Gesetzestext

 

(1) Eine in einem Mitgliedstaat über eine unbestrittene Forderung ergangene Entscheidung wird auf jederzeitigen Antrag an das Ursprungsgericht als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, wenn

a) die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist, und
b) die Entscheidung nicht im Widerspruch zu den Zuständigkeitsregeln in Kapitel II Abschnitte 3 und 6 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 steht, und
c) das gerichtliche Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat im Fall einer unbestrittenen Forderung iSv Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) den Voraussetzungen des Kapitels III entsprochen hat, und
d) die Entscheidung in dem Mitgliedstaat ergangen ist, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz iSv Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 hat, sofern die Forderung unbestritten iSv Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) ist, sie einen Vertrag betrifft, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann und der Schuldner der Verbraucher ist.

(2) Ist eine als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung nicht mehr vollstreckbar oder wurde ihre Vollstreckbarkeit ausgesetzt oder eingeschränkt, so wird auf jederzeitigen Antrag an das Ursprungsgericht unter Verwendung des Formblatts in Anhang IV eine Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit bzw. der Beschränkung der Vollstreckbarkeit ausgestellt.

(3) Ist nach Anfechtung einer Entscheidung, die als Europäischer Vollstreckungstitel gem Absatz 1 bestätigt worden ist, eine Entscheidung ergangen, so wird auf jederzeitigen Antrag unter Verwendung des Formblatts in Anhang V eine Ersatzbestätigung ausgestellt, wenn diese Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist; Artikel 12 Absatz 2 bleibt davon unberührt.

 

Rn 1

Die Bestätigung einer Entscheidung (zu Vergleichen und öffentlichen Urkunden s Art 24f) als Europäischer Vollstreckungstitel ist Sache desselben Gerichts, das die Entscheidung getroffen hat (›Ursprungsgericht‹). Es hat dabei die in Abs 1 genannten Voraussetzungen zu beachten. Außerdem kommt in Spezialfällen die Erteilung einer Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung (Abs 2) oder einer Ersatzbestätigung (Abs 3) in Betracht.

 

Rn 2

Rechtskraft der Entscheidung ist nicht erforderlich. Frage 7 des Formblatts in Anhang I, die nach Rechtsmitteln fragt, ist daher irreführend. Sie ist mit ›nein‹ zu beantworten, wenn kein Rechtsmittel existiert oder ein solches zB wegen Fristablaufs unzulässig ist. Die vorläufige Vollstreckbarkeit nach dem Prozessrecht des Ursprungsgerichts reicht für die Bestätigung aus.

 

Rn 3

Die Vorschrift verweist hier nur auf die besonderen Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel-Ia-VO für Versicherungssachen (Art 10–16 Brüssel-Ia-VO) und auf die Regeln zur ausschließlichen Zuständigkeit in Art 24 Brüssel-Ia-VO. Ist das entscheidende Gericht nicht nach diesen Vorschriften international zuständig, so darf auch keine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ergehen. Insbesondere kann auch bei einem Anerkenntnisurteil nicht über die gem Art 24 Brüssel-Ia-VO bestehenden ausschließlichen Zuständigkeitsregeln disponiert werden (s Art 25 IV Brüssel-Ia-VO und Art 26 I S 2 Brüssel-Ia-VO).

 

Rn 4

In Säumnissachen (Art 3 Abs 1 lit b oder c) ist die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Mindeststandards (Art 12 ff) ein Kernelement der EuVTVO, das den freien Verkehr der Entscheidungen erst rechtfertigt (Art 1). Daher darf von ihnen auch nicht abgewichen werden (aA H. Roth IPRax 08, 235, 237 [OLG Stuttgart 24.05.2007 - 8 W 184/07]: teleologische Reduktion ggf möglich).

 

Rn 5

Die EuVTVO kann auch auf Verbrauchersachen angewandt werden, allerdings in Säumnissachen zum Schutze des Verbrauchers nur dann, wenn die Entscheidung im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ergeht (LAG Berlin-Brandenburg 26 Ta (Kost) 6228/21). Die sachlichen und situativen Voraussetzungen des Art 17 Brüssel-Ia-VO sind insoweit allerdings nicht einschlägig. Ein Anerkenntnisurteil kann dagegen auch in einem anderen Staat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden (Wagner IPRax 05, 189, 194), sofern dort eine Zuständigkeit gegeben ist. Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift wendet der EuGH Abs 1 lit d nicht auf beidseitig nicht-unternehmerische Geschäfte an, dh für solche ›C2C‹-Geschäfte gilt die besondere Bestätigungsvoraussetzung des Abs 1 lit d nicht (EuGH EuZW 14, 147 = ECLI:EU:C:2013:790).

 

Rn 6

Der Schuldner kann in den genannten Fällen durch Antrag an das Ursprungsgericht (in Deutschland s § 1079 Nr 2) eine Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung erwirken, um die Zwangsvollstreckung aus dem Europäischen Vollstreckungstitel zeitweilig oder dauernd zu verhindern. Wird in Deutschland vollstreckt, so wirkt diese Bescheinigung als Entscheidung iSv § 775 Nr 1 oder 2.

 

Rn 7

Abs 3 betrifft den Fall, dass eine bereits gem Art 6 I bestätigte Entscheidung in einem Rechtsbehelfsverfahren überprüft und bestätigt wird. In diesem Fall wird auf Antrag die hier angesprochene Ersatz...

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