Rn 7

Hat der bevollmächtigte Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, kann dieser sich gem II hinsichtlich solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. II folgt wie I dem einheitlichen Grundsatz, dass der Kenntnisstand desjenigen ausschlaggebend ist, der den rechtsgeschäftlichen Willen bildet (ähnl MüKo/Schubert Rz 1 ff). Die Ansicht, nach der Bösgläubigkeit des Vertretenen immer schaden soll (Beuthien NJW 99, 3585 ff), findet im Gesetz keine Stütze. Informiert der Vertretene den Abschlussvertreter nicht über Umstände, die er dem Vertragspartner zu offenbaren hat, kann dies aber zu einer vorvertraglichen Haftung des Vertretenen aus §§ 280 I, 311 II, 241 II führen. Hierbei ist dem Vertretenen im Verhältnis zu dem Vertragspartner das Wissen eines anderen, an dem Vertragsabschluss nicht unmittelbar beteiligten Wissensvertreters (s Rn 13), der den Abschlussvertreter im Namen des Vertretenen beauftragt hat, nicht jedoch eines einfachen rechtsgeschäftlichen Vertreters analog I zuzurechnen (BGH NJW-RR 04, 1196, 1197 f [BGH 14.05.2004 - V ZR 120/03]).

I. Bestimmte Weisung.

 

Rn 8

Der Begriff des Handelns auf Weisung iSv II ist weit auszulegen. Es genügt, dass der Bevollmächtigte iRd Vollmacht zu einem bestimmten Rechtsakt schreitet, zu dessen Vornahme ihn der Vollmachtgeber durch ein gezieltes Verhalten veranlasst hat. Einer Weisung kommt es gleich, wenn der Vollmachtgeber trotz Kenntnis nicht eingreift, obwohl er könnte (BGHZ 50, 364, 368; Neuner AT § 49 Rz 86). Das ist insb der Fall, wenn der Prozessanwalt in Anwesenheit und unter Mitwirkung der von ihm vertretenen Partei einen gerichtlichen Vergleich abschließt und diese nicht widerspricht (BGHZ 51, 141, 145; Hamm BeckRS 11, 18361). An einer Weisung iSv II soll es andererseits jedoch bei einem bloß teilnahmslosen Schweigen fehlen (Braunschw OLGZ 75, 441, 444 f). Auch die Genehmigung eines ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Rechtsgeschäfts nach § 177 I kommt einer Weisung gleich (BGH BB 65, 435).

II. Kenntnis oder Kennenmüssen des Vollmachtgebers.

 

Rn 9

Grds kommt es auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Vollmachtgebers im Zeitpunkt der Erteilung der betreffenden Weisung an. Spätere Kenntniserlangung genügt jedoch, wenn der Vollmachtgeber zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit hat, durch eine neue Weisung auf das von dem Vertreter vorzunehmende Geschäft einzuwirken (BGHZ 50, 364, 368; Neuner AT § 49 Rz 86).

III. Analoge Anwendung des Abs 2.

 

Rn 10

II gilt seinem Wortlaut nach nur für die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht. Zur analogen Anwendung auf den gesetzlichen Vertreter, den Untervertreter und den Vertreter ohne Vertretungsmacht s bereits Rn 2. Das Gesetz geht davon aus, dass gesetzliche Vertreter und Organe von juristischen Personen keine Weisungen der von ihnen vertretenen Person empfangen können. Wenn dennoch ein gesetzlicher Vertreter etwa in der Funktion eines Ergänzungspflegers wie ein weisungsgebundener Bevollmächtigter handelt (BGHZ 38, 65, 68) oder ein Geschäftsführer oder Liquidator einer GmbH die Weisungen des einzigen Gesellschafters befolgt (BGH WM 04, 1037, 1040), wird II analog angewandt. Nach diesen Grundsätzen kommt es für die nach § 814 I erforderliche Kenntnis der Nichtschuld bei Zahlungen des Staates auf den Wissensstand der anordnenden Stelle an (Karlsr ZIP 06, 933, 924 f). Auch beurteilen sich die Aufklärungspflichten einer Bank im Falle der Vertretung des Anlegers grds nach den Kenntnissen und Erfahrungen des Bevollmächtigten (BGH WM 11, 2088 Rz 23).

 

Rn 11

§ 166 bestimmt, dass sich Willensmängel in der Person des Vertretenen nicht auswirken. Der BGH wendet II auf Willensmängel des Vertretenen dennoch entspr an, wenn solche Willensmängel die Weisung beeinflusst haben. Insb wenn der Vertretene durch arglistige Täuschung des Vertragspartners dazu bestimmt wurde, dem Vertreter die Weisung zum Abschluss des Geschäfts zu erteilen, wird ihm das Recht zugebilligt, das Vertretergeschäft gem § 123 anzufechten (BGH NJW 00, 2268, 2269; BGHZ 51, 141, 146 ff). II soll in den Fällen des § 105 II gleichfalls entspr Anwendung finden (Braunschw OLGZ 75, 441, 442 f). Gegen die Rspr des BGH spricht jedoch, dass sie die Bestandskraft des Vertretergeschäfts systemwidrig von Willensmängeln des Vertretenen bei der Weisung abhängig macht (Bork Rz 1656).

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