Prütting/Gehrlein, ZPO - Kommentar, ZPO § 286 ZPO – Frei ... / 5. Gesetzliche Beweisregeln (§ 286 II).

Rn 18

Die freie Beweiswürdigung wird ausgeschlossen durch die von § 286 II ausnahmsweise zugelassenen Beweisregeln. Abweichend vom Wortlaut der Vorschrift sollten mit ihr nur die in den bei Inkrafttreten der ZPO noch geltenden landesrechtlichen Beweisregeln aufgehoben werden, nicht aber die Beweisregeln, die außerhalb der ZPO in anderen Reichs- und Bundesgesetzen enthalten sind (MüKoZPO/Prütting Rz 27). Solche Beweisregeln finden sich zB in § 190 StGB (BGH NJW 85, 2644, 2645 [BGH 09.07.1985 - VI ZR 214/83]), §§ 60, 66 PStG, § 318 III HGB und §§ 32–35 GBO. In der ZPO sind Beweisregeln enthalten in den § 165 (Protokoll), §§ 174 I 2, 175 III, 183 II, 195 II, 270 S 2, 357 II 2, 497 I 2 (Zustellung), § 314 (Tatbestand; zur Reichweite BGH MDR 08, 816 [BGH 08.11.2007 - I ZR 99/05]) und in den §§ 415–418, 435, 438 II (Beweiskraft öffentlicher und privater Urkunden). Entgegen seinem Wortlaut ist ferner § 371a I 2 (Qualifizierte elektronische Signatur) als Beweisregel anzusehen (Baumgärtel/Laumen Bd 1 Kap 4 Rz 17 mit Nw zur Gegenmeinung). Gesetzliche Beweisregeln schreiben ohne Rücksicht auf die Überzeugung des Gerichts die Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache fest. Bis zum Beweis des Gegenteils (BGH NJW 02, 3027, 3028 [BGH 18.06.2002 - VI ZR 448/01] für § 212a aF) – bzw bis zum Gegenbeweis im Falle des § 371a I 2 – schließen sie also jede Beweiswürdigung aus (BGH NJW 90, 2125, 2126 [BGH 07.06.1990 - III ZR 216/89]). Keine Beweisregeln, sondern Beweislastregelungen sind die gesetzlichen Vermutungen iSd § 292. Sie bestimmen, wer im Streitfall den Hauptbeweis zu führen und wer die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat (§ 292 Rn 1 ff). Nicht zu den gesetzlichen Beweisregeln gehören ferner die Vorschriften über das Geständnis (§§ 288–290) sowie die Bestimmungen, die das Gericht als Folge einer unterbliebenen Prozesshandlung einer Partei verpflichten, bestimmte Tatsachen ohne Prüfung ihres Wahrheitsgehaltes seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§§ 138 III, 239 IV, 242, 244 II 2, 331 I, 439 III, 539 II 1).