Rn 4

Zu unterscheiden sind zwei Fallgestaltungen. Ein Verzicht iSd Abs 1 S 2 Hs 1 muss sich auf die Begründung selbst beziehen. Der Verzicht ist eine bedingungsfeindliche und unwiderrufliche Prozesshandlung (Frankf NJW 89, 841). Die Bedingungsfeindlichkeit bezieht sich auf unbestimmte, externe Umstände, nicht aber auf Prozessergebnisse; daher ist Verzicht für den Fall des Unterliegens oder Obsiegens zulässig (St/J/Althammer Rz 11; Musielak/Musielak Rz 4). Die Prozesshandlungsvoraussetzungen müssen vorliegen; deshalb gilt Anwaltszwang nach § 78 (Naumbg FamRZ 02, 470, LS; näher § 78 Rn 16) und die Form für bestimmende Schriftsätze des § 129 (§ 129 Rn 6). Der Verzicht kann dem Urt vorangehen (Abs 3; Rn 6). Eine nach seinem Wortlaut nicht eindeutige oder konkludente Erklärung der Parteien ist auslegungsfähig auf der Grundlage einer objektiven Betrachtung (BGH NJW-RR 07, 1451, 1452 [BGH 04.07.2007 - XII ZB 14/07] Rz 10); ein Rechtsmittelverzicht bedeutet (nur) unter den Voraussetzungen von Abs 2 einen Verzicht auf die Entscheidungsgründe. Umgekehrt enthält ein Begründungsverzicht regelmäßig keinen Verzicht auf das Rechtsmittel (BAG EzA § 72a ArbGG 79 Nr 107; BAG NJW 06, 1995 [BAG 15.03.2006 - 9 AZN 885/05]); bei den rechtsmittelfähigen Urteilen (II) bleibt Begründungsverzicht für sich genommen also folgenlos.

Dem Begründungsverzicht stellt Abs 1 S 2 Hs 2 den Fall gleich, dass der wesentliche Inhalt der Gründe in das Protokoll aufgenommen wird. Die Aufnahme in das Protokollurteil meint nicht die nachträgliche Beifügung einer kurzen Wiedergabe des Inhalts der Gründe. Erfasst ist daher wie bei Abs 2 nur das Stuhlurteil, das im Anschluss an den Schlusstermin (§ 136 IV) erlassen wird. Ob mit Abs 1 S 2 eine Absenkung der Begründungsanforderungen einhergeht, ist str. Nach tw vertretener Auffassung soll der ›wesentliche Inhalt‹ iSd Abs 1 S 2 mit den Anforderungen des § 313 III (›kurze Zusammenfassung der Erwägungen‹) übereinstimmen (Zö/Vollkommer 31. Aufl Rz 4 unter Hinweis auf BegrRegE BTDrs 14/4722, 84 f, 93; aA Zö/Feskorn Rz 4; wohl Anders/Gehle/Hunke ZPO Rz 12). In der Tat wären die Unterschiede jedenfalls Marginal und in praxi nicht zu ziehen. Auf dieser Grundlage tritt allerdings eine Entlastung des Gerichts nur insoweit ein, als eine geordnete schriftliche und eigenständige Abfassung der Urteilsgründe entbehrlich ist.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge