Gesetzestext

 

(1) Urkunden, die nach Form und Inhalt als von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person errichtet sich darstellen, haben die Vermutung der Echtheit für sich.

(2) Das Gericht kann, wenn es die Echtheit für zweifelhaft hält, auch von Amts wegen die Behörde oder die Person, von der die Urkunde errichtet sein soll, zu einer Erklärung über die Echtheit veranlassen.

A. Bedeutung der Vorschrift.

 

Rn 1

Voraussetzungen der formellen Beweiskraft einer Urkunde sind die Unversehrtheit (§ 419) und die Echtheit der Urkunde. Eine Urkunde ist echt, wenn sie von demjenigen ausgestellt ist, von dem sie nach der Behauptung des Beweisführers ausgestellt sein soll (MüKoZPO/Schreiber § 437 Rz 1; St/J/Berger § 437 Rz 1; R/S/G § 120 Rz 11). § 437 I regelt die gesetzliche Vermutung der Echtheit einer inländischen öffentlichen Urkunde (zur ausländischen öffentlichen Urkunde s § 438, zur Privaturkunde s §§ 439, 440). Hinsichtlich der ›Echtheit‹ öffentlicher elektronischer Dokumente verweist § 371a III 2 auf die entsprechende Anwendung des § 437, sofern das Dokument von der Urkundsperson mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist; iRd Signaturprüfung wird festgestellt, welche Urkundsperson das öffentliche elektronische Dokument erstellt hat. § 371a III 3 erstreckt den Verweis auf Dokumente, die die Urkundsperson als Nutzer eines De-Mail-Kontos (Absendebestätigung) mit der qualifizierten elektronischen Signatur des Diensteanbieters hat versehen lassen (s Kommentierung dort). Für gescannte öffentliche Urkunden gilt § 437 entsprechend, wenn das Dokument, in das die öffentliche Urkunde übertragen wurde, sowie der Bestätigungsvermerk mit der qualifizierten elektronischen Signatur der Urkundsperson, die die Übertragung verantwortet, versehen sind (§ 371b, s Kommentierung dort).

B. Vermutung der Echtheit.

I. Voraussetzungen der Vermutung.

 

Rn 2

Die Echtheitsvermutung des § 437 betrifft nur inländische öffentliche Urkunden (zum Begriff der öffentlichen Urkunde vgl § 415 Rn 9 ff). Es kann sich um öffentliche Urkunden über Erklärungen iSv § 415 I, wirkende Urkunden (§ 417) oder Zeugnisurkunden (§ 418) handeln. § 437 erfasst auch die sog Eigenurkunden eines Notars oder einer Behörde (BGH DNotZ 81, 118, 120 [BGH 09.07.1980 - V ZB 6/80]; Lerch NotBZ 14, 373; MüKoZPO/Schreiber § 437 Rz 2; vgl auch § 415 Rn 15).

 

Rn 3

Eine Urkunde ist inländisch, wenn sie von einer inländischen Behörde oder von einer Urkundsperson errichtet wurde, die ihre Urkundsgewalt von einem inländischen Träger hoheitlicher Gewalt ableitet (zum Territorialitätsprinzip s § 415 Rn 16). Vor dem 30.11.07 errichtete öffentliche Urkunden werden unter Bezugnahme auf das Gesetz betreffend die Beglaubigung öffentlicher Urkunden vom 1.5.1878, RGBl I 1889, als inländisch angesehen, wenn sie innerhalb der alten Grenzen des Deutschen Reiches während dessen Existenz errichtet wurden, wobei auch Urkunden von Behörden und Urkundspersonen in der ehemaligen DDR prozessrechtlich als inländisch behandelt werden (MüKoZPO/Schreiber § 437 Rz 3; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 437 Rz 3). Mit Wirkung zum 30.11.07 ist dieses Gesetz außer Kraft getreten (s Art 18 des Gesetzes v 23.11.07, BGBl I, 2616). Urkunden von Behörden der Europäischen Union (nicht: von Behörden eines anderen Mitgliedstaats) können inländischen Urkunden gleichgestellt werden (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 437 Rz 3; s.a. St/J/Berger § 438 Rz 7).

II. Vermutungsfolge.

 

Rn 4

§ 437 I stellt eine gesetzliche Vermutung (§ 292) für die Echtheit der inländischen öffentlichen Urkunde auf. Die Vermutung kann durch den Beweis des Gegenteils (Hauptbeweis) entkräftet werden, wobei sämtliche Beweismittel zulässig sind (St/J/Berger § 437 Rz 4; MüKoZPO/Schreiber § 437 Rz 4). Die Echtheit des Beglaubigungsvermerks eines Notars kann bspw durch eine notarielle Eigenurkunde, in der der Notar die Fälschung bestätigt, widerlegt werden (vgl Hamm FGPrax 16, 8, 9). Die Echtheitsvermutung erstreckt sich auf den ganzen Text der Urkunde (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 437 Rz 6). Die Beweiskraftwirkung hinsichtlich des Inhalts der Urkunde ergibt sich für die unterschiedlichen öffentlichen Urkunden aus den §§ 415, 417 und 418.

C. Echtheitszweifel des Gerichts.

 

Rn 5

Hat das Gericht Zweifel an der Echtheit der Urkunde, dann muss es gem § 437 II vAw die Behörde oder Urkundsperson, die als Aussteller der Urkunde erscheint, zur Erklärung über die Echtheit auffordern. Bei Zweifeln an der Übereinstimmung von beglaubigter Abschrift und Urschrift wird die Vorschrift entsprechend angewendet (Frankf DNotZ 93, 757, 759 [OLG Frankfurt am Main 06.04.1993 - 20 W 65/93] mit Anm Kanzleiter; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 437 Rz 7; St/J/Berger § 437 Rz 6).

 

Rn 6

Das Parteiverhalten (Bestreiten, Anerkennen der Echtheit) ist unerheblich, da § 437 II allein auf Zweifel des Gerichts abgestellt (St/J/Berger § 437 Rz 5; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 437 Rz 7). Dem Gericht steht kein Ermessensspielraum zu. § 437 II ist keine Kann-Vorschrift iS einer Ermessensregelung, sondern regelt eine Ermächtigung des Gerichts (MüKoZPO/Schreiber § 437 Rz 5; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 437 Rz 7;/Anders/Gehle/Gehle...

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