Rn 69

Es besteht heute Einigkeit darüber, dass die negative Fassung eines Tatbestandsmerkmals ohne Einfluss auf die Verteilung der objektiven Beweislast ist (BGH NJW 89, 3222, 3223 [BGH 05.07.1989 - VIII ZR 334/88]; BAG NZA 22, 407 [BAG 16.12.2021 - 2 AZR 356/21]; Stieper ZZP 123, 27, 34 ff). Im Hinblick auf die mit einem Negativenbeweis verbundenen Schwierigkeiten vermeidet es der Gesetzgeber zwar regelmäßig, die Entstehung eines Rechts von einem Negativum abhängig zu machen (vgl BGHZ 101, 49, 55 = NJW 87, 2235, 2236). Gleichwohl können auch negative Tatsachen Gegenstand des Beweises sein. Es kann sich zum einen um negativ gefasste Tatbestandsmerkmale handeln wie in den §§ 612 II, 632 II, 653 II BGB (Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt), in § 812 BGB (ohne rechtlichen Grund) und in § 1600 II BGB (Fehlen einer sozial-familiären Beziehung) oder zum anderen um den Nachweis eines sonstigen negativen Umstandes wie etwa das Unterlassen einer gebotenen anwaltlichen Handlung, die fehlende Überforderungssituation des Kindes iRd § 828 II BGB (vgl den Fall BGHZ 181, 368, 372 = NJW 09, 3231, 3232; ebenso LG Saarbr NJW 10, 944, 945), das Fehlen ehebedingter Nachteile bei der Befristung des nachehelichen Unterhalts gem § 1578b I 2 (s dazu ausf Baumgärtel/Dehmer Bd 3 § 1578b Rz 2 ff), der fehlende Zugang eines Mahnschreibens iRd § 93 (Karlsr MDR 22, 270 = Bespr Laumen MDR 22, 350 [OLG Karlsruhe 01.12.2021 - 9 W 35/21]) oder die fehlende Berechtigung einer Schutzrechtsverwahrung (BGH WRP 17, 1208 [BGH 20.06.2017 - VI ZR 505/16] Rz 4 ff). Die Beweisführung geschieht üblicherweise dadurch, dass dem jeweiligen Beweisgegner eine gesteigerte Substantiierungspflicht auferlegt wird (für den Anspruch aus § 632 II BGB BGH NJW-RR 96, 952 [BGH 23.01.1996 - X ZR 63/94]; Saarbr NJW 15, 879, 880 [OLG Saarbrücken 19.11.2014 - 2 U 172/13] Rz 18; für den Anspruch aus § 812 BGB vgl BGH MDR 09, 693, 694; für den Anspruch aus § 1578b vgl BGHZ 185, 1 ff = NJW 10, 1813, 1814; NJW 12, 3434, 3437 Rz 40; s dazu allg Baumgärtel/Laumen Bd 1 Kap 20 Rz 17 ff mwN). So darf sich etwa ein Anwalt ggü der Behauptung des Mandanten, eine gebotene Belehrung sei unterblieben, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen; vielmehr muss er den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern und konkrete Angaben darüber machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt hat und wie der Mandant darauf reagiert hat (BGH NJW-RR 07, 569, 570 [BGH 23.11.2006 - IX ZR 21/03]; MDR 16, 1235 [BGH 14.07.2016 - IX ZR 291/14]; s. dazu ausf Baumgärtel/Laumen Bd 2 § 675 Rz 29 ff). Es ist dann Sache des Mandanten, diese Angaben zu widerlegen. Kommt dagegen der Beweisgegner seiner Substantiierungspflicht nicht nach, gelten die Angaben des Beweisführers gem § 138 III als zugestanden. Im Einzelfall können die Schwierigkeiten eines Negativbeweises aber auch durch eine Herabsetzung des Beweismaßes oder mit Hilfe des Anscheinsbeweises überwunden werden (vgl Baumgärtel/Laumen Bd 1 Kap 20 Rz 13 ff).

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