Gesetzestext

 

Für Schiedsgerichte, die in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige oder andere nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen angeordnet werden, gelten die Vorschriften dieses Buches entsprechend.

A. Rechtsquelle.

 

Rn 1

§ 1066 hat keine Entsprechung im UNCITRAL-MG, dessen ausschließlicher Gegenstand die Handelsschiedsgerichtsbarkeit ist (Art 1 I UNCITRAL-MG).

B. Regelungsbereich und Normzweck.

 

Rn 2

§ 1066 erfasst alle Vereinbarungen oder Klauseln, die nicht unter den herkömmlichen Begriff der Schiedsvereinbarung nach § 1029 ff ›passen‹, jedoch gleichwohl die Entscheidung über Streitigkeiten einem Schiedsgericht unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs zuweisen. Dazu gehören in erster Linie die sogenannten statutarischen Schiedsklauseln in den Gesellschaftsverträgen der Handelsgesellschaften wie OHG, KG, GmbH, GmbH & Co. KG. Seitdem der BGH die Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften anerkannt hat (BGHZ 146, 341), gehören hierzu auch die Schiedsklauseln in deren Gesellschaftsverträgen; weiter gehören hierzu Schiedsklauseln in der Satzung von Vereinen (BGHZ 197, 162, Rz 17).

Unter § 1066 fallen auch die durch letztwillige Verfügung in Form eines wirksamen Testaments des Erblassers (s PWW/Zimmer § 1937 Rz 1 ff) eingesetzten Schiedsgerichte Dagegen gehört eine zwischen den Parteien eines Erbvertrags oder zwischen Erben vereinbarte Schiedsklausel zu den vertraglich vereinbarten Schiedsverträgen nach §§ 1029 ff.

 

Rn 3

Für die Bildung des Schiedsgerichts, die Durchführung des Schiedsverfahrens, den Schiedsspruch und dessen Vollstreckbarkeit bzw Aufhebung gelten die allgemeinen Regeln des 10. Buchs ohne jede Einschränkung.

C. Wirksamkeitsvoraussetzung.

 

Rn 4

Ein durch Statut, Satzung oder Testament eingesetztes Schiedsgericht wird nur dann als ein echtes Schiedsgericht nach § 1066 iVm §§ 1025 ff anerkannt, wenn es sich um eine wirklich unabhängige und unparteiliche Einrichtung handelt (BGHZ 159, 207, 212f). Die Bildung und Zusammensetzung des Schiedsgerichts muss den Anforderungen der §§ 1034–1039 entsprechen. Jede Partei muss gleichberechtigt an der Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können. Für die Durchführung des Schiedsverfahrens muss gewährleistet sein, dass das Schiedsgericht allen Parteien als neutraler Dritter ggü steht (BGHZ 197, 162, Rz 17). Es muss das Verfahren fair und unparteiisch durchführen und jeder Partei ausreichend rechtliches Gehör gewähren, § 1042. Schließlich muss es ausschließlich nach geltendem Recht entscheiden können, § 1051 I und II, soweit es nicht ausdrücklich zu einer Entscheidung nach Billigkeit ermächtigt ist, § 1051 III (BGHZ 159, 207, 213f).

 

Rn 5

An diesen Voraussetzungen fehlt es häufig, wenn in Satzungen von Vereinen oder Parteien ein ›Schiedsgericht‹ eingesetzt wird, um über Streitigkeiten zwischen einem Mitglied und Verein/Partei oder nur zwischen deren Mitgliedern zu entscheiden (BGHZ 159, 207, 210 ff). So etwa, wenn die Mitglieder des ›Gerichts‹ von einem Verbandsorgan, wie der Mitgliederversammlung des Vereins oder Verbands, gewählt werden (BGH 9.5.18 – I ZB 53/17 juris, Rz 12). Die gerichtliche Kontrolle derartiger Entscheidungen erfolgt über die Klage nach § 253 ff (BGHZ 159, 207, 211). § 1066 gilt nur für ein ›echtes‹ in einer Vereins- oder Parteivereinbarung vorgesehenes Schiedsgericht. Ob dies der Fall ist, hat das Gericht als Prozessvoraussetzung in den Verfahren nach §§ 1066, 1059, 1060 vAw zu prüfen (BGHZ 159, 207, 210). Das Ständige Schiedsgericht der 3. Liga beim DFB ist ein echtes und unabhängiges Schiedsgericht nach §§ 1025 ff, bei dem die Parteien einen paritätischen Einfluss auf dessen Besetzung haben (BGH 4.11.2021 – I ZB 54/20 = NJW 22, 245 Rz 11–13).

D. Statutarische Schiedsklauseln.

I. Zulässigkeit.

 

Rn 6

Zulässig sind statutarische Schiedsklauseln in den Satzungen aller personalistisch strukturierten Gesellschaften oder Verbänden. Das gilt va für BGB-Gesellschaft, OHG, GmbH und GmbH & Co. KG mit einer überschaubaren Anzahl von Gesellschaftern, die damit personalistisch strukturiert sind (BGHZ 180, 221 für die GmbH-Schiedsfähigkeit II). Unzulässig sind sie bei der börsennotierten AG schon wegen des Verbots aus § 23 V AktG. Bei der personalistisch strukturierten nicht börsennotierten kleinen AG ist eine Schiedsvereinbarung nach moderner Auffassung jedoch zulässig (Schmidt/Lutter/Schwab § 246 Rz 33). Sie muss dann in einer gesonderten Vereinbarung außerhalb der Satzung vorliegen. Eine Entscheidung des BGH zur kleinen AG steht jedoch noch aus. Unzulässig sind statutarische Schiedsklauseln auch bei kapitalistisch strukturierten Gesellschaften jeder Rechtsform, die auf eine Vielzahl von Gesellschaftern angelegt sind zB Kapitalanlagenfonds jeder Art.

 

Rn 7

Sind an der Gesellschaft Verbraucher beteiligt, muss eine statutarische Schiedsvereinbarung die Formvorschrift von § 1031 V einhalten (s § 1031 Rn 9). Ihr Inhalt darf nicht missbräuchlich iSv Art 6 I EGRiLi 93/13 sein. Diese Prüfung hat vAw zu erfolgen (EuGH, Slg 06, I-6653, Rz 32 – Asturcom Telecomunicaciones).

II. Auslegung.

 

Rn 7a

Bei personalistisch strukturierten Gesellschaften ist die Schiedsklausel nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Ihr objektiv...

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