Rn 5

Nach bisher hM kommt dem Tatbestand auch negative Beweiswirkung zu. Fehlt eine Wiedergabe des Parteivorbringens im Tatbestand, ist durch S 1 bewiesen, dass das Vorbringen nicht geltend gemacht wurde (BGH NJW 84, 2463 [BGH 25.05.1984 - V ZR 199/82]; NJW-RR 90, 1269 [BGH 16.05.1990 - IV ZR 64/89]). Im Hinblick auf § 313 II nF will der BGH die negative Beweiswirkung von S 1 aber nicht mehr auf schriftsätzlich angekündigtes Parteivorbringen anwenden, sodass sie nur noch für Angriffs- und Verteidigungsmittel gilt, die ohne schriftsätzliche Ankündigung vorgebracht werden (BGHZ 158, 269, 280 ff = NJW 04, 1876, 1879; BGHZ 158, 295, 309 = NJW 04, 2152, 2155). Eine negative Beweiskraft könne nur gerechtfertigt sein, wenn der Tatbestand eine vollständige Wiedergabe des Vorbringens erfordere, was aber wegen § 313 II jetzt nicht mehr der Fall sei (BGH aaO). Die Partei ist daher durch S 1 auch ohne die Notwendigkeit einer Tatbestandsberichtigung nicht daran gehindert, sich auf vermeintlich übergangenes oder für unerheblich erachtetes Schriftsatzvorbringen zu berufen. Auch weitere Urteile sind von der negativen Beweiskraft abgekehrt (BGH MDR 07, 353; 12, 1184). Daher wird die negative Beweiskraft des Tatbestands inzwischen ganz umfassend verneint (vgl zuletzt BGH V ZR 146/14 BeckRS 15, 19846 Rz 7; zur aktuellen Rspr und zu den Folgen für Berichtigungsanträge Dräger MDR 15, 131). Unabhängig von der negativen Beweiswirkung des § 314 soll in der Berufungsinstanz der gesamte Akteninhalt berücksichtigungsfähig sein (BGH NJW 92, 2148, 2149; BGHZ 158, 295, 309 = NJW 04, 2152, 2155; krit Wach/Kern NJW 06, 1315, 1317: zwar gesamter Prozessstoff in der Berufungsinstanz, aber Nachweis nur durch Tatbestand), sodass auch ein aus einem lückenhaften Tatbestand nicht ersichtliches Parteivorbringen nicht ›neu‹ iSd § 529 I Nr 2 ist, denn die Fehlerkontrolle auch hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen könne nur erfolgen, wenn der Prozessstoff der 1. Instanz dem Berufungsgericht als Ganzes zur Prüfung anfalle (so BGHZ 158, 295, 309). Die tatsächliche Grundlage für das Berufungsurteil kann daher dem Tatbestand entnommen werden und durch einen ergänzenden Rückgriff auf die Schriftsätze angereichert werden. Unter diesen Prämissen ist das ›Streitigstellen‹ von erstinstanzlich unstreitigen Tatsachen ebenso wie umgekehrt das Außerstreitstellen von vormals streitigen Behauptungen kein Fall von § 531 (BGZ 161, 138, 141 ff = NJW 05, 291 [BGH 18.11.2004 - IX ZR 229/03]; BGH BB 00, 1962). Auf dieser Grundlage spielt die Pauschalverweisung auf die Schriftsätze keine maßgebliche Rolle (näher § 313 Rn 12).

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