beklagten zu 2 als ihres Geschäftsführers zuzurechnen seien. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Erfolg.

Es trifft zwar zu, daß einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Kenntnis von rechtserheblichen Umständen bereits dann zuzurechnen ist, wenn nur ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer von diesen Umständen Kenntnis erlangt. Hängt der Eintritt einer Rechtsfolge allein von dieser Kenntniserlangung ab, bedarf es nicht des Hinzutretens weiterer Umstände. Erlangt zum Beispiel ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer Kenntnis von dem Inhalt eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens, ohne daß dem Inhalt widersprochen wird, kann das zum Vertragsschluß führen (vgl. BGHZ 20, 153, 154; Thiele in MK, 1978, § 164 Rdnr. 97). Für das Entstehen einer Duldungsvollmacht reicht jedoch die alleinige Kenntniserlangung durch den Vertretenen von dem Handeln einer Person als Alleinvertreter nicht aus. Es muß vielmehr noch der Entschluß hinzukommen, gegen die bekannt gewordene Verhaltensweise nicht einzuschreiten. Dieser Entschluß kann jedoch nicht allein durch den seine Vertretungsbefugnis überschreitenden Geschäftsführer gefaßt werden, sondern es muß noch eine entsprechende Willensentschließung des weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers hinzukommen (vgl. Schilling in GroßK. z. GmbHG, 6. Aufl., § 35 Anm. 18; zur Anscheinsvollmacht vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1975 – IV ZR 73/74, NJW 1976, 1402; Soergel/Schulze/v.Lasaulx, BGB, 11. Aufl., § 167 Rdnr. 32). Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, daß diese Voraussetzung Darlehensvertrages erfüllt ist.

Der Beklagte zu 2 hat allerdings vorgetragen, der Mitgeschäftsführer J. habe generell gegen die alleinige Tätigung von Rechtsgeschäften durch den Beklagten zu 2 für die Beklagte zu 1 keine Einwendungen erhoben. Das habe einer sinnvollen Arbeitsteilung entsprochen, weil der Kaufmann J. anderweitig beschäftigt und ausgelastet gewesen sei. Zudem habe er die Briefbögen, auf denen der Beklagte zu 2 allein als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 aufgeführt sei, besorgt und der Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Daraus folge sogar die stillschweigende Erteilung einer zur Alleinvertretung berechtigenden Generalvollmacht.

Es kann dahinstehen, ob in dem dargelegten Verhalten des Kaufmannes J. die Erteilung einer stillschweigenden Vollmacht oder eine Duldungsvollmacht zu sehen ist. Auch wenn man dem Vortrag des Beklagten zu 2 folgt, wäre eine solche Vollmacht nicht wirksam entstanden. In ihren Wirkungen käme sie der Umwandlung der bisherigen Gesamtgeschäftsführungsbefugnis in eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis gleich. Eine solche Umwandlung kann nur durch einen der Satzung entsprechenden Gesellschafterbeschluß nach § 46 Nr. 5 GmbHG vollzogen werden, nicht aber dadurch, daß der Mitgeschäftsführer die Wahrnehmung seiner Funktionen dem anderen Geschäftsführer überträgt. Denn die Befugnis zur organschaftlichen Willensbildung und Willenserklärung und die damit verbundene Verantwortung sind nicht übertragbar (BGHZ 13, 61, 65; 64, 72, 76). Zwar kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Generalhandlungsvollmacht i.S. des § 54 HGB nach außen wirksam erteilen (BGHZ 62, 166, 168). Auch dadurch kann jedoch die Gesamtgeschäftsführungsbefugnis nicht in eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis umgewandelt werden. Denn außer der Bestellung zum Geschäftsführer mit Alleinvertretungsmacht durch einen satzungsgerechten Beschluß der Gesellschafter nach § 46 Nr. 5 GmbHG erlaubt das Gesetz nur eine Ermächtigung des Mitgeschäftsführers zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften (§ 125 Abs. 2 Satz 2 HGB, § 78 Abs. 4 AktG; vgl. BGH, Urt. v. 19. Juni 1975 – II ZR 170/73, WM 1975, 790, 791; Urt. v. 8. Mai 1978 – II ZR 209/76, WM 1978, 1047, 1048).

b) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich auch nicht, daß der Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 durch Genehmigung des Beklagten zu 2 als Alleingeschäftsführer zustande gekommen ist.

