Gesetzestext

 

1Eine öffentliche Urkunde kann in Urschrift oder in einer beglaubigten Abschrift, die hinsichtlich der Beglaubigung die Erfordernisse einer öffentlichen Urkunde an sich trägt, vorgelegt werden; das Gericht kann jedoch anordnen, dass der Beweisführer die Urschrift vorlege oder die Tatsachen angebe und glaubhaft mache, die ihn an der Vorlegung der Urschrift verhindern. 2Bleibt die Anordnung erfolglos, so entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung, welche Beweiskraft der beglaubigten Abschrift beizulegen sei.

A. Bedeutung der Vorschrift.

 

Rn 1

§ 435 regelt eine Vorlegungserleichterung, wenn der Urkundenbeweis mit einer öffentlichen Urkunde geführt wird (Begriff vgl § 415 Rn 9 ff). Auf den Urkundenbeweis mittels Privaturkunde kann die Vorschrift nicht entsprechend angewendet werden (s § 420 Rn 5). Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass die Urkundenoriginale sich zumeist in amtlicher Verwahrung befinden (s aber zur Bedeutung der Ausfertigung Rn 2). Die beglaubigte Abschrift beweist die Übereinstimmung der Abschrift mit dem zur Abschriftsbeglaubigung vorlegten Original, das selbst Urschrift, Ausfertigung oder Abschrift sein kann (s Rn 3, zur hiervon zu unterscheidenden öffentlich beglaubigten Urkunde § 415 Rn 18). Auch wenn im Beweisverfahren die beglaubigte Abschrift vorgelegt wird, bleibt das eigentliche Beweismittel die öffentliche Urkunde, die lediglich nicht in Urschrift oder Ausfertigung vorgelegt wird. Ein Urkundenbeweis kann folglich nicht durch Vorlage der beglaubigten Abschrift einer beglaubigten Abschrift der Urkunde geführt werden (St/J/Berger § 435 Rz 8; MüKoZPO/Schreiber § 435 Rz 2; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 435 Rz 3). Weil mit der beglaubigten Abschrift mittelbar jedoch zugleich die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Original attestiert wird, hat die Rspr jedenfalls im Grundbuchverfahren die Vorlage einer solchen Abschrift genügen lassen (KG Rpfleger 98, 108 [BayObLG 21.10.1997 - 2 ZBR 137/97]).

B. Vorlegung öffentlicher Urkunden.

I. Vorlegung der Urschrift.

 

Rn 2

Die Urschrift einer Urkunde ist das Schriftstück, das der Verfasser der Urkunde eigenhändig unterzeichnet hat und das Ausfertigungen und Abschriften zugrunde liegt (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 435 Rz 4). Bleibt die Urschrift in der Verwahrung einer Behörde, eines Gerichts oder des Notars (vgl § 45a I BeurkG für notarielle Urkunden) und nimmt somit nicht am Rechtsverkehr teil, so tritt die Ausfertigung im Rechtsverkehr an die Stelle der Urschrift (vgl § 47 BeurkG). Die Ausfertigung ist eine mit dem Ausfertigungsvermerk versehene Abschrift des Originals. Obwohl sie als Abschrift von der Urschrift erzeugt wird, ist sie mit demselben öffentlichen Glauben ausgestattet wie die Urschrift (BGHZ 36, 201, 204 = NJW 60, 33; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 435 Rz 5). Die Ausfertigung fungiert damit gewissermaßen als ›Urschrift im Rechtssinne‹. Sie ist grds als Urschrift iSv § 435 anzusehen, wobei der Beweis möglich bleibt, dass sie nicht mit der in der amtlichen Verwahrung verbliebenen Urschrift übereinstimmt oder dass eine Ausfertigung von einem nicht erlassenen Urt erteilt wurde (St/J/Berger § 435 Rz 6). Für die Beweiskraft der Ausfertigung spielt es keine Rolle, wem die Ausfertigung nach dem Ausfertigungsvermerk erteilt wurde. Es ist allerdings zu beachten, dass bei Vollmachtsurkunden die gewillkürte Erteilungsermächtigung (vgl § 51 II BeurkG) die für die Rechtsfolgen des § 172 BGB maßgebliche willentliche Aushändigung der Urkunde dokumentiert, da der Ausfertigungsvermerk in diesem Fall auf den Vertreter lautet (vgl § 49 II BeurkG). § 172 BGB setzt zwar nicht voraus, dass die Vollmachtsurkunde, die der Vertreter im Rechtsverkehr vorlegt, einen auf ihn lautenden Ausfertigungsvermerk trägt (Köln RNotZ 01, 407, 408 = Rpfleger 02, 197 mit krit Anm Waldner/Mehler). Wenn der Bevollmächtigte sich im Rechtsverkehr aber mit einer nicht auf ihn lautenden Ausfertigung ausweist, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ihm diese Ausfertigung willentlich überlassen wurde (vgl München DNotZ 08, 844, 845 mit Anm Mehler/Braun DNotZ 08, 810; Helms RNotZ 02, 235, 236 f; Waldner/Mehler MittBayNot 99, 261, 262; dies Rpfleger 02, 198 f [OLG Köln 09.07.2001 - 2 Wx 42/01]; aA Köln RNotZ 01, 407, 408 = Rpfleger 02, 197 [wechselseitige Bevollmächtigung iRe Vorsorgevollmacht, insoweit offengelassen von München DNotZ 08, 844 [OLG München 19.05.2008 - 34 Wx 023/08], 845]).

II. Vorlegung der beglaubigten Abschrift.

1. Begriff.

 

Rn 3

Abschriften sind Abschriften im wörtlichen Sinne, aber auch sonstige durch Ablichtung, Abdrucken usw hergestellte Vervielfältigungen des Originals (St/J/Berger § 435 Rz 9). Die Abschriftsverfahren sind gleichwertig; die Übereinstimmung mit dem Original wird durch den Beglaubigungsvermerk dokumentiert (Winkler § 42 BeurkG Rz 10). Enthält das Original, von dem die Abschrift erstellt wird, eine Unterschrift, kann in einer Abschrift, die das Schriftbild der Unterschrift nicht wiedergibt, der Name des Unterzeichners maschinenschriftlich eingefügt und zB durch den Zusatz ›gez.‹ gekennzeichnet werden (Winkler § 42 BeurkG Rz 10). Der Ort eines auf dem Original befindlichen Siegel...

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