Gesetzestext

 

Im Sinne dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. ›Entscheidung‹: jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten.
2. ›Forderung‹: eine Forderung auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme, die fällig ist oder deren Fälligkeitsdatum in der Entscheidung, dem gerichtlichen Vergleich oder der öffentlichen Urkunde angegeben ist.
3.

›Öffentliche Urkunde‹:

a) ein Schriftstück, das als öffentliche Urkunde aufgenommen oder registriert worden ist, wobei die Beurkundung sich auf die Unterschrift und den Inhalt der Urkunde bezieht und von einer Behörde oder einer anderen von dem Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigten Stelle vorgenommen worden ist;

oder

b) eine vor einer Verwaltungsbehörde geschlossene oder von ihr beurkundete Unterhaltsvereinbarung oder -verpflichtung.
4. ›Ursprungsmitgliedstaat‹: der Mitgliedstaat, in dem eine Entscheidung ergangen ist, ein gerichtlicher Vergleich gebilligt oder geschlossen oder eine öffentliche Urkunde ausgestellt wurde und in dem diese als Europäischer Vollstreckungstitel zu bestätigen sind.
5. ›Vollstreckungsmitgliedstaat‹: der Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung der/des als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung, gerichtlichen Vergleichs oder öffentlichen Urkunde betrieben wird.
6. ›Ursprungsgericht‹: das Gericht, das mit dem Verfahren zum Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a), b), und c) befasst war.
7. Bei den summarischen Mahnverfahren in Schweden (betalningsföreläggande) umfasst der Begriff ›Gericht‹ auch die schwedische kronofogdemyndighet (Amt für Beitreibung).
 

Rn 1

Der Begriff des Gerichts ist europäisch-autonom auszulegen und umfasst jedes staatliche Organ unabhängiger Rspr (EuGHE 2004 I, 9686, nicht aber kroatische Notare im Verfahren der ›glaubwürdigen Urkunde‹, EuGH 9.3.17 – C-484/15, dazu Wolber EuZW 17, 680; H. Roth IPRax 18, 41). Auf die Beteiligung eines Richters kommt es nicht an. Auch der deutsche Vollstreckungsbescheid kann als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen.

 

Rn 1a

Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist in Nr 1 besonders genannt und fällt daher nicht unter Art 7 EuVTVO. Da er nicht unter Art 7 fällt, sondern als eigenständiger Titel in einem eigenständigen Verfahren ergeht, kann er schon dann als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, wenn im Kostenfestsetzungsverfahren keine Einwendungen erhoben wurden; darauf, ob die Hauptsacheentscheidung unter Art 3 fällt, kommt es nicht an (Stuttg NJW-RR 07, 1583, 1584 [OLG Stuttgart 24.05.2007 - 8 W 184/07]; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Art 7 EuVTVO Rz 5; MüKo/Adolphsen Rz 15; Rauscher/Pabst Rz 19; anders Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel Rz 3; Wagner IPRax 05, 189, 196). Der Entscheidung des EuGH v 14.12.17 (C-66/17; EuZW 18, 136 = ECLI:EU:C:2017:972) ist insoweit nichts Gegenteiliges zu entnehmen, sie betrifft den in Art 7 geregelten Fall einer in der Hauptsacheentscheidung enthaltenen bezifferten Kostenentscheidung (anders aber Nagel/Gottwald/Gottwald Rz 14.38).

 

Rn 1b

Probleme bei einer Bestätigung von Kostenfestsetzungsbeschlüssen als Europäischer Vollstreckungstitel bereitet aber, dass die im Kostenfestsetzungsverfahren verwendeten Formulare nicht die gem Art. 17 EuVTVO erforderlichen Belehrungen enthalten. Dieser Mangel wird allerdings gem Art 18 geheilt, wenn dem Kostenfestsetzungsbeschluss eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist (Gebauer/Wiedmann/Bittmann Art 7 EuVTVO Rz 5), was gem § 232 aber nicht in jedem Fall verpflichtend ist. Soll der Kostenfestsetzungsbeschluss später als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, sollte daher schon mit dem Kostenfestsetzungsantrag ausdrücklich beantragt werden, den Kostenfestsetzungsbeschluss mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen, um so eine Heilung gem Art 18 EuVTVO herbeizuführen.

 

Rn 2

Die EuVTVO umfasst nicht nur Entscheidungen über Zahlungsansprüche privater Gläubiger, sondern auch Ordnungsgeldbeschlüsse (BGH NJW 10, 1883 [BGH 25.03.2010 - I ZB 116/08], dazu oben Art 2 EuVTVO Rn 1). Die Höhe der zu zahlenden Summe muss explizit angegeben werden oder sich zumindest aus dem Titel selbst berechnen lassen, zB bei einer Zinsforderung.

 

Rn 3

(nicht besetzt)

 

Rn 4

Die Forderung muss entweder bereits fällig sein oder das zukünftige Fälligkeitsdatum muss tituliert sein, etwa bei wiederkehrenden Leistungen. Lautet der Titel auf Zahlung Zug um Zug gegen eine andere Leistung, so ist die EuVTVO nicht anwendbar, auch wenn die Zug-um-Zug-Verurteilung in der deutschen Begrifflichkeit nicht die Fälligkeit der Zahlung betrifft. Jedoch ist der Begriff der Fälligkeit hier autonom auszulegen und meint einen unbeschränkt durchsetzbaren Zahlungstitel, der bei Zug-um-Zug-Verurteilung gerade nicht vorliegt (Wagn...

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