Unstreitig war der Beklagte zu 2 nach dem Tode des Mitgeschäftsführers J. im Januar 1985 alleiniger Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Von diesem Zeitpunkt an konnte er den Darlehensvertrag demnach wirksam genehmigen (BGH, Urt. v. 18. Februar 1960 – VII ZR 21/59, WM 1960, 611, 612). Eine solche Genehmigung kann nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen in der namens der Beklagten zu 1 durch den Beklagten zu 2 erklärten Annahme des am 16. Dezember 1984 ausgestellten Wechsels nicht gesehen werden. Da der Beklagte zu 2 die Alleingeschäftsführungsbefugnis erst nach dem Tode des Mitgeschäftsführers J. erlangt hat, kann eine Genehmigung des Darlehensvertrages auch nur in einem Akzept liegen, das der Beklagte zu 2 nach dem Todeszeitpunkt oder mit Ermächtigung des Kaufmannes J. zu dessen Lebzeiten erteilt hat. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, da der Beklagte zu 2 bestritten hat, bei Erteilung des Akzeptes alleinvertretungsberechtigt gewesen zu sein.

Auch in einer Zinszahlung kann eine schlüssige Genehmigung des Darlehensvertrages nicht gesehen werden, da aus den bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichtes nicht hervorgeht, daß der Beklagte zu 2 solche Zahlungen nach dem Tode des Mitgeschäftsführers J. namens der Beklagten zu 1 vorgenommen hat.

Eine schlüssige Genehmigung liegt auch nicht in dem Schreiben des Beklagten zu 2 vom 11. September 1985, in dem er der durch Schreiben des Klägers vom 5. September 1985 erfolgten Darlehenskündigung widerspricht. Eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten setzt regelmäßig voraus, daß sich der Genehmigende der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages bewußt ist oder zumindest mit ihr gerechnet hat und daß in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen. Aus den Feststellungen des Berufungsurteils folgt nicht, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar ergibt sich aus dem Schreiben vom 11. September 1985 der Wille des Beklagten zu 2, an dem Vertrag festzuhalten. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß er sich der schwebenden Unwirksamkeit des Darlehensvertrages bewußt gewesen ist. Denn er wendet sich nur gegen die Berechtigung der Kündigung, die das Zustandekommen eines Vertrages voraussetzt. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Parteien zu diesem Zeitpunkt über die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages infolge fehlender Vertretungsmacht des Beklagten zu 2 bereits gestritten haben. Ferner hat der Beklagte zu 2 im Prozeß behauptet, sein Mitgeschäftsführer habe ihn zum Abschluß des Vertrages bevollmächtigt und darüber hinaus auch noch eine Genehmigung erteilt. Daraus folgt, daß der Beklagte zu 2 im September 1985 von der Wirksamkeit des Vertrages ausgegangen ist.

In gleicher Weise ist das Schreiben des Beklagten zu 2 vom 17. Januar 1986 zu werten, mit dem er sich gegen die vom Kläger am 10. Januar 1986 ausgesprochene fristlose Kündigung des Darlehensvertrages gewandt hat. Der Beklagte zu 2 hat darin im wesentlichen ausgeführt, das von ihm abgegebene Wechselakzept sei nicht wirksam. Keinesfalls hat er dabei zum Ausdruck gebracht, den Darlehensvertrag genehmigen zu wollen.

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 2 den Darlehensvertrag durch sein Verhalten im Rahmen des vorliegenden Verfahrens schlüssig genehmigt hat. Eine Genehmigung könnte nur in seinem Vorbringen gesehen werden, mit dem er sich gegen den vom Kläger mit Schriftsatz vom 4. März 1986 geltend gemachten, aus § 179 BGB hergeleiteten Zahlungsanspruch verteidigt. Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag aber schon endgültig unwirksam. Denn da der Kläger in diesem Schriftsatz seine Klage gegen die Beklagte zu 1 auf einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB und gegen den Beklagten zu 2 auf einen Anspruch aus § 179 BGB stützt, ist darin zugleich der Widerruf des Vertrages nach § 178 BGB zu sehen. Dieser ist nur dann ausgeschlossen – und insoweit käme es auf eine schlüssige Genehmigung durch prozessuales Verhalten nicht an –, wenn der Vertrag bereits vor Geltendmachung dieser Ansprüche wirksam zustande gekommen ist.

2. Die Sache war daher zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht die noch weiterhin erforderlichen Feststellungen, insbesondere zur Frage der Genehmigung des Darlehensvertrages durch den Mitgeschäftsführer J., treffen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 650047

NJW 1988, 1199

ZIP 1988, 370

DNotZ 1988, 690

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge