Rn 11

Der bedürftigen Partei wird regelmäßig nicht zugemutet, iRd PKH-Verfahrens zur Vermeidung der Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist einen Antrag auf Verlängerung dieser Frist zu stellen (BGH NJW-RR 05, 1586 [BGH 22.06.2005 - XII ZB 34/04], strenger aber offenbar BGH NJW 13, 1684 [BGH 19.03.2013 - VI ZB 68/12]); zum einen wird es nicht selten vorkommen, dass die PKH-Entscheidung auch nach Ablauf der ersten Fristverlängerung noch nicht ergangen ist, zum anderen könnte auf diese Weise eine Gleichbehandlung mit der bemittelten Partei nicht erreicht werden. Vor der Einfügung der Monatsfrist durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz ist in der Rspr im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 236 II 2 befürwortet worden, eine (ein- oder zweimonatige) Begründungsfrist im Zeitpunkt der Zustellung der PKH-Entscheidung neu beginnen lassen (BGH NJW 03, 3275 [BGH 09.07.2003 - XII ZB 147/02] und 3782 [BGH 25.09.2003 - III ZB 84/02]; NJW 04, 2902, 2903 [BGH 17.06.2004 - IX ZB 208/03]). Dieser Lösungsweg dürfte nach der nunmehrigen gesetzlichen Regelung des § 234 I 2 verschlossen sein (vgl MüKoZPO/Stackmann Rz 15). Da auch diese Regelung vor dem Hintergrund der gebotenen Gleichstellung bemittelter und unbemittelter Parteien noch unbefriedigend erscheint, hat der BGH nunmehr einen anderen Lösungsweg eingeschlagen:

 

Rn 12

Wird dem Rechtsmittelführer nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt, beginnt die Monatsfrist zur Nachholung der Berufungsbegründung des § 234 I 2 erst mit der Mitteilung der Wiedereinsetzungsentscheidung (BGH MDR 14, 1104; BGHZ 176, 379; BGHZ 173, 14; BGH MDR 10, 947; NJW-RR 08, 1306; a.A. im Rahmen eines obiter dictums: BGH NJW-RR 08, 1313; vgl dazu auch BGH MDR 13, 363). Dies hat zur Folge, dass auch der bedürftigen Partei ein ähnlicher Zeitraum für die Rechtsmittelbegründung zur Verfügung stehen kann wie der bemittelten Partei. Denn von der Mitteilung über die PKH-Bewilligung bis zur Mitteilung der Wiedereinsetzungsentscheidung bzgl der Rechtsmittelversäumung werden regelmäßig mehrere Wochen vergehen, va dann, wenn die Partei die zunächst laufende zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist ab Mitteilung der PKH-Bewilligung ausschöpft. Dies kommt aber nur zum Tragen, wenn die bedürftige Partei zunächst nur einen isolierten PKH-Antrag (ohne Rechtsmitteleinlegung) gestellt hatte. Diese Rspr ist allerdings nicht auf die Rechtsbeschwerdebegründung übertragbar; bei der Rechtsbeschwerde läuft zur Einlegung und Begründung eine einheitliche Frist; die Wiedereinsetzungsfrist wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde beginnt deshalb einheitlich ab Bekanntgabe der PKH-Bewilligung (BGH MDR 21, 960; NJW 08, 3500 = BGHZ 176, 379). Auch eine Übertragung auf Wiedereinsetzungsanträge einer bemittelten Partei kommt nicht in Betracht (BGH ZIP 10, 1822).

 

Rn 13

Die wünschenswerte völlige Gleichstellung zwischen bemittelter und unbemittelter Partei wird ohnehin nicht erreicht, denn die einmonatige Frist für die Wiedereinsetzung gegen die versäumte Rechtsmittelbegründungsfrist kann als gesetzliche Frist mangels ausdrücklicher Bestimmung nicht verlängert werden (vgl § 224 II), so dass die bedürftige Partei wegen § 236 II die Rechtsmittelbegründung innerhalb der einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist (dh ohne Verlängerungsmöglichkeit) nachholen muss.

 

Rn 14

Zur Veranschaulichung: Bei Zustellung des Berufungsurteils am 3.3. und Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist am 3.5. besteht für die bemittelte Partei Verlängerungsmöglichkeit bis 3.7. ohne Zustimmung des Gegners (§ 551 II 4) sowie weitere Verlängerungsmöglichkeit bei Zustimmung des Gegners/fehlender Verzögerung oder Vorliegen erheblicher Gründe; der bemittelten Partei steht mithin in diesen Fällen ab Berufungseinlegung regelmäßig ein Zeitraum von jedenfalls 3 Monaten zur Begründung des Rechtsmittels zur Verfügung, und zwar mit der Möglichkeit weiterer Verlängerung. Für die bedürftige Partei sieht die Situation ungünstiger aus: bei Mitteilung der PKH-Bewilligung zB am 10.5. bleiben ihr zwei Wochen zur Rechtsmitteleinlegung/Wiedereinsetzungsantrag; entscheidet das Gericht unverzüglich über die Wiedereinsetzung und geht der Partei die Entscheidung über die Bewilligung der Wiedereinsetzung am 10.6. zu, muss sie die Revision bis 10.7. begründen und Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist beantragen, ohne dass ihr eine Möglichkeit der Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist zur Verfügung stünde. Auch mittels einer vorsorglich schon im PKH-Verfahren beantragten Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist kann das Problem nicht befriedigend gelöst werden, denn je nach Dauer des PKH-Verfahrens kann auch diese schon abgelaufen sein (vgl oben Rn 10).

 

Rn 15

Hatte die bedürftige Partei das Rechtsmittel bereits unbedingt eingelegt, so bedarf es nach PKH-Bewilligung keiner Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist, denn diese Frist wurde von vornherein gew...

